Austrias Rock Band #1 ist zurück und liefert schon, bevor man die neue Platte „Truck Tales“ einlegt, schon einen Instant-Ohrwurm. Wir sprachen mit Frontsirene Phil Vanderkill über die Entstehung des Albums, erregende Projekte und allerlei Klischees des Rock.
Hi Jungs, wie geht es euch und was tut sich aktuell in der Band nach dem Release? Ihr seid eigentlich eine waschechte Live-Band. Tut da nicht mittlerweile schon innerlich was weh?
Servus und danke, es geht uns den Umständen entsprechend gut. Klar würden wir das Album gerne on Stage feiern, andererseits heißt es jetzt erst mal gesund bleiben. Der Hälfte der Band ist das bislang sogar gelungen.
„Woohoo Trucktales!“ Wolltet ihr diesen Instant-Ohrwurm mit eurem Albumtitel erreichen? Ich kann das Album nicht einlegen, ohne an den Titelsong der Duck-Tales denken zu müssen…
Gut erkannt! Wir haben tatsächlich den Titel der von dir genannten Trickfilm-Serie verballhornt. Für uns in den 80ern Geborene waren die Abenteuer aus Entenhausen schon ein ziemliches TV-Hochamt. Zum anderen sind unsere „Truck Tales“ ein Sinnbild für das Leben als (amerikanischer) Fernfahrer, welches uns schon immer fasziniert hat: Freiheit und das auf sich allein gestellt sein „on the road“, inklusive frivoler Tête-à-têtes auf Autobahn-Rastplätzen. Da waren u.a. die „Bandit“-Filme mit Burt Reyolds eine ganz wichtige Inspirationsquelle. Man sieht also: Der Titel fußt mehr oder weniger auf dem typischen ORF-Samstag-Nachmittags-Programm anno 1989.
Seit eurem letzten Album „Riders Of The Worm“ sind schon mehr als fünf Jahre vergangen. Warum hat es so lange gedauert? Ich hörte, das Album sei schon einigen Monaten fertig gewesen. Habt ihr also gepokert, um das Material zeitnah auch live spielen zu können?
Wir waren nach „Riders…“ mit diversen Gigs beschäftigt, und durften uns dann ein Sabbatical (Entzug, Scheidungen, Knast, Netflix) gönnen. Ab 2018 haben wir dann wieder begonnen an unserer Karriere zu basteln. Zuerst produzierten wir erstmalig eine Vinyl-Veröffentlichung, und zwar eine Best Of-Compilation. Dann hatten wir unsere Einsätze als Opener auf Burg Clam für die HOLLYWOOD VAMPIRES (u.a. Johnny Depp, Joe Perry von AEROSMITH und ALICE COOPER) und 2019 für die SCORPIONS. Für das Recording von „Truck Tales“ warteten wir schließlich ab, bis unser Gitarrist Jack Power seinen Aufnahmetempel (www.jack-power.com) fertig gebaut hatte.
Soweit so gut, und als die Platte im März/April letzten Jahres in trockenen Tüchern lag stand Corona vor der Tür. Wir haben erstmal versucht das Beste daraus zu machen, und schließlich erkannt, dass viele der Großen abtauchen. Das sahen wir als Chance, weil ja die Fans trotzdem neuen Stoff suchen, und auch bei Schreiberlingen und Radiomachern das normale Tagesgeschäft weiterläuft. Somit haben wir dann so besonnen wie möglich angefangen, einen „Plan B“ für den Release zu organisieren. Das Weihnachtsgeschäft war z.B. keine Option mehr, weil wir durch die ganzen Lockdowns erstmal nicht wussten wie wir überhaupt Videos drehen sollen. Wir haben dann mit dem 22. Jänner aber glaub ich ein ganz interessantes Zeitfenster auserkoren. Neues Jahr – neues Glück sozusagen.
Apropos live. Was haltet ihr als Old-School Rocker von den Live-Stream Konzerten, die rundum im letzten Jahr einen kleinen Hyper erlebt haben?
Für uns ist es keine Option. Erstens stehen wir persönlich nicht hinter dem Konzept. Wenn ich mir sowas anschaue, dann fühle ich mich wie ein Pleitier der Onkel Dagobert beim Geldbad zusieht. Und außerdem fällt uns auch so jede Menge spannender Content ein, um die Welt von uns wissen zu lassen. Wir haben für heuer jedenfalls noch ein paar auf- und erregende Projekte in der Pipeline.
Wie zufrieden seid ihr bisher mit den Reaktionen von Fans und Kritikern?
Die Rückmeldungen waren bisweilen euphorisch. Wir haben eine unglaubliche Wertschätzung für die Platte erhalten. 2021 ist wieder ein gutes Jahr für klassischen Hardrock und Heavy Metal. Die Fans und Journalisten schätzen die Abwechslung und Kurzweile am Album. Es ist für jeden was dabei, und auch die Produktion, auf die wir bekanntlich allergrößten Wert legen, wird gemeinhin gelobt.
Wo seht ihr die Hauptunterschiede zu früheren Releases?
Wir haben das erste Mal die Drums selber aufgenommen, und außerdem hat unser Cosy endlich ein Studioalbum eintrommeln können. Es war von Anfang an ein echtes Teamwork, und die Autarkie durch Jacks eigenes Studio haben wir voll ausgenutzt.
Aus welchen Fehlern aus der Vergangenheit habt ihr bisher am meisten gelernt?
Ich will hier nicht frustriert klingen, aber für alles über 10, max. 11 Songs je Album wirst du als Künstler tendenziell abgestraft. Ich bin der Meinung, dass auf „Riders Of The Worm“ kein einziger Füller vertreten ist, dennoch wurde uns das teilweise vorgehalten. Ich glaube, ein Erfolgsgeheimnis von „Truck Tales“ liegt nun u.a. in der strafferen Songauswahl.
Klischees und Kitsch sind ebenso wie eine gute Prise Humor integraler Bestandteil des Glam Rocks. Werden diese Elemente bewusst dosiert und auch besprochen oder passiert das einfach?
Alles was mir machen ist zu 100% authentisch und kommt aus dem Bauch heraus, oder in unserem Fall besser gesagt aus den Lenden. Natürlich reflektieren wir aber über unsere Ideen bevor wir sie auf die Menschheit loslassen. Abwertende und verächtliche Inhalte wird man bei uns keine finden. In dieser Richtung leben wir uns eher bei der Band-internen Kommunikation aus. Und entsprechen gerade Kitsch und Klischee nicht oft einer schlichten Wahrheit? Oder anders: Ist unser Alltag nicht furchtbar banal? Am Wochenende mit dem E-Bike eine Runde drehen, Rabattmarkerl sammeln, die Thujenhecke schneiden, den koreanischen SUV durch die Waschstraße bewegen, € 2,50 Veltliner mit Sodastream-Sprudelwasser spritzen, etc. – sowas inspiriert nicht zu großartigem Rock n Roll sondern maximal zu einem neuen Film von Ulrich Seidl.
Wer sich näher mit uns beschäftigt entdeckt in den englischen Texten unsere Leidenschaft für Wortspiele, die wiederum einer Begeisterung für das sogenannte „Schnodderdeutsch“ entspringt. Das ist ein Sprachstil den Synchronsprecher und Dialogautoren wie Rainer Brandt und Karlheinz Brunnemann entwickelt bzw. geprägt haben. Bekannte Beispiele dafür sind die Synchronisationen diverser Bud Spencer/Terence Hill-Filme, die Fernsehserie „Die 2“, Louis de Funes-Streifen und natürlich die erwähnten Burt Reynolds-Komödien. Aber es befinden sich auch immer wieder ernstere, hintersinnige Songtexte auf unseren Alben. Ich verweise da gerne auf „Wannabe Outlaw“, „Pain In My Ass“ oder „Man On A Mission”.
Was sind in nun bald 15 Jahre SERGEANT STEEL eure Highlights und Lowlights bisher?
Zu den Hightlights gehören die jahrelange, fruchtbare Zusammenarbeit mit Michael Wagener (METALLICA, OZZY OSBOURNE, ALICE COOPER), Supports für mehrere internationale Top-Acts und Festival-Slots. Das Ganze war aber nur möglich weil wir uns menschlich gefunden haben. Die Rockszene in Österreich ist schon sehr, sehr kompakt. Von daher war es beinahe eine Fügung, dass wir uns überhaupt gefunden haben und so eng und gut befreundet sind. Die Lowlights waren vielleicht der ein oder andere Dampfplauderer, der (es waren eigentlich immer Männer) uns mit leeren Versprechungen inkompetenten Ratschlägen oder gar Abzocker-Scheisse belästigt hat.
Was hat euch alles für „Truck Tales“, sowohl musikalisch als auch lyrisch vorrangig inspiriert?
Wir waren immer der Meinung: Wenn du 80er-lastigen Hardrock und Heavy Metal machen willst, weil dich diese Musik am allermeisten emotional packt, musst die deren Wurzeln kennen und verinnerlichen. Somit haben wir uns intensiv mit Rock aus den 60er und 70er Jahren beschäftigt. Die Jungs von MÖTLEY CRÜE haben ja wahrscheinlich auch ihre ersten Joints zu „Rocky Mountain Way“ von JOE WALSH geraucht, RATT’s Warren DeMartini wurde vermutlich durch die alten VAN HALEN-Platten zum Üben animiert, und die Hälfte aller Frontgockel – mich inbegriffen – möchte es ROBERT PLANT gleichtun. Hinzu kam eine große Leidenschaft für Pop, Funk, Soul und Blues und sogar Easy Listening-Zeug. Und dann gibt’s noch ganz abseitige, für Außenstehende kaum nachvollziehbare Inspirationen wie Weltmusik-Sachen, RAMMSTEIN, Hip Hop und die E.A.V. Ich hab mir mal die Mühe gemacht, und für einen Podcast eine „Truck Tales – Inspired by“-Playlist auf Spotify erstellt. Neben den üblichen Verdächtigen wie WHITESNAKE oder auch LYNYRD SKYNYRD findet sich darin so manche Überraschung.
Die Texte waren die alleinige Domäne von Jack Power, und ich muss sagen es macht sauviel Spaß die zu interpretieren. Da ich ihn als Freund schon über zwei Jahrzehnte kenne weiß ich, dass er wirklich Ahnung von Party und Herzschmerz, aber auch ernsteren Themen wie Selbstverwirklichung und dem aktuellen Weltgeschehen hat.
Ihr habt in all der Zeit bisher nur einen Besetzungswechsel gehabt, was hält die Band bisher so gut zusammen?
Wie bereits erwähnt betrachte ich es mittlerweile wirklich als Schicksal, dass wir uns gefunden haben. Zuerst mussten wir uns aber auch mal suchen, und das nahm eigentlich ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch, bevor es überhaupt zur Bandgründung kam. Starke Musiker mit Visionen gibt es zum Glück immer mehr in Oberösterreich. Aber diese Obsession für harten Rock haben nicht mehr ganz so viele. Wir sind uns bewusst was wir aneinander haben, und das hilft auch so manche Meinungsverschiedenheit zu überbrücken und das Gemeinsame vor das vermeintlich Trennende zu stellen. Bei einem gemütlichen Bier stellt sich dann außerdem fast immer heraus, dass man sich ohnehin nur falsch verstanden hat. Auch wenn vorher schon mal die Fetzen fliegen.
Wenn es endlich wieder auf die Bühnen geht, wen würdet ihr euch wünschen, mit denen ihr die Bretter teilen könnten? Nennt bitte sowohl den Headliner als auch den Opener. Euer Slot ist natürlich der mittlere.
Ich will hier keine Namen nennen, aber als Headliner käme uns eine dieser Hype-Bands recht, die mittels Halb-Playback und schalem Witz eine abgestandene Billigheimer-Nummer abziehen. Da würden wir schön die Muskeln spielen lassen, und könnten allen Anwesenden zeigen wo der Bartl den Most holt. Als Opener hätten wir gerne eine Band mit der es Backstage entspannt und gaudig zugeht, und mit der wir auch musikalisch harmonieren. Ich denke da im Besondern an unsere Schweizer Spezis von FIGHTER V oder auch unsere Kollegen aus der direkten Nachbarschaft, RED MACHETE.
Ihr könntet jeder je ein anderes Bandmitglied in eine andere Band, egal welche, stecken. Welche Band wäre das? Ihr könnt auch selber eine Supergroup bauen?
Also den alten Hillbilly-Hippie-Hüftgold-Kauz Jack Power verleihe ich an BLACK OAK ARKANSAS. Chuck Boom sehe ich beim BILLY IDOL. Da kann er sich mit seinen Effekt-Kastln austoben, dass es einem Steve Stevens zu aller Ehre gereichen würde. Keyboarder Ben passt optisch perfekt zu WANDA, musikalisch aber eher zu YES und YUNG HURN. JAMES LAST weilt ja leider nicht mehr unter uns, aber RONNY ROXX wäre sein perfekter Tieftöner. Drummer Cosy hätte gute Chancen als Solokünstler. Ich sehe schon die Diskografie vor mir: „Die schönsten Faustschläge vom grantigen Watschenmann“, „Neues vom grantigen Watschenmann“ und „Ein Strauss voll bunter Watschen“. Ich persönlich begnüge mich mit einem Posten als Background-Sängerin (sic!) bei den AMIGOS.
Ihr bezeichnet euch als Österreichs Hard Rock Band Nr. 1 – wer belegt denn aktuell eurer Meinung nach Platz 2 und 3?
Jetzt mal unter uns Betschwestern: Das ist natürlich schon ein bisserl ein Marketing-Gag. Jeder weiß, dass die Plätze 1 bis 100 der ANDREAS GABALIER belegt.
Was steht bei euch als nächstes an? Wird eine Release-Show nachgeholt… und sei es 2044?
Leider hab ich gerade meine Kristallkugel nicht zur Hand. Wahrscheinlich müssen wir bis zum Ende der Pandemie gleich Release-Shows für mehrere Alben nachlegen, die bis dahin entstanden sein werden.
Gibt es noch etwas, was ihr den Fans erzählen wollt?
Seid lieb zu eurer Mama!
Dann danke ich für das Interview und hoffe auf ein baldiges Live-Treffen!