Symbol für den Schmutz in der Welt

Besuchern von deutschen Festivals sind STRYDEGOR durch mitreißende Auftritte ein Begriff, und nachdem ich oft bei solchen Events dabei war, kam auch mir diese Melodic Death Metal Band aus Mecklenburg-Vorpommern öfter unter. Kürzlich erschien das neue Album „Isolacracy“, und so nützte ich die Gelegenheit, den Bandleader Florian (Flo) Kunde zum Interview zu bitten.


So viel Vertrauen hab ich aber in die Menschheit noch, dass sie auch in 1000 Jahren noch wissen, dass man Blumen nicht mit Energiedrink gießt…


Hallo! Da ich euch ja schon eine Weile kenne, freue ich mich sehr, dir ein paar Fragen zu stellen.
Da ich mir nicht sicher bin, ob ihr der breiten Menge in Österreich bekannt seid, möchte ich dich zuerst darum bitten, euch ein bisschen vorzustellen, und zu erzählen, wofür der Bandname steht?

Hallo und vielen Dank für das Interview. STRYDEGOR ist ein Eigenname, den wir uns vor Ewigkeiten in einer Bierlaune ausgedacht haben. Mein Kumpel Falk und ich hatten den Plan eine Black Metal Band zu gründen, und haben uns den Namen STRYDEGOR ausgedacht, und dahinter eine total kreative Geschichte um einen nordischen Gott ausgedacht, der den Met bewachen soll (damals waren wir noch totale Wikinger-Fans) – der eigentliche Name hat aber keine wörtliche Bedeutung, aber für uns persönlich steht es kurzum für „4 verrückte Metalheads auf der Suche nach Spaß“!

STRYDEGOR - Florian

In den letzten Jahren gab es ja LineUp-Wechsel bei euch. Wie haben sich die auf die Band ausgewirkt?

Selbstverständlich war es nicht immer leicht in der Bandgeschichte. Einige Wechsel liefen sehr harmonisch ab – man entwickelt sich halt weiter im Leben, und auch verschiedene Geschmäcker oder Ziele im Leben passen dann einfach nicht mehr zum Bandleben dazu. Das ist auch okay.
Ein paar Wechsel liefen nicht so schön ab, aber als Band hat man nun mal nicht nur eine Verantwortung sich selbst gegenüber, sondern auch den anderen Mitstreitern in der Truppe, und da muss man eben auch Entscheidungen treffen um als Gruppe weiter zu wachsen. Musikalisch wirkt sich das natürlich auch aus, da neue Menschen auch neue Einflüsse in das Projekt mit einfließen lassen – im Sinne von „Isolacracy“, also so wie es jetzt in dieser Besetzung mit mir (Flo), Dan, Martin und Manu läuft, wie ich finde stärker denn je, auch wenn natürlich jeder Musiker in der Bandgeschichte seinen Teil dazu beigetragen hat, wo wir jetzt stehen!

Und wie geht es euch durch die Beeinträchtigungen durch Corona?

Eine einzige Katastrophe. Ein Glück sind wir und unsere Familie alle gesund und munter, und bisher verschont worden von wirklich gravierenden Einschnitten – bis auf die Tatsache, dass Konzerte komplett ausgefallen oder verschoben wurden auf 2021, bzw. Proben, bis auf wenige Ausnahmen, auch nicht wirklich planbar sind, aufgrund der Tatsache, dass wir nicht alle im selben Landkreis, geschweige denn Bundesland leben. Aber wir machen das Beste draus, hinter den Kulissen weiter nach Wegen zu suchen, unsere Musik an die Frau und den Mann zu bringen, und natürlich wie für Künstler üblich, arbeiten wir schon wieder an neuem Material – ist doch klar! Wir hoffen einfach, dass wir nach dem ganzen Ärger um Covid 19 wieder fröhlich und gesund durchstarten können, und wünschen allen Freunden, Musikern, Clubbesitzern usw. viel viel Kraft!

Wann habt ihr euch entschlossen, ein neues Album aufzunehmen und wie lange habt ihr daran gearbeitet?

Der eigentliche Entschluss kam relativ kurz nach dem Album „Enraged“ 2014. Wie bereits gesagt: Als Künstler hat man eigentlich nie Pause, und die Inspiration schlägt immer unerwartet zu. Aber grundsätzlich kam der Plan erst so richtig 2016 ins Rollen. In der Zeit haben wir viele Konzerte gespielt vor allem Wolfszeit, Ragnarök sind dort besonders hervorzuheben als Highlights.
Leider kam dann nicht nur die Tatsache dazwischen, dass wir uns von unserem Bassisten und Gründungsmitglied Clemens getrennt haben, sondern ich persönlich hatte mit meinen inneren Dämonen zu kämpfen, und habe schlussendlich – zum Glück erfolgreich – eine Therapie gegen meine Depressionen gemacht (Shoutout an Herrn Mescher von der Median Klinik Lübstorf!).
Das und einige andere kleinere Schwierigkeiten haben dafür gesorgt, dass es schlussendlich von „Enraged“ bis „Isolacracy“ sechs Jahre gedauert hat, bis das Album fertig war. Ein Riesendank geht an der Stelle auch noch raus an Ronny Nolpa, der uns im Hell-Sound Studio ein Zuhause gegeben hat, und uns alle Möglichkeiten gibt, unsere Musik so zu produzieren, und um das zu tun was wir lieben.

Das neue Werk trägt den Titel „Isolacracy“. Was soll der Titel bedeuten und gibt es eine besondere Geschichte dazu?

Der Name kam relativ spontan, als wir auf der Suche waren nach einem Albumtitel. Mir sprang irgendwie der Film „Idiocracy“ ins Gedächtnis, wo es um eine neue Weltordnung geht, wo die Menschheit komplett verblödet ist. So viel Vertrauen hab ich aber in die Menschheit noch, dass sie auch in 1000 Jahren noch wissen, dass man Blumen nicht mit Energiedrink gießt, hehe.
Aber heutzutage kapseln sich viel zu viele Menschen immer mehr von der eigentlichen Welt da draußen ab, haben Angst, sich den Herausforderungen des Alltags und darüber hinaus zu stellen und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Stattdessen flüchtet man sich in eine Ersatzrealität mit sozialen Medien, oder rennt mit Scheuklappen (oder in unserem Fall mit Kopfhörern) durch die Straßen, und geht sämtlichen Begegnungen mit seinen Mitmenschen aus dem Weg – sei es aus Faulheit, fehlendem Interesse oder schlichtweg Angst. Diesen Knoten im Kopf möchten wir ein Stück weit aufbrechen und den Leuten zeigen: Es gibt noch eine Welt da draußen und du bist Teil von ihr. Also gestalte sie so gut es geht mit – für dich und deine Umwelt. Die Pestmaske ist weniger auf die derzeitige Corona-Pandemie gezielt, sondern soll vielmehr ein Symbol sein, für den „Schmutz“ in der Welt, der uns umgibt. Manchmal kann es auch nicht schaden, zumindest seine „emotionale Maske“ auch einmal abzulegen, und sich den Herausforderungen zu stellen – ansonsten in Zeiten von Corona: Maske tragen, Hände waschen, Abstand halten!

 

Was mir beim Anhören aufgefallen ist, dass ihr zwar von der Musik her weitestgehend den Weg des Melodic Death Metals verfolgt, allerdings finden sich neben dem üblichen Growling viele cleane Vocals. Warum habt ihr euch dazu entschlossen?

Seit ich mich zurückerinnern kann als Kind singe ich für mein Leben gern. Bevor wir damals STRYDEGOR ins Leben gerufen haben, habe ich davor auch schon größtenteils Klargesang in unseren Songs verwendet – das heißt, es war und ist ständiger Begleiter in meinem Leben. Die Entscheidung klaren Gesang auch in STRYDEGOR einfließen zu lassen kam natürlich nicht über Nacht, und auch auf „Enraged“ haben wir das in einigen Songs auch schon eingebaut. Mit dem Schritt, STRYDEGOR klanglich und musikalisch auch moderner wirken zu lassen, und durch meinen Drang nach Passagen, die man mitsingen kann, hat es sich einfach so ergeben, dass ich nun verstärkt neben dem Death Metal Growls auch Clean singe. Ich finde auch, dass es mehr Abwechslung in die Songs bringt, und genau eins wollen wir ja vermeiden: Dass wir oder unsere Hörer sich langweilen.

Von den Lyrics her geht ihr auf viele verschiedene Themen ein, aber der letzte Track heißt „Still Alive“! Bezieht sich das auf eure Band?

Ich könnte jetzt schreiben „Die Texte sind sehr persönlich“ oder so, aber zeig mir mal einen Songwriter, der nicht persönliche Songs schreibt – na gut im Pop vielleicht. Aber wie auch immer.
In der Vergangenheit war der Anspruch eher der, Erfahrungen oder Erlebnisse, in einen mehr oder weniger historischen Kontext zu verpacken, und das Ganze auf die Zeit der Wikinger zu beziehen, aber schon auf „Enraged“ hab ich mehr und mehr entdeckt, dass es in der heutigen Zeit genügend Sachen gibt, über die es sich zu singen lohnt. Auch das Interesse für nordische Mythologie war in den Anfangstagen höher, und ich habe auch heute noch einen starken Bezug zu meiner Umwelt, Familie und Natur, aber schlussendlich wollte ich textlich das, was sich schon musikalisch angedeutet hat, auch in eine modernere Schiene gehen. Die Texte handeln dabei über persönliche Gefühle und Erkenntnisse, die ich durch meine Depression erfahren habe, bis hin zu gesellschaftskritischen Themen, bis hin zur Sehnsucht zu einer harmonischeren und sicheren Welt.
Der Song „Still Alive“ spielt in gewisser Weise schon auf uns als Band an, dabei ist es eigentlich ein Coversong der schwedischen Sängerin Lisa Miskovsky – in Deutschland eher weniger bekannt – traurigerweise. Als ich 2011 das erste Mal im schwedischen Helsingborg auf einem Stadtfest war, und diese Künstlerin dort allein mit ihrer Akustikgitarre erleben durfte, wusste ich, dass dieser Song mich auf eine spezielle Weise bewegt, und so viel Tiefgang und Aussagekraft hat – umso schöner dass wir als Band den Song jetzt in ein „metallisches Gewand“ packen konnten, und wie ich finde, sehr gelungen. Hört euch das Original an – dann wisst ihr was ich meine!

Gibt es sonst noch etwas, das du mir über das Album erzählen möchtest?

Der Song „Oceans“ spielt genau über besagte Stadt Helsingborg an, in der ich mich persönlich sehr wohl fühle, jedes Mal wenn ich dort bin. Ich hoffe doch, dass es bald wieder möglich ist, dort hinzureisen. Der Titel des Intros „Beware the Beast Man“ ist kein Aufruf zum Männerhass (Habt euch lieb da draußen, hehe) – sondern tatsächlich wollten wir Originalschnipsel aus dem Film „Planet of the Apes“ einbauen, welche leider aus copyright-technischen Gründen doch dem Papierkorb zum Opfer fielen – denkt sie euch einfach dazu. Filmliebhaber wissen welche Stelle im Film wir meinen.
Ansonsten konnten wir neben unserem Freund Ronny, mit Patrick von Azrael Design, Oli von Blastbeat Productions und Lasse von LSD-Studio, das perfekte Produktionsteam um uns herum vereinen, die „Isolacracy“ zu dem machen was es ist: In unseren Augen „EIN BRETT!“

Da ich euch ja zuvor nur live erlebt habe, möchte ich fragen, welches bisher das beste Konzert für euch war?

Jedes Konzert ist für sich einzigartig und ein spannendes Erlebnis. Vor allem die größeren Festivals wie Rock unter den Eichen, Ragnarök, Wolfszeit oder auch das Metalfest Dessau (RIP) waren bisher die Highlights der Bandgeschichte. Sowohl organisatorisch als auch von der Publikumsresonanz her. Aber auch viele Clubkonzerte, wo die Stimmung so richtig eskaliert, sind uns positiv in Erinnerung geblieben. Ganz weit vorn möchte ich da das From Hell in Erfurt erwähnen (Fränky halt durch!) dem wir auch schnellstmöglich wieder einen Besuch abstatten möchten.

Und dann die gegenteilige Frage – seid ihr euch einmal irgendwo komplett fehl am Platz vorgekommen?

Naja so wirklich „Fehl am Platz“ kamen wir uns noch nicht vor. Wir spielen ja nicht bei Tante Irmtraud auf dem 75en Geburtstag bei Tässchen Kaffee und Schwarzwälder Kirsch – obwohl das sicher auch mal eine Erfahrung wert ist. Aber naja es gab auch schon Konzerte oder Geschichten drum herum, die nicht so prall liefen wie vorher halt erwartet. Wenn man zum Beispiel in einem Club voller Menschen nur auf zurückhaltende Gesichter trifft, deren einzige Bewegung ein tippender Zeigefinger am Bierbecher ist und der Applaus wie ein Strohbüschel in einem Wild-West-Film dahinweht – das ist dann teilweise schon ein wenig deprimierend. Aber wir versuchen trotzdem immer 100% zu geben, und wenn dann 1-2 im Publikum sind, die unsere Show abfeiern, dann ist das auf jeden Fall eine Bereicherung. Oder aber wenn abgesprochen ist vom Veranstalter, dass für ausreichend Platz für Bands und Crew zur Übernachtung gesorgt ist, und man sich dann in einer 20 Quadratmeter-Wohnung mit den Schlafsäcken auf den Boden legen muss – naja da muss man dann auch eindeutig besser an der eigenen Kommunikation arbeiten. Aber grundsätzlich ist es immer wieder spannend, welche Erfahrungen man so auf „Tour“ als Band so macht.

Habt ihr eigentlich schon einmal in meiner Heimat Österreich gespielt?

Ja das haben wir tatsächlich, das war auch relativ kurz nach dem Release unseres ersten Album „Back On Ancient Traces“ 2009, also wirklich schon eine sehr lange Zeit her. Ich hoffe, dass wir es dann nächstes Jahr, spätestens 2022 dann aber schaffen deiner Heimat einen Besuch abzustatten.

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?

Gesund bleiben und den Humor nicht verlieren, auch wenn es manchmal schwerfällt. Ansonsten werden wir weiterhin schauen, dass wir die neuen Songs intensiv proben, und an Möglichkeiten arbeiten, diese auch unseren Fans „Live“ zu präsentieren soweit möglich. Mit Hilfe von Kai und Markus von MDD Records haben wir auch ein starkes Label- und Promotion-Team an unserer Seite, worauf ich sehr stolz bin. Außerdem liegen ja auch schon wieder die ersten Songideen für folgende Releases auf der Festplatte, die darauf warten, dass man ihnen Leben einhaucht. Weiter am Ball bleiben, unsere Band und Musik noch mehr Leuten weltweit zugänglich machen, und die Musik spielen, auf die wir Bock haben: METAL! Das sind unsere Ziele. Wie ich finde alles machbar, oder?

Und könntest du zum Abschluss noch ein paar Worte an eure Fans bzw. unsere Leser schreiben?

Vielen Dank für dieses tolle Interview, und ich freue mich auf alle die positiven (und natürlich auch negativen) Zuschriften aus Österreich! Unterstützt Metal und eure lokale Szene, bleibt gesund und gut drauf, und wenn der Spuk vorbei ist, moshen wir wieder was das Zeug hält! Love and Peace!

Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner Fragen, und ich hoffe sehr, euch möglichst bald wieder einmal auf der Bühne zu erleben!

 

 


www.facebook.com/StrydegorOfficial

 

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