Lange war nicht klar, ob dieses Album jemals das Licht der Welt erblicken würde, noch weniger ersichtlich war, unter welchem Line-Up das passieren sollte, oder gar unter dem bekannten Bandnamen. STRATOVARIUS haben in den letzten 6 Jahren so einiges durchmachen müssen. Schuld daran waren einige Probleme und Nervenzusammenbrüche des Songwriters Timo Tolkki, der mal den Sänger rausgeworfen hat, dann mal die Band einfach auflösen wollte und dann doch nicht. Aber das russische Teddybären-Geschäft, von dem Drummer Jörg Michael im Interview gesprochen hat, gibt es zum Glück (noch) nicht. Genauer auf die Geschichte einzugehen würde wohl den Rahmen sprengen, darum verweise ich auf genanntes Interview, wo ich mit Jörg die letzten Jahre Revue passieren ließ.
Im Jahr 2009 ist es nun endlich soweit. Das STRATOVARIUS Logo prangt auf einer CD, die das bis Dato schönste Cover der Bandgeschichte ziert, doch ist man mehr als gespannt wie sich das im musikalischen Bereich verhält, denn das letzte selbstbetitelte Werk war eher enttäuschend ausgefallen. Mit neuem Gitarristen, Matias Kupiainen, der in Finnland als Shootingstar gilt, wurde ein neuer, absolut ambitionierter Axtmann gefunden, der super in das Bild der Truppe passt und mehr als frischen Wind bringt. Der Wind ist frisch, aber dennoch weht er aus der Vergangenheit, aus weit zurückliegender Vergangenheit. Nur ein Wort: „Visions“ – die Jungs haben es wirklich geschafft, das Gefühl, die Intensität und auch die Spielfreude dieses Meilensteins in Sachen Power Metal wieder aufleben zu lassen, aber es weiters auch geschafft sich extrem weiterzuentwickeln. „Deep Unknown“ vom Neuzugang geschrieben, ist ein schönes Beispiel dafür, denn STRATOVARIUS hat seine progressive Seite wiedergefunden. Einen sofort zündenden Hit wie „Hunting High And Low“ sucht man vergebens, aber auf die Idee diesen zu suchen, kommt man bei dem starken Material einfach nicht. Verträumte Melodien, starke Riffs (!), ja die Finnen können wieder richtig schöne Riffs spielen, die sich gegen Jens Johansson’s Keyboards behaupten, die aber nicht minder gut gelungen sind. Gerade diese klingen wieder etwas sphärischer, womöglich stellenweise sogar spaciger, wie in guten alten Zeiten. Und ja, Jörg hat seine Doublebass endlich wieder „montiert“. Diesen Umstand hat es zum Beispiel „Blind“ zu verdanken, dass der Track richtig schön abgeht.
Als richtige Überraschung hat sich Lauri Porra entwickelt, der das gesamte Konzept, die meisten Songs und einige Texte zu dem Album entworfen hat und mit seinem Bassspiel sowieso keinem mehr etwas beweisen muss. Und der letzte im Reigen, Timo Kotipelto singt entspannt und klingt befreit wie lange nicht mehr. Man sieht und hört, dass die Jungs froh sind, die Querelen und Streitereien hinter sich zu haben und einfach das zu machen, was ihnen Freude bereitet – Musik! Man möchte fast meinen, dass der Ausstieg von Tolkki das Beste war, was ihnen noch hätte passieren können, so sehr ich auch seine Werke bewundere. Die Power-Ballade „Winter Skies“ zeigt ihrer heimatliche Verbundenheit und lässt einen schön in eine andere verträumte Welt eintauchen, während die Up-Tempo Hymne „Higher We Go“ durch starke Hooklines sich dann doch als kleiner Hit entpuppt, der sich sicher einen festen Platz in zukünftigen Live-Sets sichern wird. Nach der zweiteiligen, monumentalen „Emancipation Suite“ gibt es noch die wundervoll, berührende Ballade „When Mountains Fall“. Kotipelto gibt alles und berührt einem mit seiner Stimme, während Matias auf der Akustik-Gitarre eine schöne Melodie spielt und Anders‘ Keyboard nach Grammophon Sound klingt. Ein schöner Abschluss, der aber Hunger nach mehr macht, den ich sogleich mit der „Repeat“-Taste stille.
STRATOVARIUS sind wieder da, und wie sie das sind. Zurück zu den Stärken alter Tage, aber dann doch drei Schritte nach vorne. Durch die wiedergefundene leicht progressive Seite der Finnen, zündet das Album erst vollends nach ein paar Durchläufen, dafür sind Abnutzungserscheinungen auch nach Wochen nicht zu finden. Uneingeschränkte Kaufempfehlung!
Tracklist „Polaris“:
1. Deep Unknown
2. Falling Star
3. King Of Nothing
4. Blind
5. Winter Skies
6. Forever Is Today
7. Higher We Go
8. Somehow Precious
9. Emancipation Suite (Pt.1: Dusk)
10. Emancipation Suite: (Pt.2: Dawn)
11. When Mountains Fall
Gesamtspielzeit: 44:20