Heuer fand erstmals das Destroy Vienna Fest, für das die Veranstalter*innen am 20. und 21. Juni ein mehr als amtliches Paket an Bands schnürten, das die Herzen von Hardcoreheads, Punks und Skins höher schlagen ließ, statt. Dem nicht genug, setzte man mit einer Pre-Show am Donnerstag im Arena Beisl, sowie einer Aftershow Matinee am Sonntag, im Venster am Wiener Gürtel einen drauf. Leider ein zu umfangreiches Programm für den ohnehin schon übervollen Terminkalender im Juni dieses Jahres. So ging es sich leider nur am Samstag aus, diesem spannend kuratierten Festival beizuwohnen, und es hat sich mehr als ausgezahlt, um dies schon vorwegzunehmen.
Während zahllose Menschen mit den Öffis in Richtung Donauinsel strömten, ging es am späten Samstagnachmittag nach Erdberg in die Arena, wollte man doch den lokalen Eröffnungsslot von ROLLTREPPE nicht verpassen. Ob der Temperaturen am Weg hinein, noch einen sauren Radler gecheckt, legte das Quartett in der großen Halle der Arena auch schon los mit ihrer wütenden Mischung aus Postpunk, Wave und einer satten Portion Hardcore im ostösterreichischen Idiom. Ein rohes wie kurzweiliges Set, knallten uns die Vier hier um die Ohren. Ein mehr als würdiger Opener für den – noch sehr langen – Konzertabend. Der schon bei der ersten Band überraschend gute Sound, konnte dann aber leider später über weite Strecken nicht immer beibehalten werden.
Mit den Holländern von SAVAGE BEAT folgte dann quasi ein Kontrastprogramm, denn das Quintett, das den Altersschnitt dann auch deutlich anhob, überraschte mit schmissigem Punkrock, mit einer gehörigen Portion skandinavischem Rock ‚n‘ Roll im Stile der (alten) THE HELLACOPTERS oder GLUECIFER. Der Sänger der Band aus Amsterdam fegte nicht nur wie ein Wirbelwind über die Bühne, sondern nahm seine Aufgabe als Tambourin-Spieler mit großer Überzeugung und Enthusiasmus wahr. Ein kurzweiliges, wie interessantes Set der Herren aus den Niederlanden.
Die nachfolgenden italienischen D-Beat Crust-Punks GOLPE starten das Set nicht nur explizit politisch, sondern machten auch in den knapp folgenden 25 Minuten auch musikalisch keine Gefangen. Wenn man aber dachte hier sei der heutige Level an Härte schon erreicht, hatte die Franzosen von DELETÄR nicht am Schirm. Denn hier gab es noch weniger Kompromisse, glaubte man die Vorgänger waren schon schnell unterwegs, belegte einen die Herrschaften eines Besseren. Technisch hochversiert und pfeilschnell erzeugte die Band, hörbar vom skandinavischen D-Beat Hardcore beeinflusst, einen gewaltigen Druck und Sänger Morgan Tessuto keifte sich die Seele aus dem Leib. Ein Auftritt wie eine kurze, aber umso heftigere Katharsis, denn wie alle Bands hatten auch die Franzosen knapp 25 Minuten zur Verfügung, um das dichte Programm durchbringen zu können.
Vom nächsten Act LOST LEGION haben unsere aufmerksamen Leser*innen, wohl schon etwas mitbekommen, sorgte doch deren Debütalbum „Behind The Concrete Veil“ nicht nur für ein begeistertes Review, sondern war auch in den Jahresbestenlisten 2024 ganz vorne zu finden. Einige gute Gründe also das erste Konzert der Band in Österreich nicht zu versäumen. Auf ihrer Europatour vom deutschen Oi! Punk Tausendsassa Karl Kahl (GEWOHNHEITSTRINKER, COLLAPS, RUMPELSTILSKIN, BOMBER19) an der zweiten Gitarre verstärkt, drückte die Band aus Chicago auch gleich ordentlich an und schmissen uns gleich mal ihre letzte Single „Stuck In On Place“ um die Ohren, was von einigen Eingeweihten vor der Bühne lautstark abfeierten. Sänger Ian Wise kommentierte explizit die politische Situation in den USA und verglich die Umtriebe von ICE und deren breite Unterstützung in der Bevölkerung mit Deutschland um 1933 und ließ das wütende „Dressed Like A Warrior“ folgen. Das an die THE REPLACEMENTS und HÜSKER DÜ gemahnende „Gone“ brachte dann die ersten Reihen gehörig in Bewegung, bevor das zwingende „The Animals We Used To Be“ nicht nur lauthals mitgegröhlt wurde, sondern auch diverse Fäuste frenetisch gen Himmel recken hat lassen. Leider war dann aber auch schon die Setdeadline erreicht und man darf hoffen, dass die großartige Truppe bald wieder ihren Weg nach Europa und Österreich findet, dann aber für eine Headliner Clubshow. LOST LEGION haben sich an diesem Abend mit Sicherheit mühelos in so manche neuen Herzen gespielt.
Es folgten CHAIN CULT, eine Band die ich bis dato gar nicht am Schirm hatte, mir aber schon beim Bier im Arena-Hof wärmstens von einem Bekannten empfohlen wurde. Und er hatte hier nicht übertrieben, die drei grundsympathischen Griechen legten mit fulminantem Postpunk im Stile von den starken HOME FRONT los, allerdings steht bei dem Trio aus Athen der heftig groovende Bass im Vordergrund. Dementsprechend tanzbar kam die, zu diesem Zeitpunkt, gut gefüllte Halle recht rasch in Bewegung. Die markante wie hervorragende Stimme von Bassist Jason, der im übrigens auch bei der großartigen Oi! Band GUN FEVER zu Werke ist, sorgten für eine herrlich düstere Atmosphäre. Die große Überraschung des Abends und definitiv eine feine Neuentdeckung am Destroy Vienna, das anscheinend für so manch Überraschung gut ist.
Die legendären THE KIDS rund um Frontmann Ludo Mariamn aus Belgien wirkten danach ein wenig wie aus der Zeit gefallen, legten aber einen mehr als launiges Set hin, das vor Rock ‚n‘ Roll und offensichtlicher Spielfreude nur so strotze und für so einige zufrieden und glücklich lächelnde Gesichter, etwas Bewegung und gereckte Fäuste und Mobiltelefone sorgte. Was ob der Hits und Hymnen, die die Truppe, die bereits seit Mitter der 70er, wenn auch mit Unterbrechung, unterwegs ist, im Gepäck hatte auch nicht wirklich verwunderlich war.
Den Abschluss, zumindest für den Mainpart des Fests in der großen Halle, machten dann die deutschen Oi! Punks COLLAPS, bei denen der schon erwähnte Karl Kahl aka Valle, nicht nur für die Gitarre, sondern auch für den Gesang zuständig ist. Und so gab es auf der, in den Farben des Bandbanners in rot getauchten Bühne, wuchtig rockende Skinheadkost mit Songs wie „Boots Go Marching In“ , „He’s A Skin“ oder „Ultra Violence“, die vom Wiener Publikum ordentlich abgefeiert wurden. Die Truppe aus Nord-Rhein-Westfalen unterstrich mit diesem schweißtreibenden Auftritt einmal mehr, warum sie gerade szeneintern in aller Munde sind und zeigten sich als würdiger Headliner (wie gesagt, zumindest für mich) für den Samstag des grandiosen wie abwechslungsreichen Destroy Vienna Festes.
Die leider schwindenden Kräfte und die Vernunft, da am nächsten Morgen wie immer zeitige Mini-Hool Tagwache angesagt war, setzten sich durch, und so ließ ich die abschließenden beiden Acts im Arena Beisl nach Mitternacht dann schweren Herzens doch bleiben. Die wuchtigen Wiener DENIM sowie BOMBER19, bei denen dann Herr Kahl an drittes Mal die Bühne entern sollte. Den Fotos in den sozialen Medien zur Folge kamen die beiden Auftritte wohl einem Abriss gleich und setzten einen fulminanten Schlusspunkt dieses Festivaltages.
Die Veranstalter*innen des Destroy Vienna Fest haben nicht nur einen organisatorisch tollen Event auf die Beine gestellt, sondern auch ein herrlich diverses LineUp zusammengewürfelt. Das nicht nur so manche legendäre Band nach Wien brachte sondern, für viele wohl auch einiges an neues zu entdecken gab. Wäre schön wenn es hier im nächsten Jahr eine Fortsetzung gibt.
Autor*in: David Zuser
Fotos: David Zuser
Band-Links: