I’ll never leave, I’ll never mind
Staring through a self-blinded eyes
Self-blinded eyesSelf-Blinded Eyes
Die deutschen Power Metaller RAGE musste schon so manch gröbere LineUp Veränderung hinnehmen, doch im vergangenen Jahr sollte es den größten Bruch der Bandgeschichte geben. Bandgründer und einzige Konstante Peavy Wagner musste nicht nur das Ausscheiden von Drummer André Hilgers (SILENT FORCE) kompensieren, sondern auch Gitarrenwunder Victor Smolski nach 16 Jahren verabschieden. Während Peavy mit RAGE und zwei neuen Mitgliedern weitermacht wie bisher, hat sich Viktor den LMO (LINGUA MORTIS ORCHESTRA) Part herausgenommen und führt dieses Projekt nun als richtige Band unter ALMANAC weiter. Neben bekannten Gesichtern wie Jeannet Marchewka und natürlich dem Orquestra Barcelona Filharmonia, ist er außerdem stolz darauf, mit Andy B. Franck (BRAINSTORM) und David Readman (PINK CREAM 69) zwei mehr als talentierte Sänger in seinen Reihen zu wissen.
Das Debüt „Tsar“ ließ nicht lange auf sich warten und kommt seinem Ex-Kollegen Peavy, der bisher noch eine Single auf den Markt warf, zuvor. Schnell wird klar, dass sich Victor und Peavy aus musikalischen Gründen trennten, den während RAGE mit „My Way“ holzen wie in guten alten Zeiten, spielt ALMANAC alle anderen Facetten, die RAGE mit dem Eintritt des Weißrussen ab 1999 in ihren Sound aufnahmen. Man kann den acht Songs (plus Interlude) auf „Tsar“ vielleicht ankreiden, dass sie alle für sich alleine stehen und man hinter dem Debüt keine durchgehende Linie findet, doch das zeigt auch, dass sich in den Jahren so viele kreative Ideen angestaut haben, die Smolski wohl bei RAGE einfach nicht unterbringen konnte, vor allem auch, wenn mit nur einem Sänger, der auf gewisse Weise, so gut er auch ist, doch limitiert ist.
Kaum ein Song ist kürzer als sechs Minuten ausgefallen und vollgestopft mit Ideen, Melodien, Bombast, Symphonie, Soli und weiteren Spielereien. Dennoch schaffen es ALMANAC, nie so überladen wie LMO zu klingen. Der Opener ist noch recht sperrig, lädt aber zum Entdecken ein und zeigt, dass hier nichts dem Zufall überlassen wird. Treibende Rhythmen, feinfühlige Keyboardmelodien, dezent eingesetzte Orchestration sowie Chöre prägen diesen intensiven Titeltrack. „Self-Blinded Eyes“ ist dann aber schon der erste direkte Hit, der mich mit einer unvergesslichen Melodie an Frühwerke von MOB RULES erinnert, zum Träumen einlädt und sich dann zur waschechten Power Metal-Hymne entwickelt, die vor allem durch Andy B. Francks starken Einsatz getragen wird. Aber auch David Readman weiß seine Stimme einzusetzen und glänzt sowohl im Duett als auch im mehrstimmigen Gesang mit seinem deutschen Kollegen. „Hands Are Tied“ poltert heftig zu besten RAGE Zeiten dahin, spart aber auch nicht mit Melodie und Chören, kommt aber viel düsterer daher als alles andere zuvor. Der längste Track „No More Shadows“ beginnt mit einem spannenden Aufbau und ruhiger Atmosphäre, die leicht orientalisch angehaucht ist. Andy legt sowohl Gefühl als auch Kraft in seine Stimme, während die ersten Riffs Lust auf mehr machen, bis dann bald die Doublebass einsetzt und der Song mit zahlreichen Wendungen zu einem spannenden und kurzweiligen Epos mutiert – progressive Einschübe inklusive. Direkter geht es in der nächsten Power Metal-Hymne „Nevermore“ zu. Der Song könnte gerade in der Strophe auch von BRAINSTORM kommen, im Refrain spielt man dann aber dennoch wieder mit hymnischen Elementen. Aber klar, dass hier Andy extrem aufblüht und man seinen Spaß am Tun förmlich spürt. Auch ruhig kann Smolski bekanntlich und liefert mit „Reign Of Madness“ die etwas andere Ballade. Hier kommen verstärkt weibliche Vocals zum Zug und man erzeugt ein Wechselbad der Gefühle, bevor man mit „Flames Of Hate“ nochmal heftig, vertrackt, aber auch mit eingängigen und mitsingkompatiblen Chorus das Finale bestreitet.
Bevor „Tsar“ auf meinem Tisch landete, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, was Victor Smolski zu seinem Ausstieg bei RAGE bewogen haben mag oder was es von ALMANAC zu erwarten gibt. Doch das Debüt macht schnell klar, was Victor für ein kompositorisches Genie ist, das seine Freiheit braucht um sich wirklich entfalten zu können. Von RAGE ist nicht mehr viel zu spüren, dennoch ist „Tsar“ über weite Strecken extrem heavy und auch nie so überladen wie „LMO“ es war. Ein überraschendes Meisterwerk, das Peavy sicher ins Schwitzen bringt. Für Power Metal Fans jeder Art ein must-hear!
Tracklist „Tsar“:
1. Tsar
2. Self-blinded Eyes
3. Darkness
4. Hands Are Tied
5. Children Of The Future
6. No More Shadows
7. Nevermore
8. Reign Of Madness
9. Flames Of Hate
Gesamtspielzeit: 52:00