Wie Gargantua im Größenwahn gebadet

Die KRANKHEIT ist in Salzburg bereits 2011 ausgebrochen und bescherrt uns Symptome aus Industrial, Metal, aber auch der guten alten Klassik. Wie man sich diese eingefangen hat, erzählt uns Mitbegründer und Sänger Chris Präauer im sehr interessanten Interview!


Eine makabere Darstellung der drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagenChris


krankheit interview

 

Hi Chris, euer Album „Gargantua“ ist schon einige Zeit auf dem Markt und ihr konntet sicher das Material schon live ausgiebig präsentieren. Wie geht es euch jetzt damit?

Hi. Ausgiebig wäre etwas übertrieben. Die Konzertsituation ist nach wie vor sehr durchwachsen und angespannt. Bei den Konzerten vom letzten Jahr konnten wir natürlich ein paar Nummern präsentieren, noch bevor das Album erschienen ist. Die neuen Songs wurden sehr gut angenommen.

Könnt ihr KRANKHEIT kurz für die, die euch noch nicht kennen vorstellen?

Gegründet hat sich die Band 2011. Damals noch als Trio, angelegt mit Synths und Keyboards anstatt von Gitarren. Es war dann schnell klar, dass wir diese in unserem Sound dabeihaben wollten und somit waren wir anfangs noch zu viert. Im Jahr 2012 ist dann Roy als Gitarrist dazu gestoßen und die anderen beiden Mitglieder haben die Band aus privaten Gründen verlassen. Seitdem waren wir als Trio unterwegs. Charakteristisch für den Stil der Band ist es, alte Stücke und Melodien vergangener Epochen (z.B. Mozart, Beethoven, Brahms u.a.) wieder auferstehen zu lassen und diese mit dem ureigenen KRANKHEIT-Sound zu vereinigen. Durch Touren und Konzerten mit Bands wie NACHTBLUT, OST+FRONT, MEGAHERZ uvm. haben wir uns dann erste Bekanntheit in der „Schwarz- und metallischen“ Musikwelt erarbeitet. Roy hat die Band 2021 verlassen und seit letztem Jahr ist Mäx der neue Mann an der Gitarre.

Wie ist die Band entstanden und worauf bezieht ihr euch beim Bandnamen bzw. gibt es da überhaupt eine tiefere Bedeutung dahinter?

Angefangen hat alles eigentlich als Tony seine damalige Band STILLES WASSER  aufgelöst hat und nach Bandmitgliedern für eine Gothic Rock Band suchte. Als Kunde seines Shops wurden mir Flyer dafür in die Hände gedrückt. Dilettantisch habe ich mich als „Sänger“ angeboten. Begründet auf meiner tiefen Stimme. So kam eines nach dem anderen und wir begannen die verschiedenen Einflüsse, die KRANKHEIT haben sollte, Stück für Stück zusammenzutragen. Der Name entstand dadurch, dass ich das Wort in einem Song hörte und mir dachte „Krankheit“ wäre doch ein guter Name für eine Band. Witzigerweise gab es zu dem Zeitpunkt keine Band mit dem Namen. Somit haben wir das beansprucht und unser Konzept darum gestrickt.

Ihr setzt neben NDH, Industrial und diversen Metal-Einflüssen auch auf klassische Musik und Bombast. In Kombination dazu habt ihr eine sehr interessante Bühnenshow. Wie schwierig ist es, das Material so in der Art auf die Bühnen zu bringen?
Apropos Klassik. Wie kam die Idee sich an bekannten Komponisten zu orientieren und wie entstehen diese doch komplexen Songs bei euch?

Ich denke nicht schwieriger als ein anderer Song. Man muss fleißig üben dann funktioniert das. Wir mögen das. Ich wollte immer orchestrale Elemente dabeihaben, weil ich ein großer Fan von Musiksoundtracks dieser Art bin. Tony hört selbst sehr viel Klassik, von daher war das dann das Treffen in der Mitte. Wir haben uns aus dieser typischen Neue Deutsche Härte-Spielart noch mehr in Richtung Symphonic Metal bewegt. Aber eben in dunklerer Form. Viele Stücke haben eine gewisse Stimmung und wir wollten diese noch etwas mehr untermauern und einen neuen Stil hineinbringen. Nicht nur durch bloßes Nachspielen der Akkorde, sondern gezieltes Einpflanzen, als wäre es unsere eigenen Stücke. Es ist eine Herausforderung. Man limitiert sich durch die originale Struktur des Songs und muss es dann schaffen, sich dort einzufügen und sich musikalisch in den Song zu integrieren. Wir wählen dann Songs aus, die wir bearbeiten wollen und setzen die Arrangements Stück für Stück zusammen. Tony macht die Midi-Daten für die orchestralen Teile und die Drums. Dann wird Gitarre und Text daran angepasst bis der Song in unseren Augen, eher Ohren, fertig ist.

Habt ihr sonst Vorbilder oder bewusste Einflüsse bzw. was haltet ihr von RAMMSTEIN-Vergleichen?

Tony kommt eher aus der klassischen Richtung. Farinelli, Kammermusik und dergleichen. Aber auch Bands wie PINK FLOYD und BLACK SABBATH, METALLICA usw. sind Teil seines musikalischen Werdeganges. Meine musikalischen Ursprünge habe ich definitiv im 90iger Anfang 2000er Industrial/New Metal gefunden. Eben Bands wie RAMMSTEIN, KORN, MARILYN MANSON, SLIPKNOT usw. Aktuell höre ich sehr gerne atmosphärische, doomige Geschichten und Soundtracks von Spielen und Filmen, aber auch gerne mal was Richtung Black. Mit einer der erfolgreichsten Bands unserer Zeit verglichen zu werden sehe ich nicht negativ. Wer genauer hinhört wird sehr schnell erkennen wo wir uns unterscheiden und dass wir weniger wie RAMMSTEIN sind, als manche glauben.

Worum geht es in „Gargantua“ bzw. was sind generell eure Einflüsse bei den Texten?

Thematisch haben sich viele Themen in den letzten Jahren angesammelt, die wir unter dem Namen „Gargantua“ vereinen wollten. Die Bücher über „Gargantua“ stellen schon einen satirischen Umgang mit der damaligen Gesellschaft dar. Ich finde das auch heute noch sehr passend. Wir sind sehr resistent darin aus Fehlern zu lernen, noch haben wir den Mut Fehler zu machen, ohne gleich dafür auf dem Galgen zu landen. Ich denke, „Gargantua“ trifft das sehr gut, da wir uns in ähnlichem Größenwahn baden und vollends in ihm auf- bzw. untergehen. Einflüsse können überall auftreten. Eigentlich das ganze Leben. Das kann von Erlebnissen bis hin zu erdachten Szenarien gehen. Alles kann, nichts muss.

Ein Text ohne doppelten oder mehrfachen Boden, ist nur eine Meinung. PropagandaChris

Und wie passt das Artwork dazu?

Auf dem Artwork sieht man Auge, Ohr und Zunge auf einem blutigen Teller. Eine makabere Darstellung der drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Auch unser Makeup mit den Adern ist daran angelehnt. Es spiegelt genau diese Dreifaltigkeit wider. Auf den Bandfotos verspeisen wir diese. Welches Bild sich dadurch ergibt überlassen wir den Betrachtern. Bei „Gargantua“ von Rebelais geht es einerseits um Völlerei und Gier. Wir wollten das aber nicht direkt bildlich darstellen und haben uns gefragt, wie wir das mit unserem Gesamtkonzept verbinden können. Auf eine subtile und doch markante Art und Weise. Das Ergebnis kann man jetzt ja sehen.

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Wann kann man euch mal wieder live antreffen? Gibt es bereits Pläne für 2023?

Aktuell leider nur zwei Möglichkeiten. Einmal beim „Innrock Festival“ am 02.08.2023 in Tirol und am 16.09.2023 beim „Lake Rock Festival“ in Salzburg. Wir arbeiten gerade daran Ende dieses, bzw. nächstes Jahr wieder mehr im Live-Sektor zu machen. Aufgrund der „Corona Nachwirkungen“ und der aktuellen Inflation, gestaltet sich das alles jedoch nicht sehr einfach.

Mit Wormholedeath arbeitet ihr mit einem Label aus Kalifornien zusammen. Wie ist diese Kooperation entstanden? –> Kleine Korrektur. Das Label kommt aus Italien.

Der Kontakt kam über Tony. Wir haben Carlo einen Song vorgestellt und er war sofort begeistert und wollte mit uns arbeiten. Im Prinzip zusätzliche Promo Arbeit und Logistisches. Es bleibt trotzdem noch sehr viel Arbeit bei der Band. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass man mit einem Label weniger Arbeit zu machen hat. Im Gegenteil. Gerade dann heißt es Gas geben und ran. Die Zusammenarbeit läuft sehr gut und wir sind ebenfalls gespannt was da noch so kommen wird.

Und wie seit ihr zu den kolumbianischen Black Metallern THY ANTICHRIST gekommen, die ja bei einem Song mitwirken?

Ich habe Andres über die Tochter meines Schlagzeugers kennengelernt und wir haben uns über Musik unterhalten. Ich fand Andres Vocals sehr einzigartig und ich fragte ihn ob er nicht in seiner Muttersprache ein paar Zeilen für den Song einsingen möchte. Quasi die zweite dämonische Seite neben mir. Andres willigte sofort ein und wir stehen seitdem in Kontakt. Wir finden, das hat den Song noch einmal auf eine weitere Ebene gebracht.

„Ave Maria“ neu zu gestalten, ist mutig. Gab es da Gegenwind – bzw. tauchen bei Themen und Texten, wie ihr sie nutzt ja gerne mal Kritiker auf – hattet ihr da „Probleme“?

Das „Lustige“ an dem Song ist, dass ich beim originalen Text nur ein paar einzelne Wörter verändert habe. Für mich hat sich dann aus dem Gebet, ein Gespräch eines jungfräulichen Freiers mit seiner Hure ergeben, der sie darum bittet, ihm doch endlich seine Jungfräulichkeit zu nehmen. Was wir sehr spannend fanden. Der Song macht einfach sehr viel Spaß und bleibt trotz seiner Laufzeit, von mittlerweile unüblichen über 6 Minuten, trotzdem spannend bis zum Schluss. Es wird mit Sicherheit Leute geben, die das nicht gut finden. Aber so viele haben sich noch nicht gemeldet. Das wird sich dann erst zeigen, wenn wir eine noch größere Reichweite haben. Nein. Direkte Probleme nicht. Den ein oder anderen „Troll“ gibt es immer wieder, aber das ist uns gleichgültig.
Ein Text ohne doppelten oder mehrfachen Boden, ist nur eine Meinung. Propaganda.
Wenn es keine Möglichkeiten mehr gibt, falsch verstanden zu werden, passt meiner Meinung nach etwas nicht.

Bei euren Live-Shows gebt ihr euch, wie anfangs erwähnt ja sehr Mühe bei den Outfits und MakeUp usw. – ich gehe davon aus, dass das mit Tonys Shop zu tun hat? Könnt ihr da zur Entstehung eurer Bühnenshow mehr erzählen?

Anfangs ja, da wird die Outfits aus dem Shop bezogen haben. Aktuell wurde das Outfit von „Gink Gwandl“ hergestellt. Der viel in der „Krampus–Szene“ unterwegs ist und dort die Passen mit Outfits ausstattet. Für mich waren immer Bands interessant, die einen roten Faden haben und eine Geschichte erzählen. Viele davon werden dann auch optisch untermauert. Beispiel, MANSON, SLIPKNOT, RAMMSTEIN, ALICE COOPER usw. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Von daher würde ich das auch in unserem Fall nicht trennen. Wir sind alles in einem. Es ist ein Gesamt Spektakel.
Deshalb war für uns immer klar, dass wir unsere Musik auch visuell darstellen wollen.
Die Show wird sehr genau geplant und weiter verfeinert. Das macht uns und den Leuten Spaß.

Was würdet ihr als bisherige Hochs und auch Tiefs in der Zeit von KRANKHEIT beschreiben?

In diesen Kategorien will ich gar nicht denken. Für mich gibt es so etwas nicht. Das Leben ist dynamisch und alles bringt einen dazu zu lernen, hoffentlich. Mal geht es auf, mal geht es ab, wichtig ist, dass es nach vorne geht. Stillstand bedeutet Tod.

Ich danke euch für die Zeit, möchtet ihr noch etwas loswerden?

Erstmal vielen Dank für das Interview und die großartige Review. Unser neues Album ist jetzt veröffentlicht und wir wollen alle einladen mal reinzuhören. Wir spinnen bereits erste Gedanken um einen Nachfolger von „Gargantua“ und werden mal 2024 ins Auge fassen, wie sich die Lage mit den Touren entwickelt. Alle Infos rund um die Band und alles was so ansteht findet man auf unserer Website und den Social-Media-Kanälen.

 

 


Band-Links:

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Band-Biografie (Quelle Wikipedia)
Krankheit ist eine im Juli 2011 gegründete Metal-Band aus St. Johann im Pongau im österreichischen Bundesland Salzburg. Im Sommer 2011 gründeten Anton (Tony) Gassner und Christian Präauer die Band Krankheit. Bald schon komplettierten Pearcy Haubenwaller am Keyboard und Dave Knoll an der Gitarre die Band. Die erste EP Menschenfänger erschien am 11. November 2011 unter kompletter Eigenregie. Mehr auf: Wikipedia
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