Die zwei großen Neuerungen werden gleich vorneweg erwähnt. Zunächst die kleinere: „In Cauda Venenum“ ist das erste OPETH Album mit lateinischem Titel. Nun die große: Es ist auch das erste OPETH-Album, dass vollständig in Schwedisch eingesungen wurde. Also anfangs zumindest. Es wurde nämlich noch eine eigene englisch-sprachige Version aufgenommen und dazugereicht. Man möchte ja der internationalen HörerInnenschaft nicht zu viel Internationalität auf einmal zumuten. Die Hauptversion ist aber schwedisch und soll laut Sänger und Komponisten Mikael Åkerfeldt auch gehört werden, bevor man sich dem englischen Pendant widmet. Es funktionieren beide Versionen übrigens recht gut, zumindest wenn Mikael Åkerfeldt die Texte singt. Möchte man selber mitsingen ist der Aufwand deutlich höher, aber dieser Umstand dürfte eher nur bei Konzerten eine relevant sein und bis dahin ist noch etwas Zeit zum Üben. Man darf aber davon ausgehen, dass nicht die halbe OPETH-Hörerschaft bei der ersten schwedischen Phrase zornig die Flucht ergriffen hätte.
Musikalisch birgt „In Cauda Venenum“ wieder jenen Zugang, den man von OPETH in der post-„Watershed“-Ära (also so ab 2008) gewohnt ist: verspielter Prog-Rock im Retro-Look, mit dem einen oder anderen freundlichen Nicken in Richtung Heavy Metal, wobei sich hier auch einmal Keyboard und Drums einen Schlagabtausch liefern dürfen („Hjärtat Vet Vad Handen Gör“). Fiese Gitarrensoli („Kontinuerlig Drift“) dürfen natürlich ebenso wie der gelegentliche Einwurf von Doublebass („Svekets Prins“) nicht fehlen. Die wirklich eingängigen (weil relativ geradlinig) Gesangslinien können dann schon einmal fast kitschig daherkommen („Minnets Yta“, „Ingen Sanning Är Allas“). Die schwere Basslinie in „Charlatan“ (sehr untypisch) kompensiert das nämlich eh wieder ausreichend. In „Banemannen“ fliegt einem dann noch dazu so etwas wie dunkler Swing (noch untypischer) um die Ohren – Streicher inklusive. „Allting Tar Slut“ komprimiert dann mit seiner eingängigen Melodie die Essenz des Songwritings à la OPETH, mit dem Twist, dass der Regler für den Hall auf den Drums sukzessive nach oben gedreht wird. Zwischen Piano und einem Duett von Mikael Åkerfeldt mit sich selbst wird dadurch eine sehr eigene musikalische Landschaft für den Abschluss erzeugt. Es funktioniert.
Kurzum: Auch auf dem dreizehnten Album sind Mikael Åkerfeldt die Ideen für OPETH nicht ausgegangen. Der Mann weiß eben, was er tut. Die musikalische Umsetzung ist ohnehin wie gewohnt tadellos. Die Herren an den Gitarren (Fredrik Åkesson), Bass (Martin Mendez), Keyboars (Joakim Svalberg) und Drums (Martin Axenrot) – damit sie auch namentlich erwähnt sind – verstehen ebenso ihr Handwerk. Das ist inzwischen gemeinhin bekannt und müsste nicht extra erwähnt werden, es schadet aber auch nicht. Im direkten Vergleich zum Vorgänger „Sorceress“ (2016) gibt es eine auffällige Verbesserung: Es gibt deutlich weniger Songs, die sich wie Lückenfüller anfühlen. Eine Stunde und (fast) acht Minuten wären so schon eine durchaus stattliche Spielzeit. Sie bis zum Rand mit gestandenem Material zu füllen dann eine umso freundlichere Geste. Fad wird einem dabei nicht, schließlich geht musikalisch meist ohnehin so viel ab, dass man gar nicht mitbekommt, dass man als nicht-schwedisch-sprechende Person keinen Plan hat, was da gerade eigentlich gesungen wird. Kann man ja alles nachlesen.
Tracklist „In Cauda Venenum“:
1. Livets Trädgård / Garden Of Earthly Delights
2. Svekets Prins / Dignity
3. Hjärtat Vet Vad Handen Gör / Heart In Hand
4. De Närmast Sörjande / Next Of Kin
5. Minnets Yta / Lovelorn Crime
6. Charlatan
7. Ingen Sanning Är Allas / Universal Truth
8. Banemannen / The Garroter
9. Kontinuerlig Drift / Continuum
10. Allting Tar Slut / All Things Will Pass
Gesamtspielzeit: 56:21
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