Wo „Between Blood And Wine“ vor zwei Jahren noch recht aggressiv startete, beginnen die Veteranen von NEW MODEL ARMY auf ihrem neuesten und schlicht „Winter“ betitelten Album, überraschend verhalten. Nach mehr als 35 Jahren Bandgeschichte darf man aber auch schon etwas leiser treten, möchte man meinen.
Doch die NEW MODEL ARMY kann es noch. Zwar kommt „Beginning“ nur schwer bis gar nicht in Fahrt, erzeugt aber bereits die wohlig, düstere, melancholische, ja fast postapokalyptische Atmosphäre, die man von den Briten so gewohnt ist. Die krustigen und groovenden Riffs sind ebenso wie der typische Gesang von Justin Sullivan Trademarks der Band. Das treibende und dynamische „Burn The Castle“ gibt da schone etwas mehr Schub und kommt im Refrain schon fast positiv daher. Wohlig düster melancholisch wird es auch beim Titeltrack, bei dem Sullivan die Akustik-Gitarre auspackt und seiner Stimme geniale Nuancen verleiht, ehe man die allgegenwärtige Wut, die der Mann in seinem Bauch hat, zu spüren bekommt. Dass er sich auch immer wieder Gedanken über seine Texte macht, beweist das traurige und ebenfalls mit Akustik-Gitarren ausgestattet „Die Trying“, das die aktuelle Flüchtlingskrise thematisiert, aber auch bei anderen Tracks geht es nicht selten um Verfolgung, Tod und zum Thema passend, das physische aber auch metaphorische Erfrieren. Etwas punkiger hingegen zeigt sich „Eyes Get Used To The Darkness“, während „Echoe November“ dezent auf der New Wave Welle schwimmt. Ein weiteres wichtiges Merkmal von NMA sind natürlich auch immer wieder die hypnotisierenden und abgefahrenen Rhythmen von Michael Dean, der sich vor allem in „Part The Waters“ sehr kreativ zeigt und einigen Songs einmal mehr eine einzigartige Note verpasst.
Ebenso wie „Beginning“ benötigen viele weitere Songs auf „Winter“ etwas Zeit um sich zu entfalten, denn NEW MODEL ARMY setzen neben Trauer und Wut in ihrem Sound auch auf die Spannungsbögen, was mal mehr mal weniger gut aufgeht. Doch trotzdem schaffen es die Briten einen nicht zu sehr ins Depri-Loch zu ziehen, denn auch wenn man sich einmal mehr um dazugehörige Themen annimmt, schafft es „Winter“ immer wieder Momente der Hoffnung zu erzeugen, was NEW MODEL ARMY so großartig macht. Ein weiteres starkes Werk dieser Institution des Independent-Rock.
Tracklist „Winter“:
1. Beginning
2. Burn The Castle
3. Winter
4. Part The Waters
5. Eyes Get Used To The Darkness
6. Drifts
7. Born Feral
8. Die Trying
9. Devil
10. Strogoula
11. Echo November
12. Weak And Strong
13. After Something
Gesamtspielzeit: –