EVERGREY - A Heartless Portrait (The Orphean Testament)

EVERGREY
A Heartless Portrait (The Orphean Testament)
(Power Metal | Melodic Metal)

 

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Label: Napalm Records
Format: (LP)

Release: 20.05.2022

Gerade einmal ein Jahr und drei Monate nach dem gelungenen zwölften Werk „Escape Of The Phoenix“ schieben die schwedischen Power/Prog Veteranen von EVERGREY rund um Gründer und Sänger Tom S. Englund mit „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ auch schon den Nachfolger nach. Unendliche Kreativität, Langeweile aus Tourarmut oder einfach nur ein Schnellschuss?

Schnell wird klar, dass das 13te Werk der melancholischen und emotionalen Nordmänner alles andere als ein Schnellschuss ist. Denn spätestens seit dem genialen „Hymns For The Broken“ erleben EVERGREY ihren zweiten Frühling und veröffentlichen ein starkes Werk nach dem anderen. Und da macht die neue Platte, die dem Grundprinzip des düster-emotionalen, leicht progressiven Power Metals treu bleibt, keine Ausnahme. Im Detail gibt es aber doch wieder ein paar Änderungen. So kommt das Material wieder etwas kompakter daher, was auch in den längeren Songs zu spüren ist, denn Bombast und ausufernder Prog, wurden wieder etwas zurückgeschraubt, die Riffs und eindringlichen Keyboard-Melodien von Rikard Zander stehen neben Tom’s emotionaler Performance wieder klarer im Vordergrund. Man spürt über weite Strecken auch dass einige der Mitglieder nebenbei in härteren Bands wie DEATH DESTRUCTION oder TEARS OF ANGEER tätig sind, denn die teils thrashigen Riffs und heavy Beats peppen so manch melancholischen Song nochmal auf und treiben an.

„Save Us“, das vorab schon veröffentlicht wurde merkt man auch eine dezent gesteigerte Dramatik und das perfektionistische Durcharrangieren an. 27 Jahre Erfahrung schlagen sich hier definitiv nieder, dennoch wirkt das Material frisch und hat seine kleinen Eckchen und Käntchen, sodass das Material nicht überarrangiert oder -produziert wirkt. Zudem gefällt der Fan-Chor aus über hundert eingeschickten Stimmen und zeigt eine gewohnte Ideenvielfalt, ohne vom Bandeigenen Sound abzuweichen. Aber Chöre und mehrstimmige Shouts haben die Schweden ja sowieso schon immer gekonnt. Dennoch fällt vor allem Zanders Keyboard immer wieder auf, denn selten klang er so kreativ und abwechslungsreich. So erzeugen EVERGREY auf den Songs auch verschiedenste Stimmungen und bieten stets eine dichte Atmosphäre. Oft fühle ich mich zu Frühwerken wie „In Search Of Truth“ zurückversetzt, aber kombiniert mit der Erfahrung und Professionalität neuerer Werke. Thrashig-rhythmisch, aber auch überaus hymnisch wird es in „Midwinter Calls“. Die Keys sind bedrohlich und modern und Englund gibt emotional alles, während „Woohoohoo’s“ im Hintergrund zum Mitträllern einladen. „Omnious“ wirkt überaus bedrückend, was nicht überrascht, geht es hier lyrisch um Mobbing, aber auch um Hoffnung und Durchhalten. Mit wunderschönen Klängen startet man in den nächsten Hitkandidaten „Call Out The Dark“, bei dem die Keys als Kombi aus Melodien und Rhythmus fungieren.

Im weiteren Verlauf besinnt man sich aber dann mehr auf Technisches als auf Eingängigkeit, was nicht heißt, dass nicht doch der eine oder andere Ohrwurm auf der Platte zu finden ist, nur brauchen die, wie auch einer der beiden Titeltracks „The Orphean Testament“, das recht verschachtelt und hektisch daherkommt, einfach etwas länger. Aber so ist auch „The Great Unwashed“ ein echter Grower wohingegen „Reawakening“ viel lockerer und entspannter tönt und somit  dazwischen passend platziert erscheint. Mit „Wildfires“ gibt es am Ende nach dem thrashig-hymnischen „Heartless“ und dem eindringlichen Düster-Prog-Werk „Blindfolded“ mit „Wildfire“ noch eine ausgefallene, aber gefällige Ballade.

Was soll ich noch sagen? Fans greifen bei diesem intensiven Stück Musik, das einen kleinen Schritt zurück, oder eher einen zur Seite wagt, blind(folded) zu, Neueinsteiger checken die Singles an und geben dem dreizehnten Werk die Zeit, die es benötigt und freuen sich auf ein weiteres überau starkes Machwerk der unkaputtbaren EVERGREY!