And let the storm descend upon you
Then I will make you mineLet The Storm Descend Upon You
Unzählige Male hat EDGUY-Boss Tobias Sammet bereits gemeint, er lege seine Metal Oper AVANTASIA zu den Akten. Erfolg und Verkaufszahlen zeigten aber klarerweise, dass er das gar nicht ernst meinen kann. Beim letzten Release „The Mystery Of Time“ wurde bei mir trotz des kommerziell größten Erfolgs seiner Karriere das Gefühl breit, dass er seine Ansage doch besser in die Tat umsetzen sollte. Nicht, dass das sechste Werk dieses Mammut-Projekts technisch schlechter gewesen sei, doch an die vorherigen Glanztaten, geschweige denn an die ersten beiden Alben „The Metal Opera Pt. I + II“ kam man beim besten Willen nicht ran. Nicht nur, dass das Material irgendwie nach bekannten EDGUY Songs nur halt mit mehr Sängern klang, irgendwo kam die geliebte Oper einfach zu kurz.
Doch Tobi hat sich offensichtlich die Kritik zu Herzen genommen und nicht wie zuerst vermutet ein „The Mystery Of Time Pt. II“ gemacht, sondern AVANTASIA nochmal überdacht und jetzt mit „Ghostlights“ nicht nur das abwechslungsreichste, sondern vielleicht auch beste Werk seit eben den genannten Referenzwerken eingespielt.
Doppelt überraschend kam für mich diese Erkenntnis, weil die Vorabsingle „Mystery Of A Blood Red Rose“, mit der der Herr nun auch zum ESC Vorentscheid geht, wie eine MEAT LOAF Schnulze mit Stromgitarren klingt und mich so gar nicht berühren konnte. Sammet arbeitet sich komplett alleine durch den Opener und kann einfach keine Akzente setzen. Stimmlich stark, die Melodien sind interessant, aber wer AVANTASIA kennt, weiß, dass das maximal eine B-Seite sein kann.
Aber AVANTASIA lebt natürlich auch von seinen prominenten Gästen und die können sich dieses Mal wieder absolut sehen und hören lassen. Und auch wenn nicht jeder Song vollends zündet, so sind es einfach die gewissen Momente, die zählen. Man höre sich einfach mal einen Geoff Tate (Ex-QUEENSRYCHE), der mal eben die beste Leistung seit 15 Jahren abgibt auf „Seduction Of Decay“ oder einen Michael Kiske, der einst dem Metal abschwörte, nun aber tönt wie in den 80ern bei HELLOWEEN auf „Ghostlights“ und „Unchain The Light“ an. Jorn Lande (Ex-MASTERPLAN) ist sowieso zu jeder Sekunde über jeden Zweifel erhaben und sorgt wie die beiden anderen genannten Herren mehrmals für Gänsehaut, vor allem gut beim ruhigen DIO-Tribut „Lucifer“ nachzuhören. Der Überraschungsgast schlechthin ist aber wohl TWISTED SISTER Rocker Dee Snider, der nach ALICE COOPER und Jon Oliva einen wirklich düsteren, bösen Part übernehmen darf und Seiten aufzieht, die man zuvor noch nie von ihm zu Gehör bekam. Dementsprechend erinnert sein Song „The Haunting“ vom Feeling her stark an „The Puppet Master“ und „Death Is Just A Feeling“. Da können Namen wie Ronnie Atkins (PRETTY MAIDS) oder Robert Mason (WARRANT) trotz starker Gesangsleistung fast etwas untergehen.
Doch nun etwas mehr zur Musik. Neben dem schwächelnden Opener, sind auch der EDGUY-artige Song „Lucifer“ sowie das abschließende „A Restless Heart And Obsidian Skie“, das man auch getrost „The Story Ain´t Over 2“ hätte nennen können, keine großartigen Highlights. Aber wie gesagt, „Gostlights“ lebt von der Abwechslung und nutzt den Überraschungsmoment. Wenn einem der Titeltrack mit Doublebass-Geballer für das Felix Bohnke (EDGUY) zuständig ist, um die Ohren fliegt und ein Kiske in schwindelnde Höhen aufsteigt, dann klappt einem schon mal die Kinnlade runter. Hätte auch auf einem frühen Album von EDGUY oder AVANTASIA Platz gefunden. Der 12-Minüter „Let The Storm Descend Upon You“ ist eine der typischeren Nummern, wird aber zu keiner Sekunde langweilig, „Master Of The Pendulum“ macht trotz seiner enormen Nähe zu NIGHTWISH, was natürlich auch an Gastsänger „Marco Hietala“ liegt, richtig Spaß und „Draconian Love“ entpuppt sich als Geheimtipp. Der Song fängt mit Gothic-Piano an und ein Stimme, die man im ersten Moment zu HIM oder END OF GREEN zuordnen würde ertönt. Doch weit gefehlt, hier agiert Herbie Langhans (SINBREED, Ex-SEVENTH AVENUE) wie man ihn noch nie zuvor gehört hat.
Aber egal, wie anders AVANTASIA auf diesem Album oft klingen, spätestens bei den mehrstimmigen Chören im Refrain, fühlt man sich wieder wie zu Hause und freut sich über zahlreiche Ohrwürmer und Hits. Hinzu kommt noch, dass Bruce Kulick (Ex-KISS) einigen Songs einen unvergleichlichen Stempel aufdrückt und in Sachen Riffing Hartmann und Paeth unterstützt.
Tobias Sammet hat das unmöglich scheinende geschafft und wirklich alle Stärken dieses einzigartigen Projekts auf ein Album fokussieren können. Der eine oder andere Song mag nicht ganz den Glanz der großen Hits auf dem Album erreichen und auf die Ballade „Isle Of Evermore“ mit Sharon den Adel (WITHIN TEMPTATION) könnte man wohl komplett verzichten, doch darüber lässt sich auch hinwegsehen. „Ghostlights“ zeigt endlich wieder wie ein AVANTASIA Album eigentlich zu klingen hat.
Tracklist „Ghostlights“:
1. Mystery Of A Blood Red Rose
2. Let The Storm Decend Upon You
3. The Haunting
4. Seduction Of Decay
5. Ghostlights
6. Draconian Love
7. Master Of The Pendulum
8. Isle Of Evermore
9. Babylon Vampyres
10. Lucifer
11. Unchain The Light
12. A Restless Heart And Obsidian Skies
Gesamtspielzeit: 70:28