We!come Home
(Crossover)
Label: DIY
Format: (LP)
Release: 2006
KONTRUST ist eine Formation aus Wien und Oberösterreich, die sich mit ihrem Tribal-Crossover in der vor allem in-, aber auch ausländischen Musikszene bereits einen Namen machen konnte. Mehrfach Auftritte mit internationalen Größen wie ILL NINO, BIOHAZARD und anderen, ausgezeichnet mit dem Austria Newcomer Award – wer mehr wissen will, sollte unbedingt einen Blick auf die Website der Band (www.kontrust.info) werfen, eine Aufzählung sämtlicher Honorartionen würde hier wohl den Rahmen sprengen.
Was schon beim ersten Reinhören auffällt, ist die extrem gute Qualität der Aufnahme. Trotz der Vielzahl an Instrumenten bleibt die Produktion doch weitestgehend transparent und man wird nicht von einer soundtechnischen Lawine überrollt, die keinerlei Differenzierung der einzelnen Instrumente mehr zulässt. Die Abmischung lässt vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch Wünsche offen, ist dies jedoch auch sehr viel persönliche Geschmacksfrage.
Die Aufmachung der CD – von einem vielleicht bescheidenen Booklet abgesehen, das die Songtexte vermissen läßt – ist ebenso professionell und stilistisch einheitlich, wie sich KONTRUST auf ihrer Homepage bzw. ihrem Myspace-Profil präsentieren.
„Welcome Home“ zeigt sich im Crossover der härteren Gangart, gerappte Parts wechseln sich mit melodischen Gesangslinien ab und bilden mit schierer Selbstverständlichkeit einen gelungenen Kontrast.
Die Instrumentalarbeit ist äußerst solide. Insgesamt wirken Drums, Percussions, Gitarre und Bass sehr gut auf einander abgestimmt. Groovige Passagen, aggressive Gitarrenarbeit, Stops und Breaks zeichnen die einzelnen Songs aus. Das Album ist definitv rhythmuslastig, was sich auch schon in der Besetzung mit Schlagzeug und Percussions erahnen lässt. Umso schöner sind die melodischen Songteile (insbesondere die Melodieführungen in den Refrains). Und genau diese Mischung aus perkussiven und melodischen Teilen macht die stilistische Eigenheit und den Sound von KONTRUST aus. Einziges wirkliches Manko aus meiner Sicht ist, dass die Arrangements an Abwechslung zu wünschen übrig lassen. Mit musikalischen Steigerungen bzw. wechselndem Einsatz der Instrumente wurde nur sehr behutsam umgegangen, und ist das vielleicht einer der wenigen Punkte, der „Welcome Home“ von internationalen Produktionen unterscheidet. Diesbezüglich hätte man bei der Aufnahme mehr machen können, man darf aber ebenso nicht vergessen, dass es sich um eine Produktion in Eigenregie handelt – eine Produktion, die nicht vom Wohlwollen eines millionenschweres Label getragen wurde.
Als musikalischen „Ausreißer“ sehe ich den Song „King of Rising Sun“ – ein perfekter Brückenschlag zweier musikalischer Stilistiken unter dem Motto Reggae goes Tribal-Crossover. Auch hier schaffen es KONTRUST, dem Song ihre ganz persönliche Note zu verpassen.
Besonders interessant ist die Kombination von Shouter Stefan und Agata, die sich die Vokalarbeit aufteilen und auch vom stimmlichen Klangbild sehr gut harmonieren. Die Gesangsparts sind sehr gut arrangiert und fügen sich rhythmisch, textlich und harmonisch perfekt in die Songstrukturen ein.
Die Texte selbst sind in insgesamt sechs verschiedenen Sprachen abgefasst, ein Umstand, der nicht nur den Sprachfetischisten unter uns zu einem inneren Frohlocken verhilft, sondern der vielmehr auch das gesamte Klangbild prägt. Anfangs gewöhnungsbedürftig, macht gerade die Mischung verschiedener Sprachen innerhalb eines Liedes einen ganz besonderen Reiz aus – KontrA/Ust eben.
Inhaltliches Zentrum der Texte sind zwischenmenschliche Beziehungen, Verlust, eine Flucht nach vorne auf der Findung nach dem eigenen Selbst. Besonders interessant ist in diesem Kontext die Nummer „Niemandmensch“ – eine Wortkreation, die erahnen lässt, dass KONTRUST nicht nur musikalisch, sondern auch sprachlich sehr viel drauf haben.
Dreh und Angelpunkt für die Einzigartigkeit und Einmaligkeit von KONTRUST ist für mich neben dem eigenständigen Sound insbesondere Agata. Es gibt so manche Band, die eine ähnliche Professionalität an den Tag legt, es gibt sicherlich einige, die technisch gesehen ihr Handwerk noch besser beherrschen mögen, aber es gibt kaum eine andere Formation, die über so eine stimmgewaltige Sängerin und energetische Performerin verfügt, die das, was sie tut, zu 100% lebt. Man soll zwar grundsätzlich eine Band nicht in seine Einzelteile zerlegen, denn die Kombination aus jedem einzelnen Mitglied ergibt das abgerundete Ganze, jedoch ist Agatas Stimme jener Faktor, welcher der Musik ihr Leben einhaucht und hiedurch KONTRUST zu einer herausstechenden Band in der österreichischen Musikszene macht. Nicht nur, dass sich Agata keinerlei Intontationsfehler leistet, viel mehr zeugen die zeitwese extremen Wechsel zwischen Aggressivität und Verletzlichkeit (mit der sie in meinen Ohren noch mehr punkten kann als mit ersterer) in ihrer Stimme von einem unheimlichen Verständnis für Musik auf emotionaler Ebene. Darüber hinaus verfügt sie über eine eingängige und markante Stimme mit absolutem Widererkennungswert. Der Track „Chameleon“ ist ein einziges Wechselbad an Gefühlen, eine Stimme, die durch Mark und Bein geht, eine bitter-süße Symphonie zwischen Wahnsinn, Rastlosigkeit, Angst und verbitterter Verzweiflung. Aus meiner Sicht der beste Song, im Rahmen dessen Agata mit scheinbarer Leichtigkeit sämtliche Facetten ihrer gesanglichen Fähigkeiten auspielt. Mit „Phono Sapiens“, jenem Song, zu dem KONTRUST auch ein herausragendes Video produzieren konnten (neben DEADLY MEDLEY’s „Thimble“ wohl eines der gelungensten Musikvideos der letzten Jahre aus dem österreichischen Raum), zeigt Agata zu guter Letzt auch noch die Wandlungsfähigkeit der Klangfarbe ihrer Stimme.
Neben musikalischen Fehlgeburten wie Starmania und seinen Derivaten und Anachronismen wie dem Austropop ist die Frische und Lebendigkeit, die KONTRUST ausstrahlt und vor allem bei ihren Liveshows vermittelt, Labsal für die musikalische und von der Musikindustrie mittlerweile schier zermürbte Seele eines jeden Freundes härter Musik.
Nein, „Welcome Home“ ist nicht perfekt, hat Ecken und Kanten, ist nicht auf einen bestimmten Markt zugeschnitten und zufolge der musikalischen Sparte, in der sich KONTRUST bewegen, wird auch Ö3 kein offenes Ohr für Tribal Crossover Formation finden – aber sind diese Umstände nicht geradezu die schönsten Lorbeeren, die man als Band ernten kann?
Wer genug hat von 08/15 Nurock / Crossover, der in seiner Seelenlosigkeit primär am finanziellen Erfolg ausgerichtet ist, dem sei KONTRUSTs „We!come Home“ wärmstens ans Herz gelegt. Von den Livequalitäten der Band kann man/frau sich am 16. Dezember live im WUK überzeugen, wo KONTRUST unter anderem mit EMIL BULLS die Bühne zum Kochen bringen wird.
Tracklist „Welcome Home“:
1. Introcontrol A Tu Control
2. Coming Home
3. Tocca Me
4. King Of Rising Sun
5. Niemandmensch
6. Everytime [zawsze]
7. Fat Dog Symphony
8. Si Je…?
9. Boomerang
10. Chameleon
11. Phono Sapiens
12. A Tu Control (beatax Remix)
Gesamtspielzeit: 42:33
Band-Links: