Mit „Kartenhaus“ meldeten sich die Hamburger von EXISTENT nach einer doch längeren Studio-Pause zurück. Das Warten hat sich aber gelohnt, denn die energiegeladene Deutschrock/Metal-EP hat es reichlich insich. Wir sprachen mit der Truppe über die EP und was die Zukunft wohl noch so bringen mag.
Hey Jungs, was läuft gerade bei euch?
Moin Max! Ja, was läuft bei uns? Also einerseits haben wir gerade mit Silvano einen neuen Trommler am Start, mit dem wir die bereits bestehenden Songs drauf kriegen müssen, um wieder live spielen zu können und zum Anderen arbeiten wir gerade noch an den letzten Songs für unser Album.
Könnt ihr euch zunächst kurz vorstellen, für die, die euch noch nicht kennen?
Ja klar, wir sind – mittlerweile wieder – vier Jungs aus dem Norden. Früher sagten wir da immer Hamburg – aber das stimmt nur noch teilweise. Wir sind schon seit ein paar Jahren dabei und haben gerade unsere neue EP “Kartenhaus” veröffentlicht – eine Mischung irgendwo zwischen modernem Metal und Rock mit deutschen Texten.
Fast sechs Jahre sind vergangen seitdem ihr euer Debüt „Startschuss“ veröffentlich habt. Habt ihr den Schuss dann doch überhört oder warum hat es so lange gedauert, bis es etwas Neues von euch gab?
Hahaha, ja also erstmal vielen Dank für das Wortspiel. Wir hatten uns das auch anders vorgestellt, aber durch Besetzungswechsel und das Eintauchen in neue Lebensphasen ging es einerseits nicht so schnell weiter wie geplant und andererseits wollten wir uns aber auch musikalisch mehr in Richtung unserer eigenen Hörgewohnheiten entwickeln und das hat dann auch noch Mal gedauert. Wir hoffen, dass sich das Warten gelohnt hat.
Aber das Warten hat sich definitiv gelohnt. Wie und wann sind die Nummern auf „Kartenhaus“ entstanden?
Das ist eine gute Frage. Die Songs sind teilweise schon seit 2017 in Arbeit – klangen da noch ziemlich anders. Die Entstehung läuft Mal abgesehen von teilweise sehr unterschiedlichen Zeitspannen aber immer recht ähnlich ab. Zu Hause werden Ideen gesammelt, die dann im Studio verfeinert werden, sodass wir eine Rohfassung des Songs haben. Die klingt dann häufig manchmal schon ganz anders als das ursprüngliche Demo. Je nachdem wie sehr wir den Song dann schon feiern, kommen da dann manchmal noch ein paar Weitere Überarbeitungen zu, bevor wir das dann final in guter Qualität aufnehmen.
Was wollt ihr mit dem Titel und dem Artwork aussagen?
“Kartenhaus” handelt grob heruntergebrochen von Problemen, die es in der Gesellschaft momentan gibt. Umweltverschmutzung, Klimawandel, Wachstums- und Leistungsdruck oder auch der Rechtsruck. Das „Kartenhaus“ ist eine Metapher für die Gesellschaft und aufgrund der thematisierten Probleme, droht das Kartenhaus einzustürzen. Das Einstürzen des Kartenhauses in einem Bild für das Artwork unter zu kriegen, gestaltete sich dann aber doch ziemlich schwierig, sodass wir uns dann für eine brennende Karte entschieden haben, weil das Kartenhaus im Musikvideo ja auch brennt.
Worum geht es bei den einzelnen Titeln, bzw. wo holt ihr euch Inspiration für die Texte?
Die EP hat fünf Songs, die wir jetzt einfach aufzählen und dazu ein bisschen was erzählen würden.
„Kartenhaus“ – der Titeltrack. Hier ist wie eben schon angesprochen einiges drin, was wir als problematisch ansehen und uns darüber einfach Mal auskotzen wollen. Umweltverschmutzung, Klimawandel, die fehlende Aussicht darauf, dass sich bei den Themen schnell genug etwas ändert sowie die blinde Wachstums- und Konsumgesellschaft, soziale Ungerechtigkeit. Die Inspiration dafür haben wir einfach aus dem Alltag, da diese Themen ja deutlich sichtbar sind und wir uns da privat auch für interessieren.
„Im Freien Fall“ setzt sich mit dem politischen Rechtsruck in Deutschland, Europa, aber auch in weiteren Teilen der Welt auseinander. Dass wir Mal dazu einen Song machen wollen, schwebte schon seit der sogenannten Flüchtlingskrise in unseren Köpfen. Wobei der Begriff Flüchtlingskrise ja nicht so passend ist, da die Krise ja in der Verwaltung der Flüchtlinge stattfand. Steigende Flüchtlingszahlen weltweit waren ja schon vorher messbar und stellten Regionen und Länder vor Probleme – in der “Krise” sind dann halt auch vermehrt Menschen bei uns in Europa eingetroffen, sodass wir das Thema nicht mehr so wegignorieren konnten, wie vorher.
„Tick Tack“ ist einerseits inspiriert aus gesellschaftlichen Beobachtungen, der Anstieg von Erkrankungen, die mit Leistungsdruck und Leistungszwang einhergehen, aber auch durch unsere eigenen Leben – wir haben ja mittlerweile alle Studium und Ausbildung abgeschlossen und in der Arbeitswelt das besungene alle schon mehr oder weniger so erlebt.
„Panik“ handelt einerseits von effekthaschendem Journalismus, der nicht dazu dient aufzuklären oder Licht ins Dunkel zu bringen und reflektiert Themen zu betrachten, sondern Klicks und Geld einzuheimsen. Andererseits gibt es gefühlt auch immer mehr Leute, die nur noch die Schlagzeile lesen oder sich in eine Blase begeben und so die Bedeutung von Themen gar nicht mehr einordnen können.
Da verrennen sich Leute dann in Themen – dazu wollen wir jetzt an dieser Stelle kein Fass aufmachen.
Etwas besinnlicher und ruhiger wird es dann beim letzten Track “Das Haus am Ende dieser Straße”. Dabei wird vorrangig ein spezieller Schicksalsschlag verarbeitet, aber natürlich fließende noch andere Verluste geliebter Menschen mit rein. Das Haus gibt es übrigens wirklich – als das ist keine reine Metapher.
Stilistisch seit ihr schwer einzuordnen. Deutschrock fällt einem schnell mal ein, doch dank Einflüssen des Punk, Metal und vielleicht sogar etwas Metalcore wäre das einfach zu pauschal. Wie würdet ihr euren Stil grob beschreiben?
Ja ungefähr so. Also im Endeffekt ist ja wohl alle deutschsprachige Rockmusik Deutschrock. Da denken die einen an Peter Maffay, andere an die Böhsen Onkelz und wieder andere an beide. Es ist nicht bewusst unser Ziel Deutschrock zu machen, aber wir haben uns damit abgefunden, dass wir laufend so bezeichnet werden.
Aber im Endeffekt sind da natürlich auch eine Prise Punk und zunehmend moderne Metaleinflüsse – wozu dann ja auch Metalcore passen würde – dabei. Das wollen wir auch gerne weiter ausbauen.
Und wo seht ihr die Unterschiede zum Debüt – sowohl handwerklich als auch musikalisch?
Handwerklich ist es ein bisschen anspruchsvoller geworden. Die neuen Songs können wir nicht mit 15 Bier im Kopf sauber spielen. Bei den alten Songs war da mehr Geschrammel möglich. Das liegt vor allem an den Metaleinflüssen, die technisch anspruchsvoller sind und auch sauberer gespielt werden müssen, damit da am Ende nicht nur Brei übrig bleibt.
Ist „Kartenhaus“ einfach mal Nachschub oder vielleicht sogar schon ein Vorbote für ein weiteres Album? Wie sieht es da aus?
Das ist natürlich der Vorbote eines Albums. Wir wollten aber schon mal was veröffentlichen, falls wir uns bei dem Album verzetteln sollten und sich das noch zieht. Es da aber momentan auch sehr gut aus, dass wir das Album zeitnah fertig kriegen.
Habt ihr schon wieder Live-Aktivitäten ins Auge gefasst oder sogar schon etwas absolviert?
Da wir quasi seit jetzt erst wieder komplett sind, haben wir nicht direkt was in der Hinterhand gehabt, um aufzutreten, sobald es wieder erlaubt ist. Jetzt sind wir theoretisch bereit, wollen da aber auch nichts überstürzen, da ja immer noch gesundheitliche Risiken bestehen und die Planungssicherheit nicht so groß ist.
Und wie ist eigentlich euer Bandname entstanden?
Die Story ist gar nicht mal so aufregend. Wir hatten in den Anfangszeiten der Band viele Namen ausprobiert und keiner hat so richtig gepasst. Nach langem Hin und Her haben wir uns entschieden einen Namen zu nehmen, der uns bestmöglich verkörpert. Da wir nunmal alle “existent” sind, fanden wir die Idee irgendwie gar nicht so verkehrt. Mittlerweile ist der Name standard und mir haben uns so sehr mit ihm angefreundet, dass ich mir gar nicht vorstellen könnte, wie man die Band sonst nennen würde haha.
Ihr habt auch ein paar Videos zu den Tracks gedreht. Was könnt ihr mir zu den Aufnahmen erzählen?
Obwohl man nach dem Drehen eines Musikvideos das Lied die nächsten Tage erstmal scheiße findet, weil es bei Dreh 12 Stunden am Stück lief, haben die Drehs wieder sehr viel Spaß gemacht. „Kartenhaus“ und „Tick Tack“ haben wir vor der Pandemie in der Gollan Kulturwerft in Lübeck gedreht und dabei für unsere Verhältnisse recht viel an Kulisse und Statisten vorgehabt. Wir hatten ein Wochenende Zeit für den Dreh und haben dementsprechend nicht ganz so viel geschlafen, da der Dreh für „Tick Tack“ sehr aufwändig war und „Kartenhaus“ für die richtigen Lichtverhältnisse eh nachts gedreht werden musste.
Das Video zu Im „freien Fall“ ist während Corona im WilhelmsRock entstanden und war Mal was ganz anderes. Aufgrund der Pandemie waren wir nur zu viert beim Dreh und waren bis zuletzt unsicher, ob wir das Video wirklich drehen können. Ein Dreh ohne Schlagzeug ist aber auf jeden Fall sehr angenehm für die Ohren.
Achja, über unsere Videos schnacken geht natürlich nicht, ohne unsere Regie/Kamera/Licht/Schnitt/Kulisse/Autoren-Onemanshow Finn Kölln zu erwähnen. Küsse gehen raus an dieser Stelle.
Was sind bisher eure größten Highlights in der Karriere von EXISTENT?
Die Highlights sind im wesentlichen die ersten Male. Das erste Mal in einem professionellen Tonstudio, das erste Mal eine eigene CD in der Hand, der erste eigene Auftritt, bei dem man auch der Hauptact ist. Ansonsten sind größere Shows bei Festivals natürlich auch immer geil – wobei wir auch schon geile Auftritte vor 10 Leuten hatten, die super waren. Das lag aber vielleicht auch an der regionalen Köstlichkeit Apfelwein, haha.
Ich danke euch für das interessante und ausführliche Interview. Möchtet ihr noch etwas loswerden?
Wir danken dir für die Einladung und hoffen, dass alle die das Lesen gesund und glücklich bleiben oder werden. Hört gerne mal auf Spotify und Co. rein oder schaut euch die Videos auf YouTube an. Für die Nostalgiker gibt es auf existent-band.de die EP auch auf CD zu erwerben – 1€ geht dabei an Sea Shepherd.