DREAM THEATER - Awake
DREAM THEATER
Awake
(Progressive Metal)

 


Label: Warner Music
Format: (LP)

Release: 1994


Nach dem Erfolg des epochalen „Images and Words“-Werk ging es DREAM THEATER wahrscheinlich nicht viel anders, als den meisten Bands, die die undankbare Aufgabe haben den Nachfolger eines gefeierten Albums auf die Beine zu stellen. Ein Riesen-Erwartungsdruck von Seiten der Käufer, der Presse, der Plattenfirma und nicht zuletzt der Perfektionisten selbst muss da dagewesen sein. Aber wer 1994 auf „Images and Words Part 2“ wartete, wurde auf jeden Fall überrascht. Sicher werden viele sagen „Überrascht: ja. Aber negativ.“, ich aber bin der Meinung, dass „Awake“ der beste Thronfolger für den wohl immer mit seinem übermächtigen Schatten über seine Nachkommen stehenden König der Könige in der DREAM THEATER-Dynastie, namentlich „Images and Words“, ist.
Hier die Begründung:

Anstatt auf der Stelle zu treten, was nicht nur eine kommerzielle Enttäuschung geworden wäre, sondern von vornherein eine künstlerische (ausserdem sollte es ja eigentlich ein Widerspruch sein, wenn „Progressive“ Bands auf der Stelle treten… ), eroberte das Frickel-Konglomerat mit „Awake“ Neuland ohne sein Gesicht zu verlieren. Ohne peinliche, aufgesetzt-wirkende Trendliebäugelei schaffte das Traumtheater es, modernere Elemente wie den Einsatz einer siebensaitigen Gitarre in den Sound aufzunehmen und damit eine perfekt funktionierende Symbiose aus alt und neu zu schaffen.

Allein schon die Produktion macht da viel aus: Wirkte „Images and Words“ für das Jahr 1992 klangtechnisch doch irgendwie altbacken, spiegelt „Awake“ den state-of-art des Erscheinungsjahres wieder. Zur Belegung dieser Aussage möchte ich an eine Aussage von Drummer Mike Portnoy erinnern, die er einmal in einem Interview anlässlich der Veröffentlichung von „Falling into Infinity“ getätigt hat und in der er meinte, das Debüt steht für die Progrockeinflüsse der Siebziger, „Images and Words“ für die musikalische Entwicklung der Band in den Achtzigern und „Awake“ für die Neunziger.

Aber nicht nur die klangliche Verpackung der musikalischen Ideen ist allerfeinst, auch rein kompositorisch haben wir es bei „Awake“ mit einem Meisterwerk zu tun:

„6:00“, das einen an das Cover angelehnten Text hat und gleich einmal die Siebensaitige auspackt, macht den Anfang.
„Caught in A Web“ dann erst so richtig, wofür John Petrucci, der ja damals bei der gleichen Gitarrenschmiede wie Seven-String-Innovator Steve Vai endorsed war, eigentlich seine zusätzliche Saite braucht. „Innocence Faded“ besticht durch seinen eingängigen Refrain.
„Erotomania“ ist so etwas wie die zeitgemässe Umsetzung der Instrumentals der legendären DIXIE DREGS, durchläuft verschiedene Musikstile vom harten, in Chromatik gehaltenen Fusion bis hin zum hymnischen Ende. Zwar kann das Instrumental des Albums nicht an den Mittelteil des DREAM THEATER-Magnum Opus vom Vorgänger, „Metropolis“, ran, aber wie viele Kompositionen der Musikgeschichte können das schon? „Voices“ ist Gänsehautmusik pur, „The Silent Man“ dann ein einfacher Popsong. „Mirror“ beginnt mit einer dieser wahnsinnig mitreißenden Rhythmusspielereien, die die Herren Portnoy, Myung und Petrucci schon immer gerne hatten, die aber nun mit Instrumenten, deren Spielraum nach unten weiter ist, natürlich umso besser funktionieren, weil sie einfach wuchtiger daher kommen. Gegen Ende gibt es den 11-Minuten-Track „Scarred“, der wieder so richtig verspielt ist, und zu guter Letzt noch „Space-Dye Vest“, das von einem melancholischen Piano getragen wird und zugleich die Abschiedsnummer von Keyboarder Kevin Moore ist. „Lie“ und „Lifting Shadows Off A Dream“ sollen hier nicht unter den Tisch fallen, wer bei den Kommentaren die beste Analyse dieser Stücke liefert, bekommt von der earshot-eigenen Progrock&Jazz-Polizei-Jury ein Salzgurkerl als Preis!

Fazit: Entwicklungstechnisch ein wichtiger Schritt für DREAM THEATER, da die Band hier erstmals – zwar noch mit deutlichen Einflüssen aus der Vergangenheit – aber doch in der Gegenwart musiziert, wie es seitdem auch geblieben ist. Da die Qualität der folgenden Alben immer wieder gewissen Schwankungen unterlegen ist, muss man auch noch sagen, dass „Awake“ zweifelsohne einer der Releases der Bandgeschichte ist, die sich nicht vor „Images and Words“ verstecken müssen.

 


Tracklist „Awake“:
1. 6:00
2. Caught In A Web
3. Innocence Faded
4. Erotomania
5. Voices
6. The Silent Man
7. The Mirror
8. Lie
9. Lifting Shadows Off A Dream
10. Scarred
11. Space-dye Vest
Gesamtspielzeit: 75:03


www.dreamtheater.net

 

DREAM THEATER - Falling Into Infinity
DREAM THEATER – Awake
LineUp:
James LaBrie
John Petrucci
John Myung
Kevin Moore
Mike Portnoy
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