Gott Segne, Gott Bewahre
(Post-Hardcore)
Label: Aufewigwinter
Format: (LP)
Release: 24.11.2023
Die Post-Hardcore Senkrechtstarter KORA WINTER machen es sich und den (potentiallen) Fans mit ihrem Zweitwerk „Gott Segne, Gott Bewahre“ wahrlich nicht einfach. Ein absolut schräges Artwork, das einen Musikstil nicht wirklich erkennen lässt, ein mutiger Albumtitel und die Tatsache, dass man sich hier einigen Tabuthemen widmet, sind Angriffsfläche genug. Aber auch musikalisch erwartet hier einen alles andere als leichte Kost.
Schon in den 144 Sekunden des Openers „Der Missratene Sohn“ setzen die Jungs aus Berlin ein echtes Statement. Abstraktes, abgehaktes Riffing, hysterische Vocals im cleanen Bereich, bei dem die Berliner Straße mitschwingt, deutsche Texte die zum Nachdenken anregen, ein paar Gangshouts und ein Grundton, der sich über die zwei Minuten immer weiter hochschaukelt. Im folgenden „Neuer Tag Im Rattenloch“ bremst man sogleich ab, es gibt ruhige, gesprochene Vocals, ehe flirrende Riffs Fronter Hakan Halaç flankieren, der wieder die Stimme erhebt, bis der Refrain dramatisch und eingängig über das namensgebende Rattenloch lamentiert, ehe im letzten Drittel die Mathcore-Eskalation folgt, aber auch epische Samples den Song nochmal eine andere Note verpassen.
Und schon an diesem Punkt fange ich schon fast zum Schwitzen an, wenn ich nur an die Live-Situation denke. Die deutschen Vocals geben dem Sound von KORA WINTER seinen ganz speziellen Touch, die anstrengenden Riff-Orgien kombiniert mit eingängigen Melodien und verschnaufen lassenden Refrains, tun ihr Übriges dazu, dass man die Band nur lieben oder hassen kann.
Für das groovende „Marmelade“ holte man sich Hilfe von Johannes Prautzsch, bekannt durch sein Schaffen mit KIND KAPUTT. Metallische Riffs, punkiger Drive und viel Bass-Gewummer geben auch diesem Song seinen ganz eigenen Charme. „Das Trauma, Die Trauer“ legt zunächst mit bombastischen Synths eine falsche Fährte, denn die werden sogleich von wüstem, fast schon disonanten Drumming, djentigen Riffs und emotionalem Gerbüll von Hakan abgelöst. So wie der Fronter hier sie kaum Zeit zum Verschnaufen nimmt, bekommt auch der Hörer bei dem wüsten, aber durchdachten Geballer, kaum Luft, bis dann schon fast apokalyptische Dramatik den Song ausklingen lässt.
So kann man sich hoffentlich schon etwas in den Sound von KORA WINTER hereinführen. Jeder Track ist anders, lässt neue Elemente zu, bricht grenzen und doch passt alles irgendwie zusammen. Einfach ist der Ritt mit den Herren aus Berlin definitiv nicht, aber er lohnt, wenn man diesem Werk seine Zeit gibt. Hervorheben möchte ich dennoch noch „BBDDSSMM“, denn da kotzt der Sänger zu tonnenschweren Riffs seinen Hass nur so raus, flüstert, wimmert und verstört zwischendurch immer wieder mit verschiedenen Stimmfarben.
Greif mich an, nimm mich so, wie ich bin!“
Ich kann meine Hände nicht mehr spüren
Ich kann meine Arme nicht mehr spüren
Ich will meinen Körper nicht mehr spüren
Meine Haut gehört dem Herrn!
Dagegen ist das treibende, aber nicht minder komplexe und vollgeladene „Alle Gegen Allen“ samt symphonischer Komponente schon fast leicht verdaulich und der Abschlusstrack beginnt seine 7-minütige Reise mit gebrechlichen cleanen Gitarren und emotionalem Gesang, sodass man sich schon im Singer-Songwriter Bereich fühlt, ehe das Teil zum Postcore Hymne mutiert und dem Album einen würdigen Abschluss gönnt.
Wie erwähnt, ist „Gott Segne, Gott Bewahre“ alles andere als leichte Kost, doch schaffen es KORA WINTER stets den roten Faden im Auge zu behalten und falls man sich dann doch etwas verzettelt, versöhnt man sofort mit eingängigen Parts, catchy Choruses oder versöhnlichen Melodien. Dranbleiben lohnt sich hier definitiv!
Tracklist „Gott Segne, Gott Bewahre“:
1. (Fifteen Seconds To Think)
2. Der Missratene Sohn
3. Neuer Tag Im Rattenloch
4. Marmelade ft. Johannes Prautzsch
5. Das Trauma Die Trauer
6. Frontal Ins All
7. (How Can I Deal With Myself)
8. Mann Gegen Wand ft. Alex Kerski & Gerrit Engel
9. BBDDSSMM ft. Taby Pilgrim
10. (Jeder Gegen Jeden)
11. Alle gegen Alle
12. Schuld
Gesamtspielzeit: –
Band-Links: