Absolute Elsewhere
(Death Metal)
Label: Century Media
Format: (LP)
Release: 04.10.2024
Seit 2011 verschiebt die in Denver, Colorado gegründete Death Metal Band BLOOD INCANTATION die Grenzen des Genres. Nach einigen Demos, einer EP und einer Split EP mit SPECTRAL VOICE, bei der drei der vier Mitglieder selbst auch an den Instrumenten stehen, schlug das erste Album „Starspawn“ ein wie eine Bombe. Der Old-School Death Metal gespickt mit experimentellen Passagen strapazierte schon damals die Ohren vieler Puristen, die aber niemals die technische Versiertheit der vier Mitglieder ignorieren konnten. Für eben jene repräsentierte der zweite Longplayer “Hidden History Of The Human Race” noch einen viel größeren Affront gegenüber dem Genre. Von Cosmic Death Metal wurde geschrieben, denn die Experimente wurden extremer und das Sci-fi Thema in den Lyrics weiter ausgebaut. Das Album rangierte in den Best-of Listen des Jahres 2019 fast überall auf den ersten Plätzen.
Drei Jahre lang wurde es etwas ruhiger um das Quartett, bis komplett unangekündigt eine EP namens „Timewave Zero“ auf den Markt geworfen wurde. Das Staunen aber auch der Unmut nach dem ersten Hördurchgang war kaum zu überbieten. Auf 40 Minuten wurde ein reines Ambientalbum präsentiert, das durchaus zurecht die Frage zurückließ, wer nun eigentlich die Zielgruppe dafür sein sollte. Trotz allem muss man auch hier zugutehalten, dass es eine besondere Band braucht, die im Jahr 2022 ein derartiges Machwerk auf den Markt bringt. In Zeiten in denen Musikerkarrieren nicht mehr finanzierbar waren, ist es ein großes Risiko dem Hype, den man über Jahre aufgebaut hat, einfach den Mittelfinger zu zeigen.
2024 kommt nun der dritte Longplayer „Absolute Elsewhere“ in die Läden, und wer glaubt es ist eine Rückkehr in Richtung Album Nummer zwei oder ein weiteres Ambientstück wird nach einige Sekunden von der Wucht weggeblasen. Zwei Longtracks, beide über 20 Minuten lang, auf der digitalen und CD-Fassung in jeweils drei Stücke unterteilt, präsentieren eine Band, die Death Metal neu denkt, neu schreibt und komplett neu definiert.
Der erste Song “The Stargate [Tablet I]” erstickt mit seiner old-schooligen Death Metal Wucht in den ersten Minuten jeglichen Kritiker und drückt das: „Ich habe doch schon immer gesagt, dass die nur Hipster Metal sind“, tiefer in die Kehle hinein. Nach knapp zwei Minuten kippt das Stück in einen Ambientraum mit Synthie-Klängen und Harmonien. Doch die wohlige Stimmung kippt nach 5:30 Minuten in einen Sturm. Die Wände färben sich schwarz und die Gewalt von BLOOD INCANTATION und das Gebrüll von Sänger Paul Riedl dringen bis in die Seele vor: „All life is suffering that basks in nothingness. All life is temporary, what lasts is consciousness.“
Mit Unterstützung von Thorsten Quaeschning von TANGERINE DREAM windet sich das fast reine Intrumentalstück „[Tablet II]“, welches erst zum Ende hin durch Gitarren und Schreie die Tür zu „[Tablet III]“ aufmacht. Ein erneutes Death Metal Monster, bei dem wie auch am Rest des Albums alles passt. Alle Instrumente sind zu hören, die Stimme brüllt, doch nichts ist zu sehr im Vordergrund. Der Mix von Arthur Rizk (u.a. CRYPTA, GO AHEAD AND DIE, ENFORCED) am Mischpult ist phänomenal. Am Ende schreit Paul Riedl: „Open the Stargate“.
Würde das Album hier enden wäre es schon ein Meilenstein des Jahres. Doch der zweite Part „The Message [Tablet I, II und III]“ treibt die progressive Genialität dieser Band in eine neue Höhe. Wer hier in „The Message [Tablet II]“ nicht PINK FLOYD im Mittelteil erkennt hat Rockgeschichte verpasst. Was schlicht und einfach festgehalten werden muss: Das Songwriting ist wie von einem anderen Stern.
Die Frage ist, was dieses Album darstellt und was davon bleibt? Es gibt derzeit wohl kaum eine (Metal-)Band, die es derartig harmonisch schafft, Stile auf diese Weise zu verbinden und organisch ineinandergreifen zu lassen. An anderer Stelle wurde geschrieben, das Album hört sich nach einem 70er Jahre Prog Album, eingespielt von MORBID ANGEL, an. Das kann man nur bestätigen und es hört sich atemberaubend an. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl lose aneinandergereihte Songstrukturen zu hören, sondern immer nur ein großes Ganzes. BLOOD INCANTATION sind nicht nur eine Band, die die Grenzen eines Genres überschreitet, sondern sie reißt sie ein und machtsich gar nicht die Mühe sie wieder aufzubauen. Denn es braucht keine Grenzen im heutigen Metal.
Wer glaubt, dass Death Metal in 2024 nur wie SIX FEET UNDER zu klingen hat, sollte sich mit Musikgeschichte befassen. Denn es braucht Bands wie BLOOD INCANTATION, um jene immer weiter zu schreiben! Verpasst diese Truppe nicht im Juni 2025 in der Szene Wien!
Autor: Michael
Tracklist „Absolute Elsewhere“:
1. The Stargate (Tablet I)
2. The Stargate (Tablet II)
3. The Stargate (Tablet III)
4. The Message (Tablet I)
5. The Message (Tablet II)
6. The Message (Tablet III)
Gesamtspielzeit: 43:43
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