Am zweiten Tag am Gelände angekommen, war nach der eiskalten Nacht der Tag schon wohlig warm, sodass man schon fast Urlaubsfeeling hatte, als man am Gelände ankam. Dort machten wir mal eine Runde, checkten die Fressbuden, die so ziemlich alles was der Planet hergibt, anboten. Egal, welche Essensvorlieben, hier war alles zu finden. Auch bei den Getränken bekam man neben den Klassikern auf diversen Ständen alles, was die Leber begehrt und auch das Angebot an Mitbringsel für Daheimgebliebene war enorm. Vom Merch brauchen wir gar nicht erst anfangen. Aber unser nächstes Ziel war die Red Bull Stage, denn dort durften die Österreicher von STESY den Tag für uns einleiten.
Die Party Trancecore’ler STESY klangen sofort wie ELECTRIC CALLBOY Trittbrettfahrer, doch hatten die Herren aus Wien trotz ähnlichen Beats und Synthies genug Eigenes zu bieten, um nicht als Kopie abgetan zu werden. Egal ob Circus- und Rummelsounds, etwas Schlager oder auch Pop-Melodien und zahlreichen weiteren Überraschungen, da war irgendwie alles dabei und passte auch gut zusammen. Auch diese Band ist unglaublich eingängig, hat den Härtegrad aber auch weiter nach oben geschraubt – cleane Vocals gibt es hier nicht. Dafür auch ein paar denglische und deutsche Parts, sowie genügend mehrstimmige Shouts. Highlight war natürlich das EIFEL 65 Cover „Blue“, das lautstark mitgebrüllt wurde. Klarerweise machte man auch optisch im Rosa Glam Metal Outfit, das aber die passenden futuristischen Gimmicks dabei hatte, eine gute Figur. Ein Band, von der wir definitiv noch Einiges hören werden, denn die Stimmung war grandios vor der Red Bull Stage.
[Max]
Auch auf NOTHING MORE war die Vorfreude enorm, zeigten sich die Herren schon vor zwei Jahren auf der Red Stage als Highlight, aber auch im Vorprogramm von ELECTRIC CALLBOY konnte man neue Fans gewinnen. Dementsprechend konnten sich die Shooting Stars aus Texas auf einen großen Zulauf freuen. Und die Jungs rund um Fronterscheinung und Stimmgewalt Jonny Hawkins starteten mit einer Wucht, die seinesgleichen suchte. Irgendwo im Alternative Metal angesiedelt, ist ihnen kein Genreausflug zu schade und der Mix aus Härte und Emotion schlug ein wie eine Bombe. Zuvor wusste man aber bereits, wie man die Fans in Stimmung bringen könne und so sangen und tanzten alle zum Intro, das nichts anderes als „Country Roads“ war.
Das viel zu kurze Set von NOTHING MORE hatte zwar den Fokus auf das neuere Album „Carnal“ und bot mit „House On Sand“ oder „Angel Song“, welcher ja mit David Draiman eingesungen wurde echte Highlights, doch die drei vorangegangenen Werke wurden auch nicht vergessen. „Go To War“ sorgte sowieso für Gänsehaut, „If It Doesn’t Hurt“ holte große Emotionen hervor und „Jenny“, dass Jonny seiner Schwester widmete, wurde aus tausenden Kehlen mitgesungen. Jonny selber, wieder im feschen Bodypaint auf seinem gut gestählten Körper, war nicht nur optisch eine Erscheinung, sondern traf auch jeden einzelnen Ton perfekt wie auf Platte, während die restliche Band abging, was das Zeug hergab. Man sah und spürte, dass die Truppe ebenso viel Spaß auf der Bühne hatte, wie die anwesenden Fans. Außerdem nutzte man die Ego-Zunge, die am zweiten Tag für LINKIN PARK vor der Blue Stage montiert wurde, ausgiebig und ignorierte die sengende Hitze komplett. Demnach war auf und vor der Bühne mehr als genug Bewegung und erste Staubwolken zogen über das Gelände. Mit „This Time (Ballast)“ beendete man das Set zwar viel zu früh aber auch perfekt. Wir freuen uns nun umso mehr auf die Headliner Tour im Herbst.
[Max]
Setlist NOTHING MORE:
(Take Me Home, Country Roads)
House On Sand
Angel Song
If It Doesn’t Hurt
Stuck
Let Em Burn
Freefall
Go To War
Jenny
This Time (Ballast)
Vor dem Festival hatte ich HOUSE OF PROTECTION noch nie gehört, kannte sie aber vom Feature auf dem aktuellen ARCHITECTS-Album. Umso positiver war die Überraschung, denn die Band war sofort präsent, mit einem Drummer, der echt Druck gemacht hat und einem Gitarristen / Sänger, der extrem charismatisch auftrat. Bereits beim dritten Song warf sich der Sänger in die Crowd und zettelte einen Circle Pit um sich selbst an. Später kletterte er noch auf die Red Bull-Bühne und pushte die Stimmung am Nachmittag nochmal deutlich. Insgesamt ein überraschend starker Auftritt, der echt hängen geblieben ist.
[Anthony]
Die Herren von APOCALYPTICA sind ja seit einiger Zeit wieder auf METALLICA-Revival, kein Wunder, verhalf ihnen doch einst das Covern der Thrash Legende zu mehr Ruhm und eigentlich auch zum größeren Durchbruch. Aber ganz ehrlich: Ich persönlich fand die nie so richtig spannend, zumindest im Vergleich zu den eigenen Taten. Sänger gibt es mittlerweile auch keinen mehr, was schade ist. Dennoch zogen die einzigartigen Finnen ein mehr als starkes Programm auf der Red Stage, die mittlerweile seitlich mit großen Engelsflügeln ausgestattet ist und noch opulenter als zuvor wirkte, ab. Ob jetzt mit dem flotten Opener „Ride The Lightning“ sowie „Master Of Puppets“, dem unausweichlichen „Nothing Else Matters“ oder dem abschließenden Epos, APOCALYPTICA hatten nicht nur die Fans fest im Griff, sondern auch ihre Instrumente. Auch auf Cello klingen die Klassiker von Hettfield und Co. fett, eindringlich und ließen somit sofort in den Sound der Nordmänner eintauchen. Außerdem gab es mit dem berüchtigten „St. Anger“ noch eine richtige Überraschung, aber ohne Mülltonnen Drumkit.
Mit ein paar sympathischen Ansagen peppte man die Show auf und für den Gesang sorgten ja sowieso die Fans. Ein schönes Erlebnis, doch nächstes Mal bitte wieder mit eigenem Material.
Setlist APOCALYPTICA:
Ride The Lightning
Enter Sandman
Creeping Death
From Whom The Bell Tolls
St. Anger
Blackened
Master Of Puppets
Nothing Else Matters
Seek & Destroy
One
Mit IGGY POP, der einst THE STOOGES frontete, holte man sich eine echte Legende – wenn nicht die Legende der Legenden – des Rock auf die Bühne. Der Mann, mittlerweile biblische 78 Jahre alt präsentierte sich wie eh und je oben ohne auf der Bühne, gab sich beweglich, sympathisch und natürlich mehr als routiniert. Leider schaffte ich nur ein paar Songs des Herren zu erhaschen, dafür hatte ich aber auch das Glück das mehr als berühmte „The Passenger“ zu erleben. Die Massen rasteten aus. Egal ob jung und alt, es wurde gefeiert, getanzt und gesungen. So zogen trotz der enormen Hitze nach diesem interessanten Auftritt alle gemeinsam glücklich von dannen.
[Max]
DEAFHEAVEN hatten erst im März mit „Lonely People With Power„ ein sensationelles Album rausgebracht – und von allem, was am zweiten Tag auf dem Plan stand, hab ich mich mit Abstand am meisten auf sie gefreut. Sie starteten mit „Incidental I“ als ruhiges Intro, bevor “Doberman“ direkt Fahrt aufnahm. Spätestens da war klar, was für eine Sensations-Soundwand uns in den nächsten 50 Minuten erwartet. Die Bühne wurde komplett eingenommen, besonders Sänger George Clarke war unfassbar intensiv. Die Mischung aus Black Metal und Shoegaze funktioniert bei dieser Band so konsequent gut.
Ich hatte gehofft, “Heathen“ oder „The Garden Route“ vom neuen Album zu hören, aber die blieben leider aus. Dafür gab’s unter anderem „Dream House“ und “Winona”. Die kamen live genauso wuchtig rüber, wie man es sich erhofft. Für mich war DEAFHEAVEN das Highlights des Tages. Ich hoffe sehr, dass sie bald auf Headliner-Tour nach Europa zurückkommen, denn länger und Indoor funktioniert diese Band einfach noch besser.
[Anthony]
MOTIONLESS IN WHITE hatte ich bisher nur über „Slaughterhouse“ mit Bryan Garris (KNOCKED LOOSE) auf dem Schirm. Sonst war die Band nie Teil meiner damaligen Metalcore-Phase. Jetzt habe ich sie zum ersten Mal live gesehen. Die Stimmung war durchgehend gut, das besagte „Slaughterhouse“ kam zur Mitte des Sets und es war grandios – nicht nur weil ich’s kannte, sondern weil es live einfach geknallt hat. Der Sänger war stimmlich echt solide, das Publikum voll am Feiern, die Red Stage gut gefüllt – alles in allem ein guter Moment, der live super funktioniert hat, auch wenn’s musikalisch nicht dauerhaft mein Ding ist.
[Anthony]
RISE AGAINST lieferten wie man es von ihnen erwarten kann einen super Gig. Wie immer mit klaren politischen Ansagen, aber nicht belehrend, sondern auf den Punkt gebracht und passend zum jeweiligen Song. Die Setlist war stark, mit einer Mischung aus älteren Banger-Tracks und neuen Singles vom kommenden Album, das im August erscheinen soll. Songs wie „Savior“ oder „Satellite“ haben wieder einmal gezeigt, warum diese Band live so gut funktioniert.
Ich hatte sie zuvor schon am Nova Rock und am Southside Festival gesehen. Beim Southside 2022 war der Sänger krank und das hat man damals deutlich gemerkt. Dieses Mal war das anders. Tim und die Band waren in Topform und ich hatte das Glück, direkt im Fotograben stehen zu dürfen. Das hat das Ganze nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben. Die gesamte Crowd von vorne zu sehen, wie sie jede Zeile mitsingt und vollkommen drin ist, war wirklich beeindruckend. Ein Auftritt, der gezeigt hat, warum RISE AGAINST seit Jahren konstant abliefern.
[Anthony]
IN FLAMES wollte ich schon lange mal live erleben. Als eine der prägendsten Bands im Melodic Death Metal hat man einfach Erwartungen, selbst wenn man nicht der größte Fan des Genres ist. Für mich war es der erste Kontakt mit ihnen auf der Bühne und ich war gespannt, wie viel von ihrem Ruf sie wirklich halten können.
Was dann kam, war eine Show, die einfach in jeder Hinsicht funktionierte. Der Sound war fett, druckvoll und trotzdem sauber abgemischt. Die Band war technisch stark unterwegs und hat auf der Bühne souverän abgeliefert. Die Lichtshow war ein echtes Highlight, extrem stimmungsvoll und perfekt auf den Aufbau der Songs abgestimmt. Das hat die gesamte Atmosphäre nochmal intensiviert. Auch das Publikum war durchgehend dabei, moshend, textsicher und sichtlich begeistert. Auch wenn die Musik nicht komplett mein Ding ist, war das für mich ein rundum stimmiger Auftritt, der nachvollziehbar macht, warum IN FLAMES für viele eine absolute Kultband sind.
[Anthony]
Lange freute ich mich auf LINKIN PARK. Hasst mich oder nicht, aber ich finde nach wie vor, dass das neue Album das beste ist seit dem Debüt. Außerdem durfte ich die Truppe in meiner langen Karriere als Metalfan bisher noch nie live zu Gesicht bekommen. Die Spannung war enorm. Nach Vorne zu kommen war schon ein Challenge und CRADLE OF FILTH mussten wohl fast alleine ihr Dasein auf der Red Stage fristen.
Das Licht ging aus, ein Intro erschallte, das schon eine Art Medley darstellte, die Spannung stieg weiter und dann ging es endlich los. „Somewhere I Belong“ erschallte und die Masse eskalierte. Nicht der große Knall den ich mir erhoffte hatte, doch ein guter Einstieg und wir feierten mit. Weiter ging es mit „Lying From You“. Nun nahm ich mir Zeit und schaute mal, was so auf der Bühne los war. Joe Hahn war am Bildschirm routiniert und im Fokus, haute auf die Tasten und nickte zum Beat. Die Rhythmiker machten ebenso souverän ihr Ding und Mike Shinoda grinste jede Sekunde von Ohr zu Ohr, wie ein kleines Kind. Da freut sich wohl einer noch richtig, dass er wieder da sein darf. Doch was war mit Emily Armstrong? Auf dem Album und in den Videos eine absolute Powerfrau mit Hummeln im Hintern…
…doch auf der Bühne stand ein kleines Kind, das in der Miniplayback Show auftrat. Nervös, große Augen die leer nach links und rechts wanderten, die Hände umklammerten den Mikroständer, als hätte man Angst, sie fällt sonst um. Die Gesangsperformance war gut, aber irgendwie auch nicht. Man merkte, sie könnte, aber sie konnte halt nicht. Paralysiert von den Massen tat sie halt einfach ihre Arbeit. Zum Glück fing die restliche Band das Ganze gut auf und hielt die Massen bei Laune, dennoch war das ein fader Beigeschmack.
Dann aber endlich kam „Two Faced“ vom neuen Album und die Frau fand ihre Powerstimme, traute sich sogar etwas über die Bühne hüpfen und irgendwann mit Begleitung von Mike, der auch mal an der Gitarre stand oder einfach nur am Mikro, wagte man sich auch auf die Ego-Zunge. Jetzt geht es los, dachte ich, doch es sollte bei den Chester Bennington Songs erst im letzten Drittel richtig funktionieren. Stimmlich war Emily stark, aber nicht mutig genug ihr eigenes Ding durchzuziehen, Chester immitierte sie aber auch nicht. Irgendwie wirkte sie wie ein kleiner Fremdkörper. Aber ganz ehrlich, von der kleinen Clubband zum Megastar, das ist schon eine Gewalt und das Nova Rock stellte das erste große Festival seit der Reunion dar. Andererseits haben es auch schon andere geschafft, eine Band dieses Kalibers zu übernehmen.
Aber genug davon. Die Truppe zog ansonsten alle Register, hatte ein grandioses Set im Gepäck, es wurde gejammt und die Menge angeheizt. Wobei das nicht mal nötig gewesen wäre. „Crawling“ oder „In The End“ übernahmen stimmlich sowieso vorrangig die Besucher*innen. „The Emptiness Machine“ wurde abgefeiert als wäre es ein All-Time Klassiker. Alles in allem ein intensives Wechselbad der Gefühle, das bei mir definitiv überaus positiv in Erinnerung blieb und ich bin guter Dinge, dass Armstrong ihre Nervosität bis zum Gig nächsten Sommer im ausverkauften Happel Stadion ablegt und ihre Form und Stimme finden wird.
[Max]
Setlist LINKIN PARK:
(Inception Intro A)
Somewhere I Belong
Lying From You
Crawling
Two Faced
New Divide
The Empitness Machine
(Creation Intro A)
The Catalyst
Burn It Down
Up From The Bottom
One Step Closer
(Break/Collapse)
Lost
Overflow
What I’ve Done
Numb
In The End
Faint
(Resolution Intro A)
Papercut
Let You Fade
Heavy Is The Crown
Bleed It Out
Auch wenn LINKIN PARK kleine Startschwierigkeiten hatten, zeigten sie sich als würdiger Headliner dieses starken Tages. Wieder viel Abwechslung, kleine Überraschungen und vor allem das Ambiente am Nova Rock sorgten für einen durchwegs gelungenen zweiten Tag. Auch wenn damit erst Healbzeit war, sollten in den folgenden Tagen noch einige Highlights folgen.
Autor: Max Wollersberger & Anthony Seidl
Fotos: Anthony & Max Wollersberger