Endless Forms Most Beautiful
(Symphonic Metal)
Label: Nuclear Blast
Format: (LP)
Release: 2015
Als Sängerin sitzt man bei NIGHTWISH wohl immer auf wackeligem Posten. Bandboss Toumas Holopainen ist da vielleicht auch ein etwas eigenwilliger Arbeitgeber. Nach dem Rauswurf von Tarja Turunnen hat wohl keiner geglaubt, dass die Finnen weiter existieren können, doch mit Anette Olzon wurde zwar kein adäquater Ersatz gefunden, doch Dank starker Musik konnte man sich mühelos an der Spitze des Genres halten. Ich für meinen Teil habe keine Träne geweint, als die Dame mit der dünnen Stimme und der nicht vorhandenen Bühnenpräsenz nach zwei Alben bereits wieder abdanken musste. Mit Floor Jansen hat man nun die vielleicht beste Sängerin der NIGHTWISH-Geschichte gefunden. Bereits auf den Bühnen zeigte sie, dass sie die Songs beider Vorgängerinnen perfekt drauf hat und mit der kraftvollsten und wandlungsfähigsten Stimme der drei punkten kann.
Nach über drei Jahren kommt nun endlich das erste Album in der neuen Konstellation, zu der nun auch Piper und Tin Whistler Troy Donockley fix gehört. „Endless Forms Most Beautiful“ heißt das Teil und befasst sich mit Darwin, beziehungsweise einem Zitat von ihm. Wer von Charles Darwin gehört hat weiß, dass es also um Leben, Natur und Evolution geht. Aber in das lose Konzept soll sich jeder selbst einarbeiten. Viel wichtiger ist hier die Musik. Die erste Single konnte ja noch nicht sonderlich begeistern, doch mit „Shudder Before The Beautiful“ zeigen sich die Finnen sofort in bester Form und man fragt sich, warum nicht ein Song diesen Kalibers gewählt wurde, repräsentiert er doch das Album viel besser. Der Song beginnt mit gesprochenem Intro von Wissenschaftler Richard Dawkins und beginnt mit großer Intensität, dramatischen Keyboards, drückender Rhythmik und heavy Riffing von Teemu, ehe die Niederländerin mit überraschend tiefer Stimme einsetzt. Doch das was Floor hier liefert passt perfekt zum düsteren Sound und klingt, als hätte sie schon immer zu NIGHTWISH gehört. Die Komposition ist ebenso wie die meisten anderen von Tuomas durchdacht bis ins kleinste Detail, mit fetter Orchestration ausgesattet, klingt jedoch transparent und kommt mit fast schon erschreckender Produktion daher.
„Weak Fantasy“ ist im Anschluss nicht weniger dramatisch und lässt den Hang zur Filmmusik in Holopainen zum Vorschein bringen. Aber auch die bekannte Fantasy-Atmosphäre kommt auf, was der einsetzenden Akustikgitarre, den gelungenen Chören sowie der erneut starken Gesangsleistung zu verdanken ist. Zum ersten Mal darf auch Basser Marco ein paar Backings beisteuern. Beim folkloristisch angehauchten Instrumentalteil darf Troy ran, ehe Marco sein Gesangstalent unter Beweis stellt. „Élan“ ist nach diesem Mammut-Song eine nette Abwechslung, überzeugt aber nach wie vor nicht sonderlich. Gut, dass mit „Yours Is An Empty Hope“ schnell wachgerüttelt wird. Der vielleicht härteste Song NIGHTWISHs verzichtet aber auch nicht auf fette Orchester-Arrangements und zeigt Floor und Marco im gelungenen Wechselspiel. Etwas Oper darf es aber dann doch sein. Bei „Our Decades In The Sun“ geht es balladesk zu und der Gesang geht schön in schwindelnde Höhen. „My Walden“ verzichtet komplett auf Orchester und Chöre und zeigt sich somit sehr erdig und kommt mit ein paar Backings im Refrain auch fett genug daher. Erneut bekommt Troy etwas mehr Raum spendiert. Auch der Titeltrack ist ein dynamisches Highlight, das Bombast und Metal zu einer perfekten Einheit verschmilzt und sich live sicher gut machen wird. „Edema Ruh“ befasst sich mit dem High-Fantasy Roman „Der Name Des Windes“ und ist demnach auch wieder sehr fantastisch und ruhig ausgefallen, ehe man mit „Alpenglow“ einen recht typischen Song liefert.
Das große Finale des fast 80-minütigen Monstrums „Endless Forms Most Beautiful“ wird von dem dramatischen Instrumental „The Eye Of Sharbat Gula“ eingeläutet, bevor man mit dem 24-Minuten Epos „The Greatest Show On Earth“ ein mutiges Wagnis einging. Der Bandboss nannte es den besten Song, den NIGHTWISH überhaupt schreiben können. Das lasse ich jetzt mal unkommentiert, doch langweilig wird einem keine Sekunde, Ideen sind unzählige da und es gibt verdammt viel zu entdecken, doch hört am Besten selbst, denn das würde sonst den Rahmen sprengen.
NIGHTWISH sind in der Form ihres Lebens, haben nun endlich wieder ein würdige Sängerin, die ihnen so viele Möglichkeiten eröffnet, die sie sogleich nutzen und hier vielleicht ihr Magnum Opus abgegeben konnten.
Tracklist „Endless Forms Most Beautiful“:
1. Shudder Before The Beautiful
2. Weak Fantasy
3. Èlan
4. Yours Is An Empty Hope
5. Our Decades In The Sun
6. My Walden
7. Endless Forms Most Beautiful
8. Edema Ruh
9. Alpenglow
10. The Eyes Of Sharbat Gula
11. The Greatest Show On Earth
Gesamtspielzeit: 78:02