THE DEVIN TOWNSEND PROJECT ist tot. Lang lebe DEVIN TOWNSEND! Klammert man „Dark Matters“ der 2014er „Z²“, also den zweiten Teil der Ziltoid-Reihe, aus, das ja eine Kombination aus THE DEVIN TOWNSEND PROJECT und DEVIN TOWNSEND (also, dem wirklichen Solo-Ding) ist, dann ist „Empath“ das erste Solo-Release von DEVIN TOWNSEND seit 2007. THE DEVIN TOWNSEND BAND gibt es ja schon länger nicht mehr. So verschachtelt und verwirrend diese Einleitung ist, sie passt sehr gut zu der Musik auf „Empath“, das da dieser Tage erscheint und – so viel vorneweg – Devin Townsend in Höchstform präsentiert. Der tobt sich nämlich aus. Gehörig.
Ein Track-by-Track-Review würde den Rahmen dieses kleinen Onlinebeitrags sprengen. Und lesen würde es sowieso eh auch niemand, weil viel zu lang. Exemplarisch daher ein kurzer Umriss des ersten vollen Tracks “Genesis”, weil er die Richtung von „Empath“ in seiner vollen Härte vorgibt. Der Song erstreckt sich über das gesamte Dynamikspektrum, von zarten Synthies bis hin zu wummernder Doublebass. Mal lauter, mal leiser. Musikalisch wurde von übertriebener Theatralik eines Filmsoundtracks über Musical-Chöre, Blastbeats, einem lächerlich eingängigen Refrain und – weil’s schon wurscht ist – karibischen Steeldrum-Klängen einfach alles hineingeschrieben, von dem man sich vorstellen könnte, dass Devin Townsend es in einen Song packen könnte. Schließt also quasi gar nix aus. Und beinhaltet so nebenbei Beiträge von allen drei (!) auf dem Album vertretenen Schlagzeugern. Ein solches Monstrum an Genremischmasch muss man (a) einmal schreiben und (b) so schreiben, dass es sich nicht so anhört, als ob wahllos Teile aneinandergereiht wären. Das funktioniert durchwegs. Die Anmerkung aus dem begleitenden Promotext „[…] with the new album „Empath“, [Devin Townsend] will once and for all defined himself as a musical force outside of any particular genre classification” wirkt rückblickend sogar etwas verharmlosend. Zu entdecken gibt es auf „Empath“ genug. Man muss nur als HörerIn eine gewisse Toleranz für Genresprünge mitbringen.
Mit dem Reigen an GastmusikerInnen, die teils sehr überraschend (Chad Kroeger von NICKELBACK, um Himmels Willen), teils weniger überraschend (Anneke Van Giersbergen, Stevie Vai, eh klar), aber stets spannend (Samus Paulicelli von DECREPIT BIRTH, bzw. auch bekannt durch seinen verhaltensauffälligen Youtube-Kanal, u.a. mit ein sehr sehenswerte Neuinterpretation von METALLICAs „Enter Sandman“ mit Dildos statt Drumsticks, oder seiner einzigen Fart-Metal-Musikrichtung) sind, wird ein überbordender Facettenreichtum erreicht. Und diese Anführung der GastmusikerInnen ist bei Weitem nicht erschöpft. Man möge bitte zum Booklet greifen oder sich die Freude machen und versuchen sie zu erraten.
„Empath“ könnte man in seiner Gesamtheit mit dem Wienerischen „blunznwaach“ umschreiben. Richtig greifbar ist es nämlich nicht. Eher eine amorphe Entität undefinierter Konsistenz, die durch das Zusammenwirken eine erstaunliche Homogenität erzeugt, die auf den ersten Blick vielleicht befremdlich wirkt, aber halt letztendlich schon irgendwie ziemlich leiwand ist. Insbesondere wenn sie mit solcher Liebe zum Detail gemacht wurde. Manchmal läuft man halt Gefahr nicht mehr zu begreifen, was da eigentlich abgeht. Spätestens wenn auf das treibende „Hear Me“ das musicalhaft-kitschige „Why?“ folgt, fragt man sich ernsthaft, ob Devin Townsend nicht einfach seine Grenzen austestet, mit was er eigentlich allem bei seiner Fanbase durchkommt, bis diese erkennt, dass sie seit Jahren von ihm getrollt wird. Andererseits: Es ist Devin Townsend.
Man weiß schon seit Jahren auf was man sich bei ihm einlässt. Man würde es niemand anderen durchgehen lassen. Man darf auch bezweifeln, dass es jemanden so gut gelingen würde postmoderne Beliebigkeit als sein Genre zu ergreifen. „Empath“ ist alles zu dem Devin Townsend fähig ist auf seine HörerInnen loszulassen, kondensiert auf eine Stunde und 15 Minuten, wobei die Essenz des Albums noch einmal im Schlusstrack „Singularity“ komprimiert ist. Sozusagen die Minimundus-Version des Albums am Ende des Albums. Komponieren (und verschachteln) das kann er, der Devin. Eine musikalische Weltreise ist’s geworden. Weil’s irgendwie eh schon wurscht ist.
Tracklist „Empath“:
1. Castaway
2. Genesis
3. Spirits Will Collide
4. Evermore
5. Sprite
6. Hear Me
7. Why?
8. Borderlands
9. Requiem
10. Singularity
Gesamtspielzeit: 74:19
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