Am Montag, den 5. Juni beehrte die sechsköpfige Band aus Houston Texas im Rahmen ihrer extensiven Europatour auch die Coco Bar in Wien. Diesmal war der Auftritt der Streetrock’n‘ Roller LIBERTY & JUSTICE noch eher ein Geheimtipp. Denn nach dem SBÄM Fest, am Wochenende davor, dem konkurrierenden Auftritt der HC Punk Helden THE BRONX nur wenige hundert Meter weiter im B72, sowie der anstehenden Nova Rock Woche, hatte man einen schweren Stand und nur einige Eingeweihte fanden den Weg ins Wiener Gürtellokal. Auch ich selbst kam leider erst verspätet an und so versäumte ich leider den Auftritt der lokale Truppe PILLOWS OF POWER, und auch die zweiten Vorband D.R.D., die engagiert wütenden Crustpunk zum Besten gaben und genehmigte ich mir nach dem langen Tag noch gemütlich mit einem Bier von der Bar aus.
Nach ein paar Stretching Übungen und kurzen Line In-Check betraten die fünf Herren dann die Bühne und Sänger Ryan Parker okkupierte mit seinem Mikro gleich einmal den schmalen Raum vor der Bühne. Und dann brach der kontrollierte Wahnsinn über die Coco Bar herein. Die Band, die vor allem mit einer grandiosen Rhythmusfraktion zu glänzen wusste, rockte unwiderstehlich und druckvoll nach vorne, während Ryan am Mikro mit seiner ganz speziellen Art die Texte zu intonieren mit einer unglaublichen Energie, in seinen Doc Martens-Boots vor der Bühne auf und abwetzte und damit der Band ihre sympathische Unberechenbarkeit und verleiht.
Selbst bezeichnen LIBERTY & JUSTICE ihre hochexplosvie Mischung aus Oi! Punk, Hardcore, Streetpunk und Rock als „Immigrant Rock ‚n‘ Roll“, wie aber auch im Livesetting unschwer zu erkennen, tragen bis auf den Drummer – der aussieht als würde er für eine 80er Glamrock Band in die Felle dreschen – teils schwer tätowierte Glatzen und die Band macht keinen Hehl aus der eindeutigen Zuordnung zur Skin und (American) Oi! Szene, wobei sie nicht nur in ihren Video sehr explizit Position gegen Rechts und Rassismus beziehen, besteht doch ein Großteil der Band aus Mitgliedern diverser nordamerikanischer Minoritäten.
Gepaart mit ihrem Auftreten und dem aggressiven, wütenden Lyrics von Frontderwisch Ryan strahlen die Working Class Punks eine gewisse Gefährlichkeit aus, die man im heutigen Punk-(rock) allzu oft (schmerzlich) vermisst.
Recht bald zeigt sich die beachtliche musikalische Vielseitigkeit der Band, so gab es von im HC Punk verwurzelten Krachern wie „Mad World“ oder „Never Enough“ die zum wüsten Pogo laden, über das von Surfgitarre und Off-Beat getragene „Not Economically Viable“, bis hin zu geschickt ins Set eingewobenen Cover Songs. Wie die brutal gelungene Version von „Hang With Me“ der schwedischen Popsängerin ROBYN, das sie scheinbar spielend zu einem LIBERTY & JUSTICE-Songs machen oder das recht nahe am Original rockende „Fatique“ von den Oi! Legenden BLITZ!. Und das als ob ja ohnehin nicht schon Krachern wie „Halfway Home“ vom 2022er Album „Pressure“, für dessen Mainriff wohl zahllose (Indie-)Rockbands töten würden, oder das wütende wie eingängige „Battle Scars“ glänzten, sowie der sich in die Gehörgänge bohrende Ohrwurm „Solitary Confinement“ für ausgelassene Stimmung sorgten und die Hymne „Dave Wells“ zum Mitgröhlen einluden.
Kurzum ein mitreißender Auftritt, der auch ob der Intensität wie im Flug zu vergehen schien. Die hörbar begeisterten Anwesenden ließen die Truppen aber nicht in die Nacht entfleuchen ohne laustark eine Zugabe zu fordern, bei der dann – auf Publikumswunsch – auch das alles niederreißende „A New Town“ zum Besten gegeben wurde und einen würdigen Schlusspunkt hinter ein Konzert setzte, das mit Sicherheit zu den Livehighlights des Jahres 2023 zählen wird. Natürlich war es nicht nur für die Band, sondern auch die engagierten Veranstalter Musikjunkie Recordings und Cityrat Records/Booking ein wenig schade, hätte so ein Act doch deutlich mehr Publikum verdient.
Aber LIBERTY & JUSTICE werden nicht nur bald wiederkommen, wie mir Sänger Ryan nach der Show versicherte, sondern mit Sicherheit das letzte Mal in ein solch einer kleinen Location in Wien gespielt haben – zu gut sind ihre Songs, zu mitreißend ihre Shows um sich nicht bald in die Herzen eines größeren Publikums zu spielen.