Halloween in Wien – und was für eines! Düster, atmosphärisch, emotional: Drei großartige Bands verwandelten die SimmCity im Zuge der Ascension Of Europe Tour an diesem Abend in einen Tempel des Gothic- und Doom-Metals. Mit LACRIMAS PROFUNDERE, MESSA und den legendären PARADISE LOST stand ein Line-Up auf der Bühne, das sowohl musikalisch als auch stimmungsmäßig kaum Wünsche offenließ.
Den Auftakt machten LACRIMAS PROFUNDERE, die mit ihrem gewohnt elegischen Gothic Rock. das Publikum sofort in ihre Welt aus Schmerz und Sehnsucht entführten. Die Setlist, vorrangig bestehend aus Highlights der neueren Schaffensperiode, war perfekt gewählt, um die Stimmung des Abends einzuleiten.
Sänger Julian Larre präsentierte sich stimmlich einmal mehr in Topform – charismatisch, melancholisch und mitreißend. Die Gitarrenarbeit von Oliver Nikolas Schmid, der die Band seit Jahrzehnten prägt, glänzte durch Atmosphäre und Gefühl. Vor allem bei „Ave End“ kam Gänsehautstimmung auf – eine emotionale Reise, die perfekt in den düsteren Abend passte.
Setlist LACRIMAS PROFUNDERE:
Like Screams In Empty Halls
A Cloak Woven Of Stars
To Disappear In You
The Kingdom Solicitude
An Invisible Beginning
Unseen
Ave End
Father Of Fate
Die italienischen Doom-Magier MESSA, die ich bereits zuvor in der intimen Atmosphäre des KAPU erleben durfte, zeigten auch in der größeren SimmCity, dass ihre Musik nichts von ihrer hypnotischen Wirkung verloren hat.
Sängerin Sara Bianchin zog das Publikum mit ihrer außergewöhnlichen Stimme und fast rituellen Bühnenpräsenz sofort in den Bann. Die Kombination aus jazzig-verträumten Passagen, wuchtigen Doom-Riffs und orientalischen Klangfarben, entfaltete live eine unglaubliche Intensität. Besonders „Immolation“ und „Thicker Blood“ sorgten für Gänsehaut – selten erlebt man eine Band, die so elegant zwischen Schönheit und Abgrund balanciert.
Was MESSA von vielen Genre-Kollegen unterscheidet, ist ihre völlige Hingabe an Atmosphäre und Dynamik. Kein Ton, keine Bewegung wirkt beliebig – alles ist Teil eines Rituals aus Klang und Gefühl. Während Gitarrist Alberto und Bassist Marco die Klangwände majestätisch aufbauten, füllte Sara mit ihrer Stimme jeden Winkel des Raumes. Man hatte das Gefühl, einer spirituellen Messe beizuwohnen, in der Doom, Blues und Jazz zu einer fast magischen Einheit verschmelzen. Ein Auftritt, der nicht nur musikalisch, sondern auch emotional nachhallte – und für manche vielleicht das geheime Highlight des Abends war.
Setlist MESSA:
Fire On The Roof
At Races
The Dress
Immolation
Reveal
Thicker Blood
Und dann war es so weit: Die Bühne wurde bereitet für den Headliner des Abends – PARADISE LOST. Für mich persönlich war es bereits das siebte Konzert der britischen Gothic-Doom-Pioniere – und eines, das mich erneut begeisterte. Seit meinem ersten Mal 2007 im legendären Planet Music, bin ich von dieser Band gefesselt, und auch heute beweisen sie, dass sie nichts von ihrer Magie verloren haben. Mit „Serpent On The Cross“ vom aktuellen Album „Ascension“ eröffneten PARADISE LOST wuchtig und düster zugleich – ein moderner Klassiker, der den Ton für den restlichen Abend vorgab: majestätisch, schwer und emotional. Das Publikum war vom ersten Ton an gefangen
Der Sound war druckvoll, die Lichtshow dezent düster – wie es sich für die britischen Gothic-Metal-Veteranen gehört. Sänger Nick Holmes zeigte sich in Bestform, denn seine Mischung aus rauer Melancholie und ironischem Charme funktionierte einmal mehr hervorragend. Greg Mackintosh ließ an der Gitarre die Hölle brennen und verlieh jedem Song seine charakteristische Schärfe.
„Tragic Idol“ (vom gleichnamigen 2012er-Album) folgte nahtlos und brachte den typischen, melodisch-melancholischen Sound der Band perfekt zur Geltung. Der Song ist ein Paradebeispiel dafür, wie PARADISE LOST es schaffen, Härte und Harmonie zu vereinen – und live wirkte er noch intensiver als auf Platte.
Mit „True Belief“ ging es zurück ins Jahr 1993, zum legendäre „Icon“-Album – eine wahre Zeitreise. Die emotionale Tiefe und Greg Mackintoshs charakteristische Leads lösten im Publikum pure Begeisterung aus. Es war einer dieser Momente, in denen man spürte, warum PARADISE LOST für so viele Fans mehr als nur eine Band sind. „One Second“, der wohl bekannteste Track vom gleichnamigen 1997er-Album, brachte danach eine spürbare Aufhellung in die dunkle Stimmung – zumindest musikalisch. Elektronisch angehaucht und hymnisch zugleich, wurde der Song lautstark mitgesungen und verwandelte die SIMM CITY kurzzeitig in ein Meer aus Stimmen.
Mit „Once Solemn“ ging es wieder zurück zum 1995er-Meilenstein „Draconian Times“ – ein Song, der live selten gespielt wird und dementsprechend euphorisch aufgenommen wurde. Die Mischung aus epischer Schwere und klarer Struktur zeigte die Band in ihrer vielleicht stärksten Phase. „Faith Divides Us – Death Unites Us“, vom gleichnamigen 2009er-Album, war eines meiner persönlichen Highlights des Abends. Der Song entfaltet live eine fast sakrale Wucht – ein Moment, in dem sich Publikum und Band in purem Einklang befanden.
Mit „Pity The Sadness“ wurde dann tief in die Frühphase gegriffen: das 1992er „Shades Of God“-Album, roh, kraftvoll und unverkennbar britisch. Nick Holmes’ Stimme klang hier besonders druckvoll, während Mackintosh’ Gitarre fast schon schmerzlich schön klagte. „Beneath Broken Earth“ vom 2015er-Werk „The Plague Within“ brachte die doomige Schwere zurück. Langsam, erdrückend, majestätisch – ein Paradebeispiel für die Rückkehr der Band zu ihren Wurzeln. „Nothing Sacred“ (von „Symbol Of Life“, 2002) bildete danach einen willkommenen Kontrast: elektronischer, rhythmischer, aber nicht minder düster. Ein Song, der in seiner unterschwelligen Energie live deutlich besser funktioniert als auf Platte.
Mit „Tyrants Serenade“ folgte ein weiteres Stück von „Ascension“ bevor „Requiem“ vom 2007er-Album „In Requiem“ dann wieder die Brücke zur mittleren Phase der Band schlug – ein Song, der live durch seinen hymnischen Aufbau besonders zur Geltung kommt. „Mouth“ vom von der Band ungeliebten Album „Believe In Nothing“ (2001) sorgte danach für einen poppig-düsteren Höhepunkt, der zeigt, wie vielseitig die Band ist.
Die Hitsingle schlechthin „Say Just Words“ brachte schließlich die gesamte Halle zum Kochen – ein perfekter Abschluss, bevor die Band in die Zugabe ging und beendete das reguläre Set in einem Sturm aus Gesängen und Applaus – ein Song, der längst Kultstatus hat und jedes Mal aufs Neue wie eine Erlösung wirkt.
Nach kurzer Pause kehrte die Band mit „No Celebration“ vom kontrovers aufgenommenen 1999er Werk „Host“ zurück – ein unterschätztes, elektronisch getriebenes Stück, das live überraschend gut funktionierte und eine düster-schwebende Atmosphäre schuf. „Ghosts“ vom vorletzten Album „Obsidian“ führte das Set fort: eingängig, melancholisch, modern. Der Song symbolisiert wie kaum ein anderer die Fähigkeit der Band, nach über drei Jahrzehnten relevant und frisch zu klingen.
Den Abschluss bildete „Silence Like The Grave“, eine neue, tieftraurige Komposition, die den Abend in würdiger Dunkelheit beschloss. Ein stiller, erhabener Moment – und der perfekte Abgang für eine Band, die den Sound des Gothic Metal geprägt hat wie keine zweite.
Setlist PARADISE LOST:
Serpent On The Cross
Tragic Idol
True Belief
One Second
Once Solemn
Faith Divides Us – Death Unites Us
Pity The Sadness
Beneath Broken Earth
Nothing Sacred
Tyrants Serenade
Requiem
Mouth
Say Just Words
–
No Celebration
Ghosts
Silence Like The Grave
Die Ascension Of Europe Tour – Ein durch und durch großartiger Abend – drei Bands, die jede auf ihre Art das Wesen des Gothic und Doom verkörpern. LACRIMAS PROFUNDERE lieferten die emotionale Eleganz, MESSA die rituelle Intensität und PARADISE LOST die majestätische Melancholie einer Legende. Ein Konzert, das man nicht so schnell vergessen wird – und einmal mehr der Beweis, dass düstere Musik in Wien ein Zuhause hat.
Autor: Florian Rosenberger
Fotos: (c) Caroline Traitler (Link)






