Auch nach fast zwei Dekaden Musikjournalismus, kann man sich noch neuen Herausforderungen stellen, und so sitze ich an meiner ersten Musical-Rezension. Aber als großer Fans von Theater, Musical und Kleinkunst, war es nur logisch, das 80s Jukebox-Musical ROCK OF AGES in der Linzer TippsArena zu besuchen.
Schon der gleichnamige Film mit der Starbesetzung, bestehend aus Tom Cruise (Mission Impossible, Top Gun), Alec Baldwin (Departed, Aviator), Diego Boneta (Terminator: Dark Fate), Julianne Hough (Footloose) oder Bryan Cranston (Breaking Bad, Malcolm In The Middle) konnte einst begeistern, aber nicht nur durch die Starbesetzung, sondern durch das Verwenden großartiger Hits von WHITESNAKE, FOREIGNER, EUROPE, STYX, BON JOVI oder TWISTED SISTER.
Und genau das wurde auch an diesem Abend umgesetzt. Im Gegensatz zur Broadway-Variante, hatte die Geschichte rund um den verträumten Drew Boley, der in den 80ern in Los Angeles seinen Traum vom Rockstarwerden verwirklichen will, dabei aber in der Rocker-Bar Bourben Room seine Brötchen verdienen muss, einen viel humorvolleren Grundton. Dabei lernt er Sherrie kennen, die diesen Traum teilt, jedoch von einer Karriere als Schauspielerin träumt, kennen. Die beiden verlieben sich, doch vieles läuft schief, als die berühmte Rockband ARSENAL ihren letzten Gig in der Bar spielt und die Wege trennen sich. Schuld daran ist unter anderem der selbstverliebte Rockstar Stacee Jaxx, der lieber den Damen und dem Kokain frönt, als seine – viel zu gut laufende Karriere – wirklich ernst nimmt.
Ein weiterer Handlungsstrang bringt etwas mehr Tiefe in das Ganze. Es geht um Korruption, Kapitalismus und die Freiheit der Kunst. Ein skrupelloser Unternehmer aus der Schweiz will den Sunset Strip umbauen und dabei hat er es auch auf den Bourbon Room abgesehen, was zusätzlich Hippy-Aktivisten auf den Plan ruft.
Natürlich ist aufgrund der 80er Thematik und der etwas lockerer angegangenen Ausführung dieses wunderbaren Stücks, alles stets mit einem Augenzwinkern und guter Laune verbunden.
Pünktlich in der TipsArena – vorher noch betrunkenen, lauten, pöbelnden und unkultivierten Lask-Fans, die gerade aus dem Stadion torkelten, ausgewichen – angekommen, ging auch schon das Licht an und eine Stimme verkündete, dass man sein Handy bitte lautlos stellen solle, da man sonst ein Arschloch sei. Zudem ging es auch gleich um, Zitat: „Möpse“ und weitere derbe Phrasen, die einem 80er Rocker leicht über die Lippen kamen. Zudem wurde gebeten, man solle nicht „Pyromania“ von DEF LEPPARD anstimmen, falls es zu brennen anfinge, da man hier die Rechte nicht habe und sich vor rechtlichen Schritten fürchte.
Schon jetzt war klar, das Musical wird richtig witzig, was teilweise sogar ins absurd klamaukige abdriftete, aber dazu später mehr. Der Erzähler, der selbst ein Nebencharakter der Show war und immer wieder unterhaltsam die vierte Wand brach, brachte die Zuschauer auch kurz auf den Stand der Dinge. Der Herr mit Federn auf den Schultern und ein Shirt auf dem stand: „I Shaved my ass for this“, war ein gewisser Lonny, ebenfalls in der Bar beschäftigt, gespielt vom sympathischen und schlagfertigen David Rodriguez-Yanez und sorgte schon für Schmunzler. Generell sorgte der Schauspieler und Sänger für viele Lacher auch abseits des Programms, denn Zwischenrufe vom Publikum wurden stetes bestens kommentiert. Außerdem gab es bald für eine Dame in der ersten Reihe einen Prosecco. So nah und interaktiv war selten ein Musical.
Doch nun zum Eigentlichen: der Musik! Ein Mix aus Hard Rock, Glam Rock und diversen Rock-Balladen, gepaart mit typischen Musical-Chören und dem einen oder anderen Kanon, sorgten nicht selten für Gänsehaut. Die Schauspieler*innen überzeugten mit ihrer Darbietung. Egal, ob die raue, kraftvolle Rockerstimme von Barbesitzer Dennis Dupree (Nicolas Tenerani), der energische Einsatz von Kellnerin 2 (Grace Simmons) oder der kraftvollen Soul-Stimme von Männer-Etablissement Besitzerin (Justice Charlier), hier gab es oft Gänsehaut-Momente, wenn die Damen und Herren so manch JOURNEY-Song schmetterten. Aber auch die Hauptdarsteller Drew (Matthias Trattner) und Sherrie (Stephanie Löblich) zeigten mit ihren Stimmen gekonnt Emotion.
Natürlich sei auch Rockstar Stacee nochmal erwähnt, der mit seiner Statur schon für Staunen sorgte, aber auch stimmlich konnte Filippo Strocchi überzeugen und auch für so manch humorigen Moment war er gut. Mit Cowboy-Hut und Wrestler-Outfit passten klarerweise der BON JOVI Hit „Wanted Dead Or Alive“ wunderbar.
Zudem überzeugte die Bühne, die gleichzeitig in und vor der Bar spielte, immer wieder mit Vorhängen oder kleinen Veränderungen, die ohne Pause umgebaut wurde und so manch cooles Detail dabei hatte. Leider war die Live-Band im hinteren Eck etwas versteckt, nur der Gitarrist stand immer wieder mal in passendem Outfit mit auf der Bühne. Bei der Bekleidung gab man sich viel Mühe, die 80er Rocker in verschiedensten Varianten zu präsentieren, ob jetzt mit Cowboyhut, IRON MAIDEN Shirts oder zerrissenen Jeans und Shirts, ergab das Ganze ein Bild aus Authentizität und leichter Übertreibung. Letzteres merkte man vor allem an Unternehmersohn Franz, der plötzlich in kitschigem Eislauf-Outfit der 80er tanzte oder auch der Hippie-Dame.
Aufgepeppt wurde zudem mit Led-Herzen, die geschwungen wurden, Klobürsten als Mikrophon und weiteren lustigen Ideen. Irgendwann eskalierte so manch Szene, teils durch derbem bis falschem, aber stets treffendem Humor. So wollte der Erzähler zwischendurch beten, als Latino, bestand dieses aber aus dem „Macarena“, Staycee sang auch mal auf Spanisch, da er gegen Ende nach Mexiko flüchtete und wenn gerade zwei Szenen gleichzeitig passierten, dann inszenierte man die gerade nicht aktive davon in Zeitlupe. Aber egal, was gerade auf der Bühne passierte, man spürte, dass die Schauspieler*innen, Sänger*innen und die Band eine Menge Spaß und Passion mit auf die Bühne brachten.
Das Finale war dann nochmal ein großes Spektakel, gaben die Sänger*innen nochmal alles und natürlich gab es für Drew, der sich plötzlich in einer unrockenden Boyband wiederfand und mit Sherrie im Stripclub landete, noch ein Happy End. Und welcher große Hit passt dafür besser als „Don’t Stop Believin‘“, der von den Zuschauern mitgeträllert wurde. So verabschiedete sich der Cast und die Band unter Standing-Ovations und tosendem Applaus.
Tracklist ROCK OF AGES:
Introduction
[Just Like] Livin’ in Paradise / Nothin‘ but a Good Time
Sister Christian
We Built This City / Too Much Time On My Hands
I Wanna Rock
We’re Not Gonna Take It
Heaven / More Than Words / To Be With You
Waiting For a Girl Like You
Wanted Dead or Alive
I Wanna Know What Love Is
Cum On Feel the Noize / We’re Not Gonna Take It (Reprise)
Harden My Heart / Shadows of the Night
Here I Go Again (Ft. Amy Spanger & Constantine Maroulis) Lyrics
The Final Countdown
Any Way You Want It / I Wanna Rock (Reprise)
High Enough
I Hate Myself for Loving You / Heat of the Moment
Hit Me With Your Best Shot
Can’t Fight This Feeling
Every Rose Has Its Thorn
Oh Sherrie
The Search Is Over
Don’t Stop Believin‘
Ein Mix aus grandioser Musik, unterhaltsamer, wenn auch etwas flacher Story, viel Humor und Selbstironie und den grandiosen Hits unserer Jugend, die uns heute noch begleiten, sorgten für einen unvergesslichen Abend und, von mir, eine absolute Empfehlung, das Musical mal zu erwischen, sollte es sich hoffentlich bald wieder in unseren Breitengraden befinden.
Autor: Max Wollersberger
Fotos: Nico Moser (Pressefotos)
CAST:
Matthias Trattner – Drew Boley
David Rodriguez-Yanez – Lonny Barnett
Inga Krischke – Sherrie Christian
Julia Taschler – Sherrie Christian
Nicolas Tenerani – Dennis Dupree
Filippo Strocchi – Stacee Jaxx
Amanda Whitford – Justice Charlier
Benjamin Hauschild – Hertz Kleinmann / Cover Lonny Barnett
Lars Wandres – Franz Kleinmann
Franziska Schuster – Regina / Cover Sherrie Christian, Justice Charlier, Resident Director
Julian Schier – Ensemble Bürgermeister / Ja‘keith / Cover Lonny Barnett, Hertz Kleinmann, Dennis Dupree
Jordan Calloway – Ensemble Joey Primo, Cover Stacee Jaxx
Linda Rietdorff – Ensemble Kellnerin Nr.1 / Cover Regina, Justice Charlier
Elies de Vries – Ensemble Constance Sack
Michelle Bergé – Ensemble Angel 1 Destiny
Sophia Aregger – Ensemble Angel 2 Saphira
SWINGS:
Kevin Reichmann – Swing / Cover Drew Bowley, Franz Kleinmann
Christopher Wernecke Swing / Cover Franz Kleinmann, Hertz Kleinmann
Grace Simmons – Swing / Dance Captain
Stephanie Löblich – Swing / Cover Sherrie Christian, Regina
Dani Spampinato – Principle Swing / Cover Drew Bowley, Stacee Jaxx, Dennis Dupree
Lorenzo Di Girolamo – Walk-In Drew Bowle
BAND:
Drums – Christoph Helm, Robin Klopfer
Bass A- lex Scheller
Gitarre 1 – Simon Schneid, Philipp Adams
Gitarre 2 – Leonard Kunstmann, Florian Kemper
Keyboards – Pascal Kierdorf, Luis Richter