Also wenn sich im Posthof was metallisches tut, dann muss man da wohl hin. In Linz fühlt man sich mittlerweile ja fast verwöhnt, wenn mehr als drei größere heavy Konzerte in der Stahlstadt im Jahr stattfinden. Doch wenn die Legende NAPALM DEATH im Zuge der Campaign For Musical Destruction Tour und dazu auch noch CROWBAR in die Nähe kommen, dann kann man sowieso kaum nein sagen. Und so war es ein wunderbares Grind-Fest mit alten und neuen Bekannten, sowie einer großartigen Stimmung.
Doch von vorne. Den Anfang machten die Amis von BRAT, die sich erst vor gut fünf Jahren um die charismatische Frontbrüllerin Elisabeth „Liz“ Selfish während des Madi Gras formierten. Mit zwei EPs und der im letzten Jahr veröffentlichten Debüt-Full-Length „Social Grace“ hatte die Truppe aus New Orleans schon einiges an starkem Material dabei.
Mit viel Groove, aber sonst ohne große Kompromisse ballerte man die Mischung aus Grind, Death Metal und Powerviolence aus allen Rohren. Mit sympathischen Ansagen und energischer Performane führte die Fornterin gekonnt durchs Programm, wurde immer wieder von Gitarrist Brenne Moate, der eine etwas höhere Brüll-Lage, als die Frontdame an den Tag legte. Das Highlight waren aber auf jeden Fall die Samples, die man nur live vor einigen Songs präsentierte.
Sei es eine Disco-Version von „Everytime We Touch“ (eventuell kennen die Dame und Herren die ELECTRIC CALLBOY Version noch nicht, „Dancing Queen“ oder „Hit Me Baby One More Time“. Diese Pop-Einlage wurden lautstark mitgesungen, das Publikum tanzte dazu und Liz zeigte gekonnt ihre Cheerleader- und Dance-Moves, inklusive hochgeworfenem Bein, auf dem Liz sogar ein Luft-Gitarren-Solo spielte und sich mit dieser verrückten, aber effektiven Performance in Kombination mit dem tighten Bandsound in die Erinnerung der Linzer prügelte. Mit „Barracuda“ von HEART gab es zudem noch ein sehr unterhaltsames Cover, dass man kaum wiedererkannte.
Setlist BRAT:
Bought The Farm
Road Drag
Barracuda (HEART)
Human Offense
Hesitation Wound
Social Grace
Mean Is What We Aim For
Blood Diamond
Truncheon
Slow Heat
Chain Pain
Es folgten die ebenfalls aus den Staaten stammenden Herren von FULL OF HELL, die etwas traditionelleren, beziehungsweise besser zum Mainact passenden Grindcore ablieferten. Dabei fiel vor allem Sänger Dylan Walker, der mit seinen Kollegen 2009 ins Grindgeschehen startete, auf. Nicht nur, dass der Mann ein mächtiges Organ hat, auf seinem Tischchen war allerlei, schwer erkennbare, Technik versteckt. Zwischendurch holte er ein kleines Synthie-Gerät raus in das er rein blies und atmosphärische Sounds erzeugte. Ansonsten blieben aber auch FULL OF HELL recht kompromisslos – auch wenn sich ein MELVINS Cover einschlich – und ballerten ihre kurzen wie kurzweiligen Grind-Geschosse raus, webten aber auch immer wieder ein paar Death Metal und Noise-Elemente in ihren Sound. Auch hier ging das Publikum im schon sehr gut gefüllten großen Saal des Posthofs mit steil und die Bühne war somit mehr als geebnet für die beiden Headliner.
Setlist FULL OF HELL:
Deluminate
Asphyxiant Blessing
Pile Of Dead Horses
Pool
Transmuting Chemical Burns
Crawling Back To God
Amber
Schizoid Rupture
Burning Apparition
Oven (MELVINS)
Bone CoralAnd Brine
Gelding of Men
Eroding Shell
Coagulated Bliss
Garden Of Burning Apparitions
Klar, wer CROWBAR sagt, muss auch Kirk Windstein sagen. Und sympathisch ist die mittlerweile fast 60-jährige Legende, war dieser auch prompt vor der Show am Merch zu finden und ließ sich zu Gesprächen und Fotos hinreißen – dabei brachte er offensichtlich nur kurz dem Merch-Personal Proviant. Auf der Bühne gab sich der gebürtige Brite, der ebenfalls in Lousiana sein zu Hause hat, was vielleicht erklärt, wie BRAT zu ihrem verdienten Support-Slot kamen, cool und souverän wie eh und je.
Gemeinsam mit langjährigen Weggefährten (nur Shane Wesley stieß erst 2018 zu den Legenden), zockte man routiniert sein Programm runter, gab sich eher wortkarg und ließ den verdammt fetten Sludge-Sound für sich arbeiten. Und der wirkte wunderbar, denn die Fans waren gebannt, der Jubel zwischen den Tracks enorm und Must-Plays wie „Like Broken Glass“, „All I Had (I Gave)“, „Negative Pollution“ oder das heftige Southern-Sludge Geschoss „To Built A Mountain“, die schwermütig vom Leben, dem Glauben, Depressionen oder dem Tod selbst handeln, war dementsprechend enorm.
Große Überraschungen brauchte man sich nun nicht erwarten, doch Kirk konnte die Fans zumindest kurz zusätzlich verzaubern, in dem man mit Shane Embury, der plötzlich zu „High Rate Extinction“ auftauchte, eine weitere Legende auf die Bühne holte und mit ihm gemütlich einen Song zockte. Der Mann „…needs no intro“, wie Kirk verkündete, doch wer Lust auf mehr Informationen zum NAPALM DEATH Groove-Monster hatte, der konnte sich am Merch seine Biografie für gesalzene 50€ mit nach Hause nehmen, diese aber dann handsigniert in die Vitrine stellen. Trockener, aber verdammt fetter Sound, trockene Ansagen, doch definitiv keine Trockenen Fans. Schweiß, Bier und vielleicht sogar etwas Blut könnte da im Mosphit schon vergossen worden sein.
Setlist CROWBAR:
To Build A Mountain
Conquering
I Feel the Burning Sun
Chemical Godz
Negative Pollution
High Rate Extinction
The Cemetery Angels
Planets Collide
Like Broken Glass
All I Had (I Gave)
Die Pausen waren moderat und auch NAPALM DEATH ließen sich nicht lange bitten um ihr abgefahrenes Grindfeuerwerk abzufeuern. Barney stürmte wie gehabt, energisch, quirlig und voller Energie auf die Bühne. Gefühlt noch dürrer als sonst schon, war der Mann sonst aber in bester Form und scheint weder stimmlich noch optisch großartig altern zu wollen.
Und so geht es auch mit ihren Songs, denn egal ob das legendäre „Silence Is Deafening“, das unausweichliche „Scum“, das 1-Sekunden Highlight „You Suffer“ oder neuere Tracks der Marke „Amoral“ und „Fuck The Factoid“ – alles passte wunderbar zusammen und sorgte für gewaltig Stimmung.
Obwohl die Band mittlerweile 35 Jahre auf dem Buckel hat, scheint kein Klassiker an Durchschlagskraft oder Relevanz verloren zu haben. Mag sein, dass man sich in den letzten Jahren etwas mehr aus dem Komfortzone traute, doch der NAPALM DEATH Sound zog sich perfekt durch das Set und wurde auch nicht durch das legendäre DEAD KENNEDYS Cover „Nazu Punks Fuck Off“, das lautstark mitgebrüllt wurde, unterbrochen, ehe „Unchallenged Hate“ das Set würdevoll nach etwas mehr als einer Stunde beendete.
Zwischendurch haute Barney kurze Ansagen raus, meist mit leicht verschmitztem Lächeln, aber auch ernste Themen, wie eben Rassismus,Faschissmus und genrell politischen Missständen, sind nach wie vor Herzensangelegenheit, des stimmgewaltigen Briten, der abseits der Songs diese unglaubliche britische Nettigkeit in der Stimme hat.
Setlist NAPALM DEATH:
Multinational Corporations, Part II
Silence Is Deafening
Lowpoint
Vision Conquest
Contagion
Twist the Knife (Slowly)
Resentment Always Simmers
Narcoleptic
When All Is Said and Done
Amoral
The World Keeps Turning
Retreat To Nowhere
Social Sterility
Dead
Suffer The Children
Pride Assassin
Necessary Evil
Backlash Just Because
Fuck The Factoid
Scum
Prison Without Walls
You Suffer
Nazi Punks Fuck Off
Unchallenged Hate
Mag sein, dass Grindcore-Konzerte durch ihre Kürze und Kompaktheit nur so an einem vorbeiziehen, doch NAPALM DEATH hinterließen sowohl bei eingesessenen Fans, als auch bei doch überraschend vielen jungen Anwesenden einen gewaltigen Eindruck. Aber auch der Rest des Tourtrosses passte perfekt, ließ keine Wünsche offen und ist in Linz definitiv wieder gern gesehener Gast. Danke Posthof, dass ihr solche Abende wieder forciert!
Autor: Max Wollersberger
Fotos: Anthony Seidl