Dark Light
(Gothic Rock)
Label: Sire Records
Format: (LP)
Release: 2005
Ich gebe zu, ich glaubte auch mal daran, dass HIM trotz ihres Erfolges irgendwann mal wieder zu ihren ursprünglichen Wurzeln zurückfinden würden. Ville Valo betonte in seinen Interviews ja auch immer brav, dass seine Band nicht in den Mainstream abgleiten wolle und die Verkaufszahlen keine Rolle spielen würden. Doch die von ihm kreierte Musik zeigte bis auf einige Ausnahmen das Gegenteil.
Frühjahr, anno 2005: Das neue Album höre sich an wie „eine Mischung aus U2 und Bon Jovi“, sprach’s und machte im Herbst aus dieser Drohung Wirklichkeit. Die im September in die Meute geworfene Scheibe dürfte den, mittlerweile zum Millionär angereichten Herrn Dunkles Licht (*dark light = auf Finnisch: pimeä valo = dunkles oder verrücktes Licht; der Albumtitel ist also auch eine Anspielung auf Ville selbst*) noch um Einiges wohlhabender machen, allerdings erneut auf Kosten der Glaubhaftigkeit seiner angepriesenen Einstellung „Wir machen Musik, weil es uns Spaß macht“.
Im Juli dieses Jahres machte Valo seiner Langzeitfreundin Jonna Nygren am Ruisrock im finnischen Turku einen Heiratsantrag. Glück für ihn, dass sie ihn angenommen hat, Pech für die zigtausenden weiblichen Fans, die ihn für den weltbesten Musiker hielten und bis dahin noch nicht von seinem plötzlichen *ähem* optischen Älterwerden um mindestens zehn Jahre abgeschreckt worden waren und deswegen den nordischen Prinzen der Herzen immer noch ehelichen wollten. Ob die Verkaufszahlen des neuen Albums wohl jetzt noch dasselbe Level erreichen wie die der LPs zuvor?
Poptauglich ist die neue Scheibe ja wie die Vorgängeralben allemal. Ein hartgesottener Metaller wird kaum seine Freude daran finden und es ist nicht schwer zu erkennen, dass H.I.M. wieder nicht von der Kommerzschiene abgekommen sind.
Jedes Lied hat ein sicheres Hitsiegel aufgestempelt, Valo schafft es noch immer Ohrwürmer zu entwerfen, die beim besten Willen nicht aus dem Kopf gehen. Beispiel dazu: Track Numero fünf, „Dark Light“, das wirklich eine sehr einprägsame, ruhige Melodie in sich trägt, die anderen Lieder noch in Sachen Schnulzenhaftigkeit überragt und nur mehr zur Kategorie des Mainstream-Pops gezählt werden kann.
Ville hat gute Melodieideen, aber gleichzeitig verschwimmt das ganze Album zu einem Einheitsbrei. Die Musik hat ihre Seele verloren, die zu Zeiten von „Greatest Lovesongs Vol.666“ und „Razorblade Romance“ noch da war. Musikpassagen klingen gleich und aufgesetzt psychedelisch, Gitarrenlinien wirken einfallslos und schon oft da gewesen. In alter Manier handeln die Lyrics natürlich wieder von der Liebe. Immer wenn die Nation wieder mal mit tränentriefenden Liebesgesülzen, egal aus welchem Musikbereich überschüttet wird, frage ich mich, ob wirklich nichts anderes mehr Musiker bewegt. Wieso sind heutzutage so wenige Künstler gewillt, in ihrem Schaffen weltbewegende, „seriöse“ Themen aufzufassen, Rebellion gegen Gott und die Welt zu betreiben und in dem Bestreben Menschen wachzurütteln nicht nachzugeben, sondern verstecken sich hinter einer Fassade aus in Wirklichkeit unbedeutsamen Worten, um ja niemanden auf den Gedanken zu bringen, auf unserer perfektionistischen Erde herrsche auch etwas anderes als Liebe.
Ich will aber nicht den Anschein erwecken, dass mir „Dark Light“ überhaupt nichts geben kann. Ein paar dunkle Lichtblicke sind schon auszumachen; so zum Beispiel „Behind the Crimson Door“. Hierbei handelt es sich meiner Meinung nach um einen der eigenständigsten und am wenigsten verbraucht wirkenden Songs, der mit seinem tief gesungenen Refrain punkten kann. Als exquisites Schmankerl beinhaltet er außerdem einen Zwischenpart mit finnischem Gebrabbel, bei dem Valo aus der Bibel rezitiert.
Zu empfehlen ist auch noch „In the Nightside of Eden“, ein recht durchschnittlicher, typischer HIM-Song, an dessen Schluss jedoch Ville anhand der Textzeile „Forever we are, forever we’ve been, forever we’ll be crucified to a dream“ beweist, dass er wenigstens seine, leider nur mehr sehr selten angewendete geil-tiefe Stimme noch nicht an Gott oder den Teufel verkauft hat.
Vielleicht sollte er seine Band ja mal in die Dark Metal-Richtung lenken?!
Im Gesamtbild betrachtet ist „Dark Light“ zwar um einiges rockiger ausgefallen als zum Beipiel „Deep Shadows & Brilliant Highlights“, aber es fehlt halt immer noch diese gewisse Unbedachtheit und, wenn man so will (finanzielle) Freiheit, die in den Anfangszeiten noch vorhanden war. Es ist wirklich traurig, dass Erfolg süchtig macht.
Autor: Kristina
Tracklist „Dark Light“:
1. Vampire Heart
2. Rip Out The Wings Of A Butterfly
3. Under The Rose
4. Killing Loneliness
5. Dark Light
6. Behind The Crimson Door
7. The Face Of God
8. Drunk On Shadows
9. Play Dead
10. In The Nightside Of Eden
Gesamtspielzeit: 44:52