EDEN WEINT IM GRAB im Interview mit earshot.at
Hallo Alexander! Ich gratuliere dir gleich vorweg zu deinem bewegenden und mitreißenden Album „Trauermarsch nach Neotopia“. Schildere uns doch zu Beginn gleich bitte die Entstehungsgeschichte von EDEN WEINT IM GRAB und welche Beweggründe dafür verantwortlich waren. Ich schätze einmal deine Studienfächer der deutschen und englischen Literaturwissenschaft haben damit nicht unwesentlich zu schaffen, oder ist es hier vielmehr wie bei der alten Frage nach dem Huhn und dem Ei? Führte dich das Studium zur Musik, oder die Musik zum Studium?
Das ist schwer zu beantworten. Sicherlich spielt Lyrik bei EDEN WEINT IM GRAB eine große Rolle und ich versuche eine fruchtbare Symbiose aus Poesie und Musik zu erschaffen. Aber ich habe das Projekt nicht wegen dem Studium ins Leben gerufen und habe auch nicht wegen der Musik Literaturwissenschaft studiert. Auch die Gründung von EDEN WEINT IM GRAB kann ich nicht mehr allzu genau nachvollziehen. Das war ein langer Prozess. Ich hatte um die Jahrtausendwende herum schon mal ein Demo aufgenommen, das in die härtere Richtung tendierte, mich aber nicht wirklich zufrieden gestellt hat. Ich hatte das Projekt daher erstmal wieder begraben (wie passend – Anm. v. Jürgen). Der Wille, mich künstlerisch in diesem Bereich, den meine anderen Bands bis dato nicht abdeckten, auszudrücken, blieb aber latent immer vorhanden und so kam es 2004 zu einem neuen Versuch, ein Demo aufzunehmen und da die Ideen dann nur so aus mir heraus sprudelten, wurde gleich ein komplettes Album daraus: ‚Traumtrophäen Toter Trauertänzer‘. Das war seinerzeit eine sehr spontane Angelegenheit. Erst durch die frenetischen Fanreaktionen gewann das Projekt an Ernsthaftigkeit.
Wie schon beim Vorgängeralbum steckt auch im neuen Albumtitel das Wort „Trauer“ – hat es eine spezielle Bewandtnis damit oder hat sich das rein zufällig ergeben?
Ich glaube nicht an Zufälle. Der Tod gehört zum Konzept von EDEN WEINT IM GRAB unweigerlich dazu und damit verbunden die Fragen nach dem Sinn aller Existenz, Verfallsprozesse und natürlich Trauer – ich richte den Blick aber auch gerne in höhere Sphären, quasi im Grab liegend ins Licht blickend.
All zu viel dem Zufall dürftest du ja nicht überlassen, denn alleine schon der Widerspruch, den der Bandname EDEN WEINT IM GRAB in sich birgt wird wohl genauso wenig zufällig entstanden sein, wie sich die daraus ergebenden Abkürzung E.w.i.G. Kämpfst du bewusst gegen den Zufall an und lenkst alles erdenklich mögliche in kausale Bahnen, damit du dich nicht abhängig oder ausgeliefert fühlen musst?
Das ist eine interessante Interpretation. Aber nein, ich kämpfe nicht gegen Zufälle, ich glaube schlichtweg nicht, dass es sie gibt, sondern dass jeder Mensch seines Glückes Schmied ist und alle Dinge aus einem Grund geschehen. Abhängig und ausgeliefert sind wir letzten Endes nur uns selbst, alles andere sind Ausreden. Der Mensch ist keine Marionette, deren Fäden von einer höheren Instanz gelenkt werden, sondern ist Puppenspieler und Puppe in einem und erschafft nebenbei noch das Theater, in dem das Schauspiel stattfindet, selbst. Was den Namen EDEN WEINT IM GRAB angeht, so repräsentiert er das Konzept einfach wunderbar. Alles dreht sich um den Tod, das Grab, Trauer (daher das Weinen) und die Sterblichkeit, ich möchte aber deutlich machen, dass dies nicht die einzige Ebene ist, daher die Abkürzung ‚ewig‘ und der Verweis auf Eden, das zwar trauert und sich als tot erachtet, letztendlich aber in dem Moment, in dem es noch weinen kann, quicklebendig ist. Der Name ist also durchaus philosophisch 😉
Ist mit EDEN eigentlich das biblische Paradies gemeint, aus dem wir Menschen durch Selbstverschulden vertrieben wurden? Doch warum sollte dieser göttliche Platz darüber betrübt sein, dass eine derart stumpfsinnige und primitive Spezies, wie der Mensch von ihr Abschied genommen hat?
Gemeint ist das was der Betrachter zu erkennen glaubt – es gibt kein richtig oder falsch. Ich für meinen Teil sehe Eden als etwas Göttliches, aber nicht als etwas Christliches an. Für mich ist Eden der Zustand der Harmonie mit sich selbst, die Aufhebung aller Entfremdung des Menschen von der Natur und letztendlich die Erkenntnis aller Zusammenhänge. Wie und wo wir diesen Zustand erreichen können, weiß ich leider auch noch nicht, sonst säße ich jetzt nicht hier und würde Interviews beantworten. Aber ich denke die Sehnsucht danach treibt uns alle an, ob bewusst oder unbewusst. Dass der Mensch solch eine oft stumpfsinnige und primitive Spezies ist, wie du sagst, hängt für mich genau damit zusammen, dass er seine Mitte und seinen Sinn verloren hat und gewissermaßen erst den Schlüssel zum Weltgeheimnis wiederfinden muss.
Die Songs für das neue Werk waren bereits Mitte des Jahres 2006 fertig, doch gab es da leider einige Komplikationen mit Massacre Records, die zuerst Interesse bekundet hatten das Album zu veröffentlichen, dann aber doch einen Rückzieher gemacht haben. Wie sehr hat dich diese Verzögerung vom Kurs abgebracht und wie ist dein Verhältnis heute zu Massacre?
Vom Kurs abgebracht hat sie mich gar nicht, denn das Album war bereits fertig, bevor ich mich überhaupt auf die Labelsuche gemacht habe. Allerdings habe ich später noch mal das Mastering und ein paar Details im Mix korrigiert, diese Zeit wäre anders wahrscheinlich nicht gewesen. Sicherlich war die ganze Geschichte sehr ärgerlich, wenn ein Label eine Band 1,5 Jahre lang mit einem unterschriftsreifem Vertrag hinhält, um sich dann zu überlegen, dass ihnen die Musik doch zu unkonventionell und risikobehaftet ist. Aber ich bin kein nachtragender Mensch und habe mit der Sache abgeschlossen. Ich würde mich nur freuen, wenn ich Massacre eines Tages stolz sagen kann, seht her, ihr hattet nicht recht, es gibt doch noch ein Interesse an ungewöhnlicher Musik fernab der üblichen Schablonen.
Ironischerweise wurden ja angeblich von Seiten von Massacre die allerorts rückgängigen CD-Verkäufe und das Überhandnehmen von Downloads als Gründe genannte, warum sie dir keine Chance geben wollten. Ironisch deswegen, weil ja dein Debüt als Gratis-Download im Netz steht.
Inwieweit kannst du somit den Entschluss von Massacre nachvollziehen?
Aus geschäftlicher Sicht kann ich es nachvollziehen, da jede Veröffentlichung einer Newcomer-Band in der heutigen Zeit ein Risiko ist, da man nie weiß, ob das investierte Geld wieder eingespielt wird und rein vom Idealismus kann eben keine Plattenfirma leben, die professionelle Arbeit leisten will. Die Sache mit den zurückgehenden CD-Verkäufen und ständig zunehmenden illegalen Downloads ist leider eine sehr traurige Tatsache, die vielen Labels schwer zu schaffen macht. Andererseits ist das eine Diskussion, über die schon ganze Bücher geschrieben wurden und wie so oft lässt sich der Wandel, den die digitale Revolution mit sich bringt, nicht mehr aufhalten oder gar rückgängig machen. Deswegen muss man den Fakten ins Auge sehen und sich damit arrangieren. Genau das habe ich seinerzeit mit dem Debüt gemacht, denn ich stand vor der Entscheidung, bei irgendeinem Mini-Label zu unterschreiben, wo vermutlich kaum jemand Notiz genommen hätte von der Scheibe, da die Marketingmöglichkeiten gefehlt hätten, oder sie einfach for free ins Netz zu stellen und so mehr Menschen die Chance zu geben, darauf aufmerksam zu werden. Geld verdient hätte ich so oder so keines. Und auch in Zukunft werden sich die Bands wohl damit abfinden müssen, dass man mit dem direkten Musikverkauf kaum noch Geld verdienen kann, sondern allenfalls über Konzerte und Merchandising. Für mich stand das Geldverdienen nie im Mittelpunkt, andererseits merke ich momentan mehr und mehr, dass es schwer ist, ein Projekt, bei dem man alles alleine macht – Songwriting, Texte schreiben, Einspielen der Instrumente, Produktion, Mix, Master, Layouts, Webseiten, Management, Mails beantworten, usw. – mit dem nötigen Zeitaufwand zu betreiben, wenn man die meiste Zeit damit beschäftigt ist, seinem täglichen Broterwerb nachzugehen und zu vielen Dingen gar nicht ausgiebig kommt. Das ist der fade Beigeschmack und der Grund weshalb es wohl auch in Zukunft immer etwas länger dauern wird, bis etwas Neues von EDEN WEINT IM GRAB zu hören ist.
Ich habe vernommen, dass du der Meinung bist, dass die heutige Konsumgesellschaft auch vor dem leichtfertigen Umgang mit dem Medium Musik nicht mehr Halt macht. Geht es dir hier primär um die zügellose Verbreitung im Internet und das damit zusammenhängende Downloaden von Alben, oder mehr um den Verlust der künstlerischen Identität und Einzigartigkeit, die man sich durch eine handfeste CD mit schönem Cover und einem interessant gestalteten Booklet erarbeiten kann?
Es geht mir überhaupt nicht um das Medium – Musik ist Musik, egal ob sie auf CD, LP oder per MP3 zum Hörer transportiert wird. Aber was sich geändert hat ist der Umgang damit, da wir in einem großen Überangebot leben, verglichen mit der Zeit vor 30 Jahren. Heutzutage kann sich jeder Mensch am Tag Dutzende Alben for free aus dem Netz ziehen und viele Leute nehmen sich deshalb immer weniger Zeit, jedes Album im Detail mehrfach durchzuhören und sind oft auch nicht mehr bereit, dafür etwas zu bezahlen, da Musik zum Wegwerfprodukt verkommt und der ideelle Wert zunehmend sinkt. Die breite Masse hört Musik nur noch zur Berieselung und die meisten Hits haben eine Halbwertszeit von kaum mehr länger als einer Woche. Allerdings muss ich sagen, dass ich mit der ersten Scheibe von EDEN WEINT IM GRAB auch viele gegenteilige Erfahrungen gemacht habe, denn obwohl es ein reines Download-Album ist, haben es sich viele Menschen über Wochen und Monate hinweg sehr intensiv angehört und sich selbst mit bestimmten Textzeilen sehr detailliert auseinander gesetzt. Es ist also weder alles schwarz noch weiß und in jedem Fall hat mich das ungemein gefreut.
Einen hoffentlich verlässlichen Partner hast du nun aber in Avasonic/Rough Trade gefunden. Wie kam der Deal zustande und ist eine längere Kooperation angedacht?
Ich kannte die Jungs schon von einer anderen Zusammenarbeit. Deswegen waren sie der erste Ansprechpartner nach der Enttäuschung mit Massacre und glücklicherweise sind sie das ‚Risiko‘ ohne langes Überlegen eingegangen und haben die Platte schnell veröffentlicht nach der langen Wartezeit. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar und ich hoffe, dass sie es nicht bereuen werden. Der Vertrag geht noch über ein weiteres Album, was danach passieren wird, hängt sicher auch davon ab, wie die Alben bis dahin laufen. Das wird sich alles zeigen.
Welches Ereignis war eigentlich der Auslöser für den Trauermarsch nach Neotopia, wo liegt Neotopia überhaupt und wer beschreitet den Marsch?
Gute Frage 😉 Einen Auslöser im eigentlichen Sinne gab es nicht, vielmehr führten unzählige inspirative Fragmente zu einem Gesamtwerk. Beschritten wird der Pfad nach Neotopia von der gesamten Menschheit. Neotopia ist für mich jedes angesprochene Paradies/Eden/Goldene Zeitalter, das die Menschen sich ersehnen, zu dem sie aber gewissermaßen den Wegweiser verloren haben. Deswegen handelt es sich um einen Trauermarsch durch die Irrgarten dieser Welt, in denen Qualen, Leid und Ratlosigkeit lauern.
Wie lautet deine Mission mit E.w.i.G.? Wer sich derart für eine Sache aufopfert wie du, muss zumindest eine Botschaft zu vermitteln haben, die unter das Volk gebracht werden muss. Als Indiz dafür wäre auch der schon erwähnte Gratisdownload des ersten Albums zu werten, denn oftmals beteuern Musiker ja, dass sie die Lieder nur für sich schreiben, du hingegen versucht ja möglichst viele Leute mit deinem Schaffen zu erreichen. Oder geht es hier um komplett etwas anderes?
Das sind unterschiedliche Aspekte. Ich denke Kunst bedarf der Reflexion und deswegen bin ich bestrebt sie so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Außerdem träume ich nach wie vor davon, dass mich die Kunst ernährt – nicht um dann einen Ferrari zu fahren und in einer Villa zu hausen, sondern um der Musik die größtmögliche Zeit und Aufmerksamkeit schenken zu können, denn außergewöhnliche Alben entstehen nicht mal eben nebenbei, wenn der Kopf voller alltäglicher Probleme ist. Was meine Botschaft angeht, will ich die Menschen einfach zum Nachdenken anregen. Ich will sie schockieren, bedrohen, berühren, aufrütteln, ins Herz treffen und sanft in Sicherheit wiegen, um so jene Fragen nach dem Grunde des Seins an die Oberfläche zu holen, die die meisten Menschen im Alltag konsequent verdrängen. EDEN WEINT IM GRAB ist Musik, die einer tieferen Beschäftigung bedarf. Die Eingängigkeit und Hymnenhaftigkeit vieler Stücke ist nur der Lockstoff, um den Hörer in die Tiefe hinab zu ziehen.
Siehst du dich eher als Musiker, oder aufgrund der tiefgründigen Texte eher als Schriftsteller, oder anders gefragt, würde E.w.i.G. auch mit „banalen“ Lyrics funktionieren?
Nein, EDEN WEINT IM GRAB würde definitiv nicht mit banalen Texten funktionieren. Wenn der Inspirationsquell versiegt, würde ich lieber das Schweigen wählen als die Hörer und mich mit flachem Gesülze oder billigen Schockeffekten zu quälen. Ich bin Dichter, Produzent und Musiker, bisweilen unabhängig voneinander, bisweilen gehen diese Dinge aber auch eine Symbiose ein, wie eben bei EDEN WEINT IM GRAB, wo erst das Zusammenspiel den eigenen Geist des Projektes prägt.
Beziehst du die Inspirationen für deine Werke eher aus dem musikalischen oder dem lyrischen Bereich? Wer sind deine Idole?
Ich habe keine Idole. Es gibt Menschen, die mich inspirieren – sei es anhand von Gesprächen, durch ihre Kunst oder einfach nur ohne Worte, aber der Begriff Idol hat für mich immer etwas mit Anhimmeln zu tun und das geht mir einen Schritt zu weit. So viel Wichtigkeit möchte ich keinem anderen Menschen in Bezug auf mein Schaffen zusprechen. Ich würde sagen, die Inspirationen für die Texte kommen aus dem lyrischen und die für die Musik aus dem musikalischen Bereich – eine fast schon zu nahe liegende Antwort, oder? Aber selbst mit einem großen Schwall aus Worten könnte ich nichts anderes dazu sagen…
Wie ist deine Herangehensweise beim Komponieren neuer Stücke? Sitzt du im dunklen Kämmerchen mit einer guten Flasche Rotwein und brütest stundenlang darüber, wie der Song zu klingen hat und du die Arrangements anlegen sollst, oder kommt die Eingebung ganz von selbst und in unerwarteten Momenten?
Sie kommt oft in unerwarteten Momenten und gibt mir sonderbare Melodien und Textzeilen ein, ich müsste sie nur endlich mal konsequent festhalten, denn meist vergisst man sie auch schnell wieder. Und oft wiederum sitze ich dann im Studio, weil ich gerade kreativ sein will und es entsteht einfach nicht diese Magie, da es den Ideen an Frische mangelt. In der Regel entstehen die Songs aber über längere Zeit, die ich immer brauche, um meine Visionen in ein akustisches Ergebnis zu übersetzen. Oft dauert das mehrere Monate, wobei die Songs wie ein guter Wein auf rustikalen Festplatten reifen müssen, ohne dass sie angerührt werden. Und ja, Rotwein gibt’s dabei in der Tat öfter und das kleine Kämmerchen ist auch ganz schön dunkel, da ich die Vorhänge selbst bei strahlendem Sonnenschein zu lasse. Wer weiß, wie sich EDEN WEINT IM GRAB sonst anhören würde 😉
Die Themen Leben und Tod spielen bei EDEN WEINT IM GRAB ja eine wesentliche Rolle. Gehe ich Recht der Annahme, dass dies weniger im Sinne von Alpha und Omega gemeint ist, sondern eher als permanenter Fluss in den unendlichen Weiten des Universums?
Je nachdem. Oft kann ich mich selbst nicht entscheiden, ich denke aber dass Geburt und Tod nur Durchgangsstationen auf einer großen Reise sind, die unsere Seelen durch verschiedene Ebenen und Manifestationen führt. Immer wenn der Optimist in mir durchkommt, blicken wir in den Texten hinauf in höhere Sphären und geben den Menschen Zeichen, dass da noch mehr ist. Oftmals ist aber auch der pessimistische Zweifler am Werk und der liebt es nun mal, pechschwarze und tragische Verfallsszenarien in Worten festzuhalten, indem er den Leichen seine Sprache leiht und akribisch genau festhält, wie sich ihre Körper zersetzen. Aber wie gut, dass das eine das andere eigentlich gar nicht ausschließt, denn während der Körper zerfällt, reist die Seele weiter.
Kannst du dem Tod, aus der Sichtweise des Sterbenden, auch positive Aspekte abgewinnen, da er in gewisser Weise ja einen Neuanfang darstellen kann, in dem sich alles zum Besseren hin wenden könnte, oder ist er, wie für die meisten Menschen, der unumstößlich letzte Abschnitt im Leben, der lediglich mit Trauer, Leid und Abschied behaftet ist?
Das ist ja genau die Frage, die sich durch alle Texte zieht. Ich denke der Tod ist immer mit Trauer verbunden, weil es ein Abschiednehmen für die Hinterbliebenen ist, unabhängig davon ob für den Sterbenden damit eine andere Form der Existenz beginnt oder ob wir wirklich ausgelöscht sind. Deswegen ist dieser Aspekt auch bei EDEN WEINT IM GRAB nicht wegzudenken. Es gibt einfach so viele traurige, furchtbare und unfassbare Dinge auf diesem Planeten und so viele unverständliche Aspekte, die unsere Existenz ausmachen, die ich mit diesem Projekt verarbeite. Aber ich möchte es eben nicht darauf reduzieren, sondern sehe auch eine philosophische Komponente und versuche mich konstruktiv mit den Sinnfragen auseinander zu setzen. Um auf die Frage zurück zu kommen: zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, alles Sein verläuft zyklisch – das lehrt uns die Natur. Alles kehrt zu seinem Ursprung zurück, sodass etwas Neues daraus entstehen kann. Ich glaube das kann man auf den Geist übertragen, der Geist wandert durch die materiellen Manifestationen und sucht sich immer neue Formen des Ausdrucks. Aber wer weiß, vielleicht würde ich die Frage schon morgen ganz anders beantworten…
Wenn ich mich nicht irre, bist du persönlich auch an esoterischen, spirituellen und paranormalen Phänomenen interessiert. Welches Leben führt Alexander Paul Blake in den parallelen Universen, welche Wesen würden seine Kreationen konsumieren und wen würde er gerne dort treffen, um sich mit ihm angeregt über Sinn und Unsinn des Lebens unterhalten zu können?
Ich bin daran interessiert, aber ich bin kein Astralreisender, wenn du darauf hinaus willst. Einem philosophischen Gespräch mit Jim Morrison bei ein paar Flaschen Wein in einer spirituellen Parallelwelt wäre ich aber nicht abgeneigt – das könnte sehr inspirierend sein. Wahlweise auch einer meiner Lieblingsdichter Novalis, William Blake, Arthur Rimbaud, Georg Trakl, Charles Baudelaire oder Gottfried Benn, sie hätten sicherlich alle viel zu erzählen. Manchmal frage ich mich aber durchaus ernsthaft, wer Alexander Paul Blake eigentlich ist. Oft habe ich das Gefühl, dass die Kunst nicht aus mir kommt, sondern durch mich und dass es eine höhere Instanz gibt, die durch mich spricht. Zumindest bin ich manchmal selbst erstaunt, wenn ich mir eigene Songs nach einer Weile anhöre und frage mich dann, wie ich darauf nur gekommen bin. Welche Kräfte hier wirken, vermag ich selbst nicht zu beantworten, ich weiß nur, dass Kreativität ein großes Geschenk ist und man sie wie ein Heiligtum behandeln sollte.
Während der langen Wartezeit zum Veröffentlichungstermin bist du aber nicht untätig gewesen, sondern hast schon eifrig an neuem Material gearbeitet. Kannst du schon nähere Informationen darüber verkünden, in welche Richtung die neuen Stücke tendieren?
Das stimmt so nicht ganz. Ich war sehr kreativ, aber nur bedingt für EDEN WEINT IM GRAB. Hier habe ich zumindest schon diverse Texte geschrieben und auch einen Song konzipiert, bei dem ich aber nicht sicher bin, ob er wirklich geeignet wäre für eine Verwendung auf einem EDEN WEINT IM GRAB-Album. Ich habe mir allerdings vorgenommen, im Laufe des Jahres die Arbeiten wieder zu intensivieren und sicher zu stellen, dass es nicht wieder vier Jahre bis zum nächsten Longplayer dauert. Was die musikalische Ausrichtung angeht, habe ich viele Vorstellungen, aber in der Praxis entwickelt die Musik dann doch wieder ein Eigenleben, deswegen lasse ich mich selbst überraschen.
Du versuchst deine Person ja mehr oder weniger vollkommen im Hintergrund zu halten, um den Fokus auf die Musik zu richten. Jetzt findet am 31.5. (die Fragen wurden vor diesem Termin abgeschickt – Anm. v. Jürgen) im Berliner K17 jedoch ein Livekonzert statt, womit deine Anonymität wohl ein jähes Ende finden wird. Ist auch dieser Auftritt Teil eines großen Plans, denn jemand der eher unerkannt bleiben möchte, begeht ja nicht einfach so den „Fehler“ einem Liveauftritt zuzustimmen.
Ach naja, das sollte man nicht zu ernst nehmen. Viele Menschen wissen wer ich bin und je mehr man sich Mühe gibt, ein Geheimnis daraus zu machen, desto mehr Hörer werden sich aufmachen es zu entmystifizieren. Mir geht es in der Tat vor allem darum EDEN WEINT IM GRAB von meinen anderen musikalischen Projekten zu trennen und die Musik für sich zu sprechen lassen. Ich mag diesen Personenkult nicht, den viele ‚Stars‘ um sich machen und sich selbst dabei viel zu wichtig nehmen. Ich möchte kein Star sein, sondern eher ein Medium/Produzent, der sich weitestgehend im Hintergrund hält und ein stimmiges Gesamtkunstwerk erschafft, das unabhängig von der Person dahinter wahrgenommen wird. Und dazu passt ein reines Kunstwesen wie Alexander Paul Blake eben besser als ein normaler Mensch mit allen Banalitäten, die ein reguläres Leben mit sich bringt. Ursprünglich war ja nie geplant, jemals live aufzutreten, aber das Bitten der Fans und des Labels und die eigene Neugier haben mich dann doch dazu gebracht und es fühlte sich gut an, Pseudonym hin oder her….
Wer wird dir bei dem Gig auf der Bühne unterstützend zur Hand gehen und besteht die Möglichkeit, dass du von diesem Line-up zukünftige Mitstreiter für die Band rekrutierst?
Der erste Auftritt wurde unterstützt von Tammi an der Gitarre, Juuri am Keyboard und Zeus X. Machina am Schlagzeug, alle samt Freunde von mir. Ich schließe nicht aus, dass künftig auch Musiker außer mir selbst ins Geschehen eingreifen, sofern sie das Werk auf eine Weise positiv beeinflussen, zu der ich alleine nicht in der Lage gewesen wäre. Aber ausschließen kann ich, dass EDEN WEINT IM GRAB jemals eine reguläre, demokratische Band wird, dazu weiß ich viel zu genau was ich will und wäre außerstande, Kompromisse einzugehen. Ich werde also immer die treibende und entscheidende Kraft bleiben, ansonsten ist jeder kreative Einfluss willkommen.
Bei einem derart konzeptionell anmutenden Werk stellt sich die Frage nach der Umsetzung auf der Bühne. Wird es eine spezielle Show mit aussagekräftigen Bühnenelementen geben, die mit der Musik und den Texten zu einer Einheit verschmelzen werden?
Ich habe Jahre lang überlegt, wie man EDEN WEINT IM GRAB live am besten umsetzen könnte, habe mich dann aber für eine bewusst sehr schlichte Show entschieden, bei der die Musik und nicht das Außenherum im Mittelpunkt steht. Zudem fehlen uns derzeit die finanziellen und logistischen Möglichkeiten, um aufwendigere Shows umzusetzen. Vielleicht können wir da eines Tages auch etwas größer denken, unspannend wäre das nicht…
Liegt dir noch etwas am Herzen, was du uns unbedingt mitteilen möchtest – die letzten Worte seyn die deinen.
Ich bedanke mich für die interessanten Fragen fernab der üblichen Standards und die Möglichkeit, dass EDEN WEINT IM GRAB bei euch überhaupt zu Wort kommen dürfen. Die Leser möchte ich bei der Gelegenheit darauf hinweisen, dass es unter www.edenweintimgrab.de das erste Album ‚Traumtrophäen Toter Trauertänzer‘ nach wie vor zum freien Download gibt und dass zudem eine kostenlose Download-EP zum neuen Album ‚Trauermarsch Nach Neotopia‘ existiert, die zwei Albentracks plus drei exklusive Songs enthält.