Strapping Young Lad
(Extreme Metal | Industrial)
Label: Century Media
Format: (LP)
Release: 2003
Mr. Townsends Prognosen über den Sound des neuen Projekts, die er bei Gelegenheit im Vorfeld der Veröffentlichung zu streuen pflegt, wecken generell derart große Erwartungen, dass eine Enttäuschung derselben beim erstmaligen Antesten der CD, beinah vorbestimmt erscheint. So auch hier: „Härter und melodiöser als City“ sollte die neue STRAPPING YOUNG LAD werden. Das besagte Referenzwerk in Sachen Geschwindigkeit + Spielwahnsinn + Riff-Faktor 10 = hyperbrutalste Scheibe der Neunziger, sollte bzgl. dieser Attribute noch übertroffen werden, was – ich schreibe es ungern – einfach nicht möglich ist.
Allerdings kann man der künstlerischen Integrität eines Devin Townsend gleichfalls nicht zumuten, sich zu wiederholen – in einer Regression befand sich Townsend schließlich nie. Folgerichtig definiert man das Projekt neu; weg von purem Adrenalinausstoß, hin zu aussagekräftiger Brutalität, soll heißen: Die überschnellen Speed Metal- weichen schweren Death Metal-Riffs, die Synthies sind nicht mehr nur dazu da, die Gitarren in ihrer Geschwindigkeit zu unterstützen, sondern agieren eigenständig, allerdings sehr dezent im Hintergrund.
„Dire“ eröffnet das Werk; wie auf fast allen Alben Townsends ist Track 1 ein einführendes Intro. Bombastische Devin-Chöre, noch bombastischere Synthies, wuchtige Drums, kommt einem alles bekannt vor. Übergangslos wird die „Consequence“ gezogen und das mit einer überharten Black Metal Passage, sehr expressiven Lyrics, vorgetragen mit der aggressivsten Stimmlage zu der Townsend fähig ist. Bereits jetzt wird deutlich, dass Townsend erneut auf herkömmliche Songstrukturen verzichtet und hochkomplexe Arrangements in der Tradition von „Infinity“ komponiert hat, allerdings wesentlich ausgefeilter, dennoch selten eingängig, trotzdem auf die Bedürfnisse SYLs angepasst. „Relentless“ ist ein schneller, bizarrer Fucker, also typisch STRAPPING YOUNG LAD. Hoglans Drumarbeit ist originell, dabei aber zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund. Dass der Mann, der nie auch nur eine Stunde Trommelunterricht genossen hat, in der extremen internationalen Metal-Szene unerreicht bleiben wird, verdeutlicht er insbesondere im „Rape Song“: Welch Massaker, welche Breaks! Immer wieder erstaunlich, was die Kanadier und der Ami an technischen Fähigkeiten aufbringen – und wie das Ergebnis ihrer Bemühungen für ungeübten Ohren nach rhythmischer Großbaustelle klingt. Nach dem Genuss von „Aftermath“ und „Devour“ wird mir allmählich der prägnanteste Unterschied zwischen „City“ und „SYL“ klar: Anders als auf dem Vorgänger ziehen sich die unglaublichen Knüppelpassagen, für die die Band so geachtet wird, nicht mehr durch die kompletten Songs, sondern sind von nur kurzer Dauer, aber eindringlicherer Intensität, was der Scheibe viel an Eingängigkeit nimmt, ihr parallel allerdings Reife verleiht. Die sehr häufigen Tempiwechsel verstärken diesen Eindruck.
„Animal, you’re an animal, a goddamn fucking animal“ (Track 8 „Force Fed“). Die Lyrics sind wohl das härteste Element des Albums, noch vor den Gitarren, und beschäftigen sich auf radikale Weise mit der jüngsten Geschichte seit dem 11. September 2001. Eher simpel lässt man mit dem Brecher „Dirt Pride“ noch abschließend die Sau raus, bevor die bis dato ungewöhnlichste SYL-Komposition „Bring On The Young“ das Werk beschließt: Track 10 ist eine vertrackte Elegie mit avantgardistischen Gesang und Chören, schwer verdaulich wegen der eigenartigen Atmosphäre aus Leid, Zynismus und Verachtung.
Tracklist „Strapping Young Lad“:
1. Dire
2. Consequence
3. Relentless
4. Rape Song
5. Aftermath
6. Devour
7. Last Minute
8. Force Fed
9. Dirt Pride
10. Bring On The Young
Gesamtspielzeit: 39:09
Band-Links: