Die größte Überraschung 2014 oder doch nur ein leicht durchschaubarer Marketing-Trick den JUDAS PRIEST in den letzten Jahren mit ihrer Farewell-Tour durchzogen? Die Zeichen, dass die britische Legende nach dem durchwachsenen Comeback-Album „Angel Of Retribution“ und dessen mehr als gewöhnungsbedürftigen Nachfolger „Nostradamus“, noch ein Werk veröffentlichen, waren schlecht. Vor allem, da man sich von Gitarrist K.K. Downing verabschieden musste. Dass Glenn Tipton JUDAS PRIEST mit Jungspund Richie Faulkner (LAUREN HARRIS, VOODOO SIX) trotzdem erfolgreich laufen lassen kann, zeigte man eindrucksvoll mit der Epitaph-Tour, bei der auch Frontmann und Ikone Rob Halford wieder zu Höchstformen aufkam – soweit das halt für einen Heavy Metal Sänger jenseits der 60 möglich ist. Aber wovon verabschiedeten sich die alten Männer aus Birmingham, denn mit „Redeemer Of Souls“ steht plötzlich nach sechs Jahren das sage und schreibe 17te Album an und eine Tour dazu wird und muss es fast geben. Geplant oder nicht, ist aber verdammt nochmal egal, denn „RoS“ ist so oder so schon eine der Überraschungen des Jahres und macht verdammt Laune.
Gut, ein Meisterwerk erhofft, aber erwartet man sich nach den letzten Werken von JUDAS PRIEST wahrlich nicht, doch dass die Herren endlich wieder wie sie selbst klingen und durchwegs wirklich gute Songs schreiben, überrascht mich doch. „Redeemer Of Souls“ bewegt sich grob gesagt irgendwo zwischen „Ram It Down“ und „Painkiller“, wenn auch nicht mehr so energisch und verspielt, dafür aber auch mit kleinen Schwenken in Richtung „Demoliton“. Rob Halford weiß, dass er keine 30 mehr ist und setzt seine Stimme dementsprechend forciert in mittleren Stimmlagen an, traut sich aber trotzdem die Stimme zu erheben und meistert auch dieses Kunststück, ohne sich selbst zu überfordern.
„Redeemer Of Souls“ braucht aber etwas Zeit, denn im ersten Durchlauf bleibt nicht spektakulär viel hängen. Man bewegt sich meist im Midtempo-Bereich, wagt keine sonderlich auffälligen Experimente und versucht auch keine Effekthascherei. Hier wird einfach 100% JUDAS PRIEST geboten. „Dragonaut“ beginnt nach kurzem „Donner-Intro“ mit cool groovendem Riff und entwickelt sich schnell zum eingängig-hymnischen Kopfnicker und erinnert schnell an die 90er, wohingegen der etwas mechanisch tönende Refrain an die Ripper-Ära erinnert. Ein gelungener Einstieg, während der bereits bekannte Titeltrack etwas zu zahm daher kommt. Dafür gefällt der mit Pathos und Trueness gefüllte Ohrwurm „Halls Of Valhalla“ auf Anhieb und sorgt für Partystimmung und lässt auf einen Live-Kracher hoffen. „Sword Of Damocles“ klingt auch ziemlich true, stampft aber umso mehr. Der Erzählgesang von Rob erinnert mich an alte IRON MAIDEN Nummern und besitzt bereits jetzt Kult-Charakter, während das moderner tönende „March Of The Damned“ nur bedingt zündet und etwas ideenlos daher kommt. Wie erwähnt, klingt hier alles durch und durch nach den Briten und das auf hohem Niveau. Hier und da fehlt mir etwas der jugendliche Elan alter Werke, dafür freue ich mich umso mehr über den Charme der Songs, der immer wieder an alte Tage hoffen lässt.
Doch mit dem positiv klingenden „Down In Flames“ kommt doch frischer Wind auf, während „Hell And Back“ mit balladeskem Einstieg für Gänsehaut sorgt. Das Riff groovt ohne Ende, ehe man mit „Cold Blooded“ wirklich auf die Tränendrüse drückt und die Spannung bis an die Spitze treibt. Mit dem Blues Rocker „Crossfire“ kann ich mich persönlich nicht so anfreunden, doch der 70s Spirit hat schon was. Wer immer noch glaubt, Rob hat seine Stimme nicht mehr im Griff, der höre sich den düsteren Kracher „Metalizer“an, bei dem erneut „Demolition“ in den Sinn kommt. Klar ist es keine „All Guns Blazing“, „Night Crawler“ oder „Blood Red Skies“, doch für sein Alter macht sich der Mann hier verdammt gut und überrascht sämtliche Zweifler. JUDAS PRIEST schaffen es wirklich gut 60 Minuten das Niveau zu halten und servieren uns mit dem finalen Trio erst dichte Atmosphäre („Secrets Of Souls“), einen echten Heavy Metal Kracher („Battlecry“), inklusive gelungene Screams und ein möglicher Hinweis auf den Ruhestand der Legende in Form einer wunderschönen Ballade („Beginning Of The End“).
„Redeemer Of Souls“ ist vielleicht kein Meisterwerk, doch in jeglicher Hinsicht gelungen und übertrumpft die beiden Vorgänger mühelos. Ein paar schwächere Nummern, jedoch kein Ausfall zeigen, dass JUDAS PRIEST einfach wissen wozu sie heute noch imstande sind und sich so fokussiert und traditionsbewusst wie seit 15 Jahren nicht mehr präsentiert. Mit diesem Werk können sie auf jeden Fall auf einen gelungenen Abschluss zurückschauen, ein weiteres Werk diesen Kalibers würde ich aber trotzdem begrüßen.
Tracklist „Redeemer Of Souls“:
1. Dragonaut
2. Redeemer Of Souls
3. Halls Of Valhalla
4. Sword Of Damocles
5. March Of The Damne
6. Down In Flames
7. Hell And Back
8. Cold Blooded
9. Crossfire
10. Metalizer
11. Secrets Of The Dead
12. Battlecry
13. Beginning Of The End
Gesamtspielzeit: 61:40