TRISTWOOD ist eine Tiroler Band, die bereits seit fast 20 Jahren für Aufsehen sorgt, aber die mir trotzdem bis zum Erscheinen der neuen Platte „Blackcrowned Majesty“ vollkommen unbekannt war. Deshalb freute ich mich sehr darüber, dass ich die Chance bekam, der Band einige Fragen rund um ihr musikalisches Schaffen, ihren eigenwilligen Stil, sowie zum Thema Live-Auftritte und anderen Themen zu stellen, die sehr ausführlich beantwortet wurden.
Erst einmal möchte ich euch bitten, euch unseren Lesern ein bisschen vorzustellen!
Neru: Als Erstes möchten wir uns für dieses Interview bedanken. Sehr cool, dass Ihr uns zu diesem Gespräch eingeladen habt.
Also wir sind TRISTWOOD und spielen seit zwei Jahrzehnten eine krude Mischung aus Industrial, Black/Death Metal, Grindcore, dann wieder Doom und Drone. Das haben wir mal Black Industrial Cybercore getauft und irgendwie passt diese Bezeichnung immer noch.
Wie ist eigentlich der Bandname entstanden, und wie seid ihr damals zusammengekommen?
Neru: Wir sind Tiroler und haben eine enge Beziehung zur düsteren Seite der gebirgigen und bewaldeten Landschaft in den Alpen. Dass unser Sound so elektronisch, blitzschnell und schwer fassbar ist, passt auch zu uns, denn gerade in den Bergen gibt es ja viele Orte, die einfach unzugänglich sind. Und so schätzen wir uns auch ein: TRISTWOODs Sound- oder Klanggebilde gleichen den Bergflanken, Felsvorsprüngen und ausgesetzten Gebirgszügen unserer Heimat: Sie sind heraus-, manchmal überfordernd und je nach Schwierigkeitsgrad für recht wenige ergründ- bzw. erklimmbar.
Das hat uns vor 20 Jahren ja selbst erstaunt: Wir wollten eigentlich eingängige Songs schreiben, aber immer dann, wenn wir gemeinsam in einem Raum Musik komponierten, kam heftigster Avantgarde Metal raus, der mehr an abstrakt expressionistische Malerei a la Jackson Pollock erinnerte. Damals wussten wir selbst nicht, was wir da erschufen. Heute würden wir unser erstes Minialbum „Fragments Of The Mechanical Unbecoming“ als Kunstwerk bezeichnen, das entdeckt werden möchte. Damals aber rieben wir uns selbst die Augen und Ohren, weil wir nach der Aufnahme überrascht gewesen sind, was so völlig ohne äußeren Druck entstanden war: ein pures und echtes Klangerlebnis.
Ach ja, du hast gefragt, wie wir zusammengekommen sind: Das ist schwer zu sagen, weil es innerhalb der Band Freundschaften gibt, die bis in die frühen 1990er Jahre zurückreichen. Wir hörten damals schon Underground-Bands aus Skandinavien, der USA und den britischen Inseln. Ich würde also sagen: Der Ursprung ist gemeinsames Hören von Underground-Bands auf zigmal überspielten Kassetten. Wir standen damals schon auf diese ganzen obskuren Bands: OXIPLEGATZ, NOCTURNUS, SIGH, ARCTURUS, ULVER, KOROVA, ELEND, EMPEROR, VED BUENS ENDE usw. Der Rest der Gruppe kam dann in den 2000ern dazu.
Ihr seid ja schon fast zwei Jahrzehnte aktiv, aber irgendwie seid ihr mir bisher noch nie live untergekommen. Woran liegt das?
Neru: Das liegt einfach daran, dass wir nicht live auftreten. Ein paar in der Band sind ziemliche Einsiedlerkrebse, um es mal vorsichtig zu formulieren. Wir haben uns aber überlegt, ob wir mal eine befreundete Band fragen, ob sie unsere Musik bei irgendeinem Festival spielen will. Wir würden nämlich gerne zusammen mit dem Publikum anhören, wie TRISTWOOD auf der Bühne klingt. Der Song „Apocalipsis“ von unserem ersten Album „Amygdala“ müsste sich doch in einem Konzertsaal so anhören, als ob eine grönländische Gletscherkante abbricht und unter riesigem Getöse im Meer versinkt, während sich darüber ein ohrenbetäubendes Gewitter entlädt.
Zwischen dem vorletzten und letzten Album lagen neun Jahre! Dafür habt ihr für die neue Platte „Blackcrowned Majesty“ nur ein Jahr gebraucht. Woran liegt das?
Neru: Das hat zwei Gründe: Zum einen haben wir in diesen neun Jahren zwei EPs aufgenommen und in einer Kompilation namens „Nyx“ zusammengefasst. Die kam 2019 raus. Diese Aufnahmen waren aber vor allem für unsere alte Fanbase gedacht, die schon seit sehr langer Zeit an unserer Seite ist und von Deimon, unserer Kontaktperson zur Hörer*innenschaft, betreut wird. Der hat auch einen guten Umgang zu anderen Menschen im Gegensatz zum verschlossenen Großteil von TRISTWOOD. Zum anderen war es einfach so, dass man sich auch immer überlegen muss, was man als Gruppe erreichen möchte. Bei uns steht das Experimentieren, die Begeisterung für echten Metal als Kunstform und das Abtauchen in musikalische Untiefen an erster Stelle. Wir erforschen mit unserer Musik ständig neues Terrain und lassen das auch zu. Nicht umsonst nennt sich auf unserem Album „Dystopia Et Disturbia“ ein besonders experimenteller Song „Terra Incognita“. Das sagt eigentlich schon alles.
Ich hab mir einiges von euch angehört. Ihr habt eine extrem harte Spielweise, die sehr brutal und aggressiv herüberkommt. Welche Gefühle wollt ihr damit in euren Zuhörern erzeugen?
Neru: Ja, das kann ich mir vorstellen, dass die Art, wie wir mit Melodien und Arrangements verfahren, auf viele extrem und radikal wirkt. Wir gehen da aber nicht anders vor, als andere experimentelle Musikgruppen oder Musiker. Als Arnold Schönbergs Kompositionen, die bei manchen von uns im Übrigen großen Eindruck hinterließen, einem breiterem Publikum zugänglich gemacht wurden, haben viele Menschen nicht nachvollziehen können, was da musikalisch vor sich ging, als CELTIC FROST 1985 im SRF mit „Into The Crypt Of Rays“ auftraten, erzeugte das teils Entsetzen, als Dubstep durch die Decke ging, blickten viele Traditionalisten angewidert und bangend auf den Niedergang der populären Musikkultur.
Im Grunde ist alles eine Frage der Perspektive: Was die einen für einen musikalischen Regelverstoß halten, sehen andere als Innovation.
Wir als Musiker denken aber nicht in Kategorien, ob etwas extrem wirkt oder nicht. Wir lassen uns am Anfang einer Aufnahme des Öfteren mal treiben, gehen dann mit einem bestimmten Fokus an ein neues Album ran und versuchen so, Unbekanntes zu erforschen. In den letzten Jahren versuchen wir aber auch zu erkunden, was ein Album möglich echt wirken lässt. Das bedeutet, dass es Aufnahmen in unserer Karriere gibt, die bis zum kleinsten Detail durchgeplant wurden, während bei anderen das komplette Gegenteil im Vordergrund stand und ungekünstelte bzw. ungeplante Firsttakes auf Platte gebannt wurden. Die Herangehensweise ist bei uns also immer von großer Bedeutung.
Aber du hast gefragt, welche Gefühle TRISTWOOD erzeugen könnte:
Ich denke, dass TRISTWOOD-Alben etwas Kathartisches, etwas Erlösendes haben. Unsere Musik sorgt, wenn man sie etwas lauter hört, für ordentliche Sturmfrisuren, das ist klar. Mit Sicherheit animiert unsere Musik aber auch dazu, Mut zu haben, sich künstlerisch etwas zu trauen und sich nicht allzu sehr um die Meinung anderer zu kümmern, sofern man eine klare musikalische Vision hat.
Nun zu eurem neuen Album „Blackcrowned Majesty“! Was könnt ihr mir über das Album erzählen? Gibt es darauf eine besondere Geschichte?
Neru: Ja, also rein musikalisch haben wir uns dieses Mal ganz stark in den Underground der späten 1980er und frühen 1990er vorgewagt. Wir versuchten, herauszufinden, was genau Bands wie REPULSION, SKINNY PUPPY, HELLHAMMER/CELTIC FROST, MORBID, KILLING JOKE oder NIHILIST so an sich hatten. Gerade bei den Vocals haben wir da aus dem Vollen geschöpft und uns bemüht, auch Gesangslinien aufzunehmen, die man bei einer trendigen Record-Session, die auf Verkaufszahlen fixiert sein muss, nicht mehr so oft hört. Wir arbeiteten außerdem mit analogen Synthesizern. Gerade Deimon ist da ein echter Soundtüftler, was analoge Sounds betrifft. Das wird sich auch auf den Klang der nächsten Alben niederschlagen. Ich habe mich in letzter Zeit eher mit düsteren Sounds neuen Datums beschäftigt. Und auch das wird den Grundton einer zukünftigen Aufnahme bestimmen.
Uns als Band war bzw. ist bei diesem Album sehr wichtig, dass wir ordentlich gegen den Strom schwimmen, was nicht so leicht ist, wenn man eher auf ein traditionelles Setting setzt. Ich denke aber, die neue Scheibe wird auch wieder nicht wenige komplett überfordern, was sich anhand von ein paar ordentlichen Verrissen bemerkbar machen wird. Wenn das passiert, haben wir wieder einmal alles richtig gemacht.
Ach ja, die Storyline: Wir haben für das neue Album eine düstere Grim-Dark-Fantasy-Welt kreiert, die man am ehesten mit phantastischen Geschichten oder Filmen aus den 1980ern vergleichen kann. Im Mittelpunkt dieser Produktion steht der letzte Teil einer erst in naher Zukunft genauer vorgestellten Saga um die Rückkehr einer sagenumwobenen, aus purer Schwärze und Unheil heraus geborenen Herrscherin.
Das Album „Blackcrowned Majesty“ beschäftigt sich konkret mit der Rückkehr Ar’aths, jener bereits erwähnten titelgebenden Majestät, nach Ma’haxul, einem zerbrochenen Kontinent. Auf musikalische Weise wird beschrieben, wie sie nach ihrer Zerschlagung in den Norden fließt und von ihren Getreuen erneut gekrönt wird. Eine weitere Figur, die in der Geschichte beschrieben wird, ist Rauthra, ein besonders düsterer Geselle. Er wird in der Geschichte als schwarzgolden leuchtender Hädhrit, ein gehörntes Mischwesen, dargestellt und ist auf dem Cover des Albums sichtbar. Er ist ein entflohener Sklave, von niedrigster Geburt und Protagonist dieser Geschichte. Wer Genaueres wissen will, kann die Geschichte auf unserer Homepage nachlesen, die in diesem Jahr online gehen wird. Teile der Story werden außerdem auf Facebook von Zeit zu Zeit veröffentlicht. Es empfiehlt sich also, uns dort zu liken, um am Ball zu bleiben.
Wer noch mehr wissen will, sollte sich ganz schnell eine CD bei uns bestellen. Wir haben nur 50 Stück im Angebot, also sichert Euch zügig ein Exemplar und ein limitiertes T-Shirt.
Offensichtlich spielen Tod und Teufel in euren Tracks eine ausgeprägte Rolle. Warum ist das für euch reizvoll, und wo holt ihr euch die Inspiration für eure Lyrics?
Neru: Also antichristliche Themen spielen bei uns gar keine Rolle, auch wenn die Farbgebung des neuen Covers vielleicht genau das vermuten lässt. Das können andere besser, wir haben hierzu einfach nichts zu sagen. Unsere Themen sind je nach Album philosophischer, psychologischer, mythischer, surrealer oder eben phantastischer Natur.
Bei „Blackcrowned Majesty“ ging es einfach darum, eine Welt zu erschaffen, und darin eine düstere Erzählung einzubetten. Der Tod hat hier wie in vielen anderen Geschichten auch seinen Platz.
Gibt es sonst noch etwas, das ihr mir über dieses Album erzählen möchtet?
Neru: Nun, wir sind mächtig stolz darauf, diesen kruden und obskuren Sound auf diesem Album hinbekommen zu haben. Die anderen in der Band werden sich jetzt sicher wieder aufregen, dass ich so angebe, aber eines ist für mich sonnenklar: Diese Platte hat absoluten „Wiedererkennungswert“ und könnte genauso gut in den 1980ern, 1990ern, 2000ern oder in den 2010ern veröffentlicht worden sein.
Das hat nur funktioniert, weil wir zwischen 2017 und 2020 in unzähligen Stunden daran gefeilt haben. Ob das Album zeitlos sein wird, können wir jetzt noch nicht sagen, wir sind aber jetzt schon stolz, behaupten zu können, dass der Sound der neuen Scheibe sicher niemanden, der ihn hört, kaltlassen wird, denn er brennt wie Feuer, beißt wie qualmender Rauch.
Wir möchten an dieser Stelle von allem unseren Fans danken, die uns immer wieder angetrieben haben, weiterzumachen. Deimon erzählt uns hie und da davon. Er verwaltet ja unsere Facebook-Seite. Schon cool, wenn du Hörer hast, die dich supporten.
Ach ja: Wir haben ein neues Bandmitglied. JD von den unglaublichen ESCHATON und den österreichischen Hoffnungsträgern THINE ist nun dabei. Der Typ ist echt der Hammer.
Nun zu der im Moment für alle Fans und Musikschaffenden tristen Situation! Wie seht ihr die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Musik-Szene?
TRISTWOOD fühlen sich in tristen Situationen äußerst wohl. Ok, der war aufgelegt. Auf uns hat Corona keine Auswirkung, denn wir sind finanziell ja nicht von der Band abhängig und verharren seit 20 Jahren live-technisch in Dauerquarantäne. Verglichen mit uns sind DARKTHRONE öffentlichkeitswirksame Entertainer.
Für die Musikszene selbst ist die ganze Situation tragisch. Zum einen kaufen Fans immer weniger Alben, das macht es für viele experimentelle Gruppen uninteressant, weiter Aufnahmen zu machen, zum anderen ist der Live-Sektor völlig am Boden.
Ich kann nur eines sagen: Wir sind ja von Zeit zu Zeit in Kontakt mit Labels. Die scheinen gerade wirklich Probleme zu haben. Ich kann also nur empfehlen, LPs, CDs oder MCs bei Plattenfirmen zu kaufen, wenn einem ans Herz gewachsene, unter Vertrag stehende Musikgruppen etwas wert sind.
Das gilt natürlich auch für uns. Wir würden gerne nicht mit einem satten Minus austeigen. Wenn ihr also eine Platte bei uns bestellt und kauft, sind wir natürlich sehr dankbar. Aber Vorsicht: Vielen ist zu abgedreht, was wir machen. Hört also besser vorher rein und wenn Euch die Begeisterung übermannt, traut Euch, kauft „Blackcrowned Majesty“.
Wolltet ihr eigentlich nach dem Release ein paar Live-Gigs spielen?
Neru: Ganz sicher nicht. Es gibt immer wieder Anfragen, teilweise hat man uns sogar Geld dafür angeboten. Aber was soll das bringen? Vielleicht überlegen wir mal, mit einem Künstler zu kooperieren. Wir könnten uns gut vorstellen, mal bei einer Installation in irgendeinem Kunstraum mitzuwirken. Eventuell würden wir sogar bei der Eröffnung dabei sein, auch wenn ich glaube, dass manche aus unserer Band nicht einmal da erscheinen würden. Schon lustig, wir sind irgendwie echt komplette Spinner.
Wie wird es mit euch weitergehen? Habt ihr ein paar besondere Pläne?
Neru: Wir haben jetzt im Mai darüber gesprochen. Als Erstes kommt mal ein Video zum Titeltrack des Albums raus. Das ist unser erstes. Wir haben das Glück, dass uns eine sehr talentierte Künstlerin hierfür assistiert. Die hat den Inhalt des Albums recht gut erfasst und auf Bilder übertragen. Als Nächstes sind zwei EPs geplant, die die oben erzählte Storyline um Rauthra und Ar’ath weitererzählen wird. Dann kommen, vielleicht parallel, zwei Alben dran. Wir haben ja zwei Studios. Eines wird also im Hellsound 3.0- und das andere im Volcano-Studio aufgenommen. Der Plan ist auch, die Cover der jeweiligen Alben selbst herzustellen. „Blackcrowned Majesty“ wurde von Ani van Sunnjork, einer befreundeten Künstlerin, während einer Session kreiert, während Jegger das Bandbild malte. Das wollen wir beibehalten. Wir möchten weiter in unsere Musik und unsere Kunst eintauchen. Da gibt es viel zu erforschen.
Dann möchte ich zum Abschluss noch um ein paar Worte an unsere Leser bitten!
Neru: Also ich bin ja Leser des Earshot und ihr habt uns bereits vor sehr langer Zeit, also ungefähr vor eineinhalb Dekaden zu „Amygdala“-Zeiten, die Chance gegeben, unsere Musik bei euch zu präsentieren. Ein zweites Mal herzlichen Dank dafür! Solche Magazine wie das eure sind der Grund, warum solche Bands wie wir weitermachen. Den Lesern möchte ich zwei Dinge sagen: Ich finde es cool, dass Ihr dieses Magazin unterstützt.
Wenn Ihr Bock habt, dann hört einfach mal in unser neues Album „Blackcrowned Majesty“ rein. Ich verspreche Euch: Das ist eine heftige Scheibe und sicher nichts für schwache Nerven. Und checkt unsere alten Aufnahmen „Fragments Of The Mechanical Unbecoming“, „Amygdala“, „The Delphic Doctrine“, „Dystopia Et Disturbia“, „Nyx“ und „Crypt Of Perennial Whispers“ auf Bandcamp an: Da gibt es viel Hammermäßiges, Düsteres und Tiefgründiges zu entdecken.
tristwoodofficial.bandcamp.com