Der Live-Club Reigen in Wien hat zwar schon eine lange Tradition und ist vor allem für den jährlichen Vienna Blues Spring bekannt, aber vielen Wiener Konzertbesuchern ist diese Location leider eher weniger ein Begriff. Was sehr schade ist, finden doch dort richtig gute Konzerte statt. Von schlecht besuchten Konzerten wie jenes von ZODIAC 2014 bis zu dem tags zuvor stattgefundenen RITCHIE KOTZEN-Konzert, erlebte ich im Reigen schon einiges. Ewiges persönliches Highlight wird für mich die erste MICHAEL ANGELO BATIO Show 2015 bleiben, der genannter Gitarrist 2023 im Rahmen des Electric Guitarland-Events mit dem genialen GUS G im Gepäck die Krone aufsetzte. Die letzte Großtat vollbrachte erst letzten September VINNIE MOORE, der in dem kultigen Club zum Niederknien aufspielte.
Nun freute ich mich aber schon auf das traditionell im Jänner stattfindende WISHBONE ASH Konzert, das ich mir mindestens schon drei Mal zu besuchen vorgenommen hatte. Am 24.01.2024 war es endlich soweit, dass ich die legendäre englische Band zum ersten Mal auf der Bühne genießen konnte. Ich war nicht der einzige, denn der Club war sehr gut gefüllt und die Stimmung, als die Band die Bühne um 20:30 Uhr betrat, richtig ausgelassen.
WISHBONE ASH starteten ihr Set mit dem mit instrumentalem 80er Jahre Synthie-Sound unterlegten „Real Guitars Have Wings“, welches mit den genialen Twin-Guitar Linien auf den gitarrenlastigen Abend einstimmte. Darauf folgte der aktuellere Song „We Stand As One“ vom letzten Album „Coat Of Arms“ aus dem Jahr 2020 mit seinem markanten Gitarrenlick und sehr hymnischem Gesang. So dürfen WISHBONE ASH gerne noch viele Jahre klingen!
Jetzt ging es aber zurück gemäß der Setlist der „Live Dates Tour“ aus dem Jahr 1973, zum ersten „Argus“-Track „The King Will Come“. Nach dem langen Intro-Solo, kickt diese Nummer ab Minute eins mit dem Gitarrenlick für die Ewigkeit richtig los. Der anschmiegsame Gesang und die Solo-Interludes zauberten den anwesenden Konzertbesuchern ein Lächeln ins Gesicht. Es war auch für mich ein erhabener Moment, diesen Song zum ersten Mal live zu hören.
WISHBONE ASH setzten mit „Warrior“ gleich noch einen Klassiker drauf, der wiederum mit einem einzigartigen Intro-Solo glänzte. Der Refrain: „I’ll have to be a warrior, a slave I couldn’t be, a soldier and a conqueror, fighting to be free“, geht bei meiner MANOWAR-Affinität runter wie Öl. Joey DeMaio würde jedoch niemals zugeben, von WISHBONE ASH geklaut zu haben, da würde er eher für den Metal sterben.
„Throw Down The Sword“ vollendete die „Argus-Triologie“ fulminant. Diese drei Songs haben ihren Platz im „Rock-Himmel“ redlich verdient und mich mit ihrer epischen Stimmung auch ein wenig an SAXON erinnert. Die Gitarrenharmonien sind einfach großartig und kamen im Reigen auch live richtig gut rüber. Die Band war aufgrund der Publikumsreaktion bestens gelaunt.
Nun wurde der Sound mit „Wishbone Four“-Material, mit dem auf der Slide-Gitarre dargebotenen Song „Rock ´N Roll Widow“, welcher live positiv überraschte, geradliniger. Auch „The Ballad Of The Beacon“ überzeugte mit ruhigeren Folk-Melodien. Danach wurde das Blues-affine Publikum mit dem JIMMY REED-Cover „Baby What You Want Me to Do“ bedient, welches für meinen Geschmack aber ein wenig die Fahrt aus dem Programm nahm.
Auch wenn „The Pilgrim“ per se keine schlechte Komposition ist, hört sich dieses Instrumental ziemlich improvisiert an und hinterließ bei mir einen zwiespältigen Eindruck mit dem „Hippie-Herumgeiere“ und „Dadadida-Text“. Da konnte ich mit dem kürzeren rifforientierten „Blowing Free“ – erneut von „Argus“ – deutlich mehr anfangen, welches auch sehr positive Vibes an das Publikum sandte. Das anschließende „Jailbait“ rockte auch gemütlich vor sich hin, bevor es mit „Lady Whiskey“ vom Debütalbum schön langsam in die Zielgerade ging. Das extrem lange Opus „Phoenix“ markierte dann noch den glorreichen Schluss mit seinen signifikanten Twin-Guitar Leads.
Setlist WISHBONE ASH:
Real Guitars Have Wings
We Stand as One
The King Will Come
The Warrior
Throw Down The Sword
Rock ’n Roll Widow
Ballad of the Beacon
Baby What You Want Me to Do
The Pilgrim
Blowin‘ Free
Jailbait
Phoenix
–
Living Proof
Neben Frontmann, Leadgitarrist und Sänger Andy Powell machte der zweite Leadgitarrist Mark Abrahams, beide im Hawaii-Hemd, ebenso eine gute Figur. Bob Skeat am Bass ergänzte die legendäre Band perfekt und auch aktueller Schlagzeuger Mike Truscott agierte souverän hinter den Drums. Aufgrund der euphorischen Publikumsreaktion, ließen sich WISHBONE ASH dann doch noch zu einer Zugabe in Form von „Living Proof“ bitten und entließen ein restlos zufriedenes Publikum in den Abend.
Autor: Florian Rosenberger
Fotos: Aleksandra Pruenner (www.aleks-photo.com)