Da ich am Samstag die Einladung vom Veranstalter zur alljährlichen Führung durch das Gelände und die Fabrik der Schnapsbrennerei Rudolf Jelinek nur schwer abschlagen konnte, musste ein Plan her. Zum einen wollte das Ganze halbwegs souverän überstanden werden, um die kommenden Bands noch zu genießen, und zum anderen stand noch ein Interviewtermin an. Problem nur, die Herren, die ich später noch zum gemütlichen Plausch treffen durfte, sollten sogleich auf der Bühne stehen.
Aber Problem erkannt, Problem gebannt. So manche Kostprobe wurde einfach weitergereicht oder nur genippt. Es gab wieder mehrere Stationen. Die Neuheit war zunächst ein Stand direkt am Festivalgelände, an dem es den Austrian Navy Rum zu kosten gab. Danach ging es in die Fabrik, wo ein Image-Video in einem kleinen Kino gezeigt wurde und so manche Köstlichkeit verteilt wurde. Dazwischen gab es auch den legendären Gold Cock Whiskey. Die Spezialität bei Jelinek ist aber auf jeden Fall der Pflaumen-Schnaps Slivovice sowie der Birnen-Schnaps Hruskovice, bei dem auch ein Stück Birne an einem Fähnchen-Zahnstocher zu finden ist. Die Fahnen schmückten einmal mehr Haare, Bärte und Hüte und waren Zeuge ihrer Trinkfestigkeit.
Der zweite Teil des Plans bestand darin, die Tour kurz abzubrechen und zurück vor die Bühne zu huschen. Da FIXATION leichte Verspätung hatten, schaffte ich es auch rechtzeitig zurück und konnte die Show genießen. Zwar hatten die norwegischen Newcomer nicht den besten Sound, aber mit dem Debüt „More Subtle Than Death“ schlagkräftige Argumente. Irgendwo dem (Post-)Hardcore und Metalcore zuzuordnen, präsentierte die wuchtige Show aber auch rockigere Riffs, viel Emotion und eine hochmotivierte Band. Sänger Jonas kam mit einer roten Decke über seinem Kopf auf die Bühne und sah irgendwie aus wie ein erhängter, roter Geist mit seiner Kette um den Hals. Als würde man heute nicht genug schwitzen, musste ich ihn später eh fragen, ob er darin noch atmen konnte. Atmen hin oder her: Singen konnte der Mann auch in diesem Zustand. Von heftigen Screams über hymnisch-theatralische Refrains bis hin zu ruhigen, zerbrechlichen Vocals hatte er alles bestens im Griff und konnte die Fans auch schnell gefangen nehmen und zum Mitmachen animieren. Ab dem zweiten Song kam aber auch schon sein Gesicht zum Vorschein und die Norweger lieferten ein mehr als gelungenes Debüt auf dem Masters Of Rock und sollten sich in ein paar Jahren wieder im Line-Up finden. Zu wünschen wäre es.
Wie immer finde ich am Masters Of Rock Bands, die man noch nie live zu Gesicht bekommen hat. Nach FIXATION folgten für mich damit auch gleich CYHRA. Meine kurze Hoffnung, dass IN FLAMES-Begründer Jesper Strömblad, der ja auch die neue Formation mit Sänger Jake E. (Ex-AMARANTHE, Ex-DIGNITY) gründete, mit von der Partie sei, wurde schnell im Keim erstickt. Zu finden waren jedoch Namen wie Marcus Sunesson (Ex-THE CROWN), Euge Valovirta (Ex-SHINING) und Alex Landenburg (KAMELOT), was natürlich eine starke Band mit viel Erfahrung versprach.
Und genau das strahlten Fronter Jake E. und die restlichen Mannen von der ersten Sekunde an aus. CYHRA bieten auf ihren bisherigen beiden Alben überraschend moderne, rockige Kost, aber im Geiste des Göteborg-MeloDeath. Poppige Beats, einprägsame Keys und Synthies, knackige Riffs und der einschmeichelnde Gesang von Jake überzeugten sofort. Er animierte immer wieder zum Mitsingen, was ihm definitiv nicht schwerfiel. Vor allem mit Hits wie „Ready To Rumble“ oder dem abschließenden „Out Of My Life“, die beide Ohrwürmer vor dem Herrn sind, war das auch nicht schwer.
Setlist CYHRA:
Ashlight
Too Old For Fairytales
Let’s Have My Story Told
Heartrage
1.000.000 Fahrenheit
I Am The One
Karma
Ready To Rumble
Life Is A Hurricane
Bleed From Within
Dreams Gone Wrong
Out Of My Life
Zeit war es für DYNAZTY. Die Schweden trumpften mit ihrem keyboardlastigen Power Metal einmal mehr auf und begisterten die tschechischen Fans im Sturm. Fronter Nils Molin ist dort sowieso gern gesehen, ist er ja mittlerweile auch Teil von AMARANTHE, mit denen er am finalen Tag ja auch nochmal ran sollte. Dank unzähliger Hooks und Ohrwürmer war die Stimmung gleich großartig, es wurde lauthals mitgesungen und der Fornter zeigte sich ebenso begeistert, wie sein Dauergrinser zeigte. Vom letzten Album „Final Advent“, das in der Schweiz und in Deutschland durchaus passable Platzierungen erreichen konnte, servierte man mit dem Kracher „Natural Born Killer“ und dem blitzschnellen „Power Of Will“ zwei Songs die sich nahtlos in das Set einfügten. Die Herren zeigten sich in guter Form und so durften auch die Kollegen an den Instrumenten immer mal wieder in den Vordergrund treten uns ihre Spielfreude vorführen.
Etwas ältere Stücke durften ebenfalls nicht fehlen und so punktete man bei den Leuten mit dem rockigeren „Sultans Of Sin“ und „Titanic Mass“. Die Zeit verging wie im Flug und so verabschiedete man sich ausgiebig von der gut gelaunten Meute mit jeder Menge Souvenirs die man von Rock-Rands so bekommt.
[AndyVanHalen]
Setlist DYNAZTY:
In The Arms Of A Devil
Firesign
Natural Born Killer
The Grey
Waterfall
Sultans Of Sin
Power Of Will
Titanic Mass
Presence Of Mind
The Human Paradox
Heatless Madness
Zum ersten Mal wurde es an diesem Tag richtig rumpelig. Fans des Old-School Death Metal und Thrash kamen mehr als auf ihre Kosten mit der Legende CAVALERA. Dahinter verbirgt sich zwar eigentlich die klassische CAVALERA CONSPIRACY, doch da Max und Igor jetzt mit ihrer Vergangenheitsbewältigung in Form der Re-Recordings der ersten SEPULTURA-Werke begonnen haben, war das kein klassisches Konzert der Brüder. Genauer gesagt ist man aktuell auf der „Morbid Devastation“-Tour, um die neuaufgenommenen Klassiker zu präsentieren. Wer die Herren kennt, weiß, dass die Legende früher keinen Wert auf brasilianische Folklore legte und auch der Thrash-Anteil geringer war. Max und Kisser eskalierten in bester Old-School Death Metal-Manier und lieferten mit ihren Erstlingswerken maßgebliche Wegweiser im Genre.
Und wie klingt das live? Wie ein wütender Orkan. Ebenso wie auf den schön rau produzierten Alben schaffen es die Gebrüder, gemeinsam mit Sohnemann Amadeus Cavalera und Travis Stone (PIG DESTROYER), die interessanterweise jeweils zum Instrument des anderen gewechselt sind, eine immense Energie auf die Bühne zu bringen. Man stelle sich vor, man stehe Mitte/Ende der 80er mit 150 anderen Metalheads um zwei Uhr morgens in einem schäbigen Club, und eine unbekannte Band namens SEPULTURA steigt auf die Bühne. Nach nicht einmal zwei Minuten bricht die Hölle los und alles eskaliert. So ähnlich fühlte sich dieses Riffgewitter an. Doch auf die ganze Distanz von 70 Minuten war das Gebolze dann manchmal doch etwas zu eintönig. Gut, dass die Herren schon früher an kleine Verschnaufpausen dachten, und so wurde das Ganze eine mehr als runde Sache. Zu Tracks wie „Refuse/Resist“ oder „Territory“ eskalierte sowieso nochmal alles ganz automatisch, ohne dass Max oder Igor groß etwas dazu hätten tun müssen.
Setlist CALVAERA:
(The Curse)
Bestial Devastation
Antichrist
Necromancer
(O Fortuna)
Morbid Visions
Mayhem
(Interlude)
From The Past Comes The Storms
To The Wall
Inquisition Symphony / Escape To The Void
R.I.P. (Rest In Pain)
–
Chaos B.C.
Refuse/Resist
Propaganda
Territory
Troops Of Doom
Black Magic / Morbid Visions / Dead Embryionic Cells
Einst war ein AVANTASIA-Konzert etwas Undenkbares, dann ein recht seltenes und somit exklusives Erlebnis. Heute, wo Tobi leider EDGUY auf Eis gelegt hat, ist es eine fast omnipräsente Band. Nach wie vor ist das Projekt live unglaublich stark, und das sollten Sammet und seine Crew auch an diesem Abend wieder beweisen. Doch die Abnutzungserscheinungen der letzten Alben und die Tatsache, dass wir auf dieser Tour auf Michael Kiske, Jorn Lande oder Simone Simons komplett verzichten mussten und am Masters Of Rock auch Ralf Scheepers und Eric Martin nicht dabei sein konnten, hinterließen zuvor eine gewisse Enttäuschung. Auch die Tatsache, dass es keine drei Stunden, sondern nur zwei Stunden Show werden sollten, war schade.
Doch nach nur wenigen Minuten war alles vergessen. Nach „Spectres“, das Tobi noch alleine auf der wunderschönen Bühne vortrug, ging es mit „Reach Out For The Light“ los. Ich dachte schon, Geoff Tate würde den Kiske-Part übernehmen, aber weit gefehlt, denn die amerikanische Sängerin und Stimm-Wunderkind Adrienne Cowan kam zu dem großen Hit auf die Bühne und blies alles weg. Wer ihre Projekte LIGHT & SHADE, SEVEN SPIRES oder WINDS OF PLAGUE kennt, weiß, was für eine Stimmgewalt in Form der zierlichen Dame auf der Bühne stand, und so gab es im Verlauf auch ein paar Growls. Bald durften wir Ronnie Atkins begrüßen, den optimistischen, charismatischen und starken Ronnie, der kürzlich den Kampf gegen seinen Krebs vorerst gewonnen hat und dementsprechend fit, fröhlich und stimmstark auf der Bühne agierte. Stark natürlich auch wieder Felix Bohnke an den Drums und Sascha Paeth an der Gitarre sowie Stammkeyboarder Miro Rodenberg. Neu dabei waren überraschend GAMMA RAYs Dirk Schlächter am Bass und Neuzugang Arne Wiegand an der zweiten Gitarre. Aber alle offensichtlich Meister ihres Fachs.
Auch sonst sorgte „The Scarecrow“ für ein wohliges Gefühl, das auch im schwelgerischen „The Story Ain’t Over“ mit Bob Catley am Mikrofon nicht abflachte. Auch Geoff Tate bekam dann bald seinen Auftritt, und Alleskönner Herbie Langhans, der ja mittlerweile bei FIREWIND singt und bisher nur im Backing-Chor zu sehen und hören war, trat für das flotte „Let The Storm Descend Upon Us“ hervor. Tobi durfte natürlich auch wieder quasseln, sich freuen, das alles hier machen zu können, bedankte sich bei den Fans und animierte sie auch immer wieder munter zum Mitsingen. Aber das war nicht nötig, denn die Tschechen waren bei AVANTASIA mittlerweile mehr als sattelfest. „Farewell“, „Lost In Space“, „Dying For An Angel“ – alles Songs zum Tanzen, Hüpfen, Umarmen, Schwelgen. Und so schwelgte man sich in Richtung Finale mit dem großen Doppel „Sign Of The Cross“ und „The Seven Angels“, für die nochmal die komplette Crew auf die Bühne kam.
Auch wenn mir die großen Überraschungen und die Einzigartigkeit der frühen AVANTASIA-Shows fehlen, so muss ich sagen, durch die großartige Band, Crew, Sänger und Show sowie viel Routine schafft es Tobias immer noch, von Anfang bis Ende zu fesseln und zu begeistern. Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut vor Ihnen, Herr Sammet.
Setlist AVANTASIA:
Spectres
Reach Out For The Light
The Scarecorw
Book Of Shallows
The Story Ain’t Over
Alchemy
Invincible
Let The Storm Descend Upon Us
Dying For An Angel
Kill The Pain Away
Promised Land
Farewell
Mystery Of A Blood Red Rose
Lost In Space
–
Lucifer
Sign Of The Cross / The Seven Angels
Der letzte Slot des Tages gehörte der Symphonic-Metal-Band SIRENIA aus Norwegen. Wer am dritten Abend des Festivals noch konnte oder wollte, durfte mit der französischen Sängerin Emmanuelle Zoldan bis in die Nacht headbangen und die Nacht zum Tage machen. Auch wenn mit Morten Veland nur noch ein Gründungsmitglied am Start war, können mehr als 20 Jahre Erfahrung nicht einfach übersehen werden, und so zog die Band eine souveräne Show ab.
Die Mischung aus klarem Gesang der bezaubernden Emmanuelle und den harten Growls von Morten ist zwar nichts Neues, funktionierte jedoch recht gut, auch wenn vieles ähnlich klingt und es inzwischen viele Bands gibt, die diesen Stil ihr eigen nennen. Besonders in Erinnerung blieb mir zu später Stunde der Cover-Song „Voyage, voyage“ der 80er-Jahre-Sängerin Desireless, die mit diesem Song 1987 die Charts stürmte. Mit der nötigen Härte und den richtigen Instrumenten wurde der Song wunderbar aufgepeppt.
Eine Stunde Spielzeit ist nicht viel, wurde aber gut genutzt, und so konzentrierten sich SIRENIA auf das Wesentliche: ihre Musik. Es war ein nettes Konzert der Musiker mit vielen Höhepunkten, was vielleicht auch an der Müdigkeit oder Hitze des Tages lag.
[AndyVanHalen]
Setlist SIRENIA:
Seti (Intro)
Addiction No. 1
Dim Days of Dolor
Into the Night
Deadlight
Treasure n‘ Treason
Wintry Heart
In Styx Embrace
A Thousand Scars
Voyage, voyage (DESIRELESS)
My Mind’s Eye
The Other Side
The Path To Decay
(Seven Sirens And A Silver Tear)
So endete ein ereignisreicher und sehr gelungener Tag mit vielen Highlights und auch Neuentdeckungen. Zu aufgekratzt um schon in die Federn zu fallen gönnte man sich am Campingplatz noch ein Abschluss-Getränk und philosophierte über die Ereignisse des Tages und was da noch so kommen würde.
[AndyVanHalen]