SONATA ARCTICA - Reckoning Night

SONATA ARCTICA
Reckoning Night
(Power Metal)

 


Label: Nuclear Blast
Format: (LP)

Release: 11.10.2004


Mother always said:
My son, do the noble thing!
You have to finish what you started.
No matter what, now sit, watch and learn.
Don´t Say A Word

Nicht einmal zwei Jahre ist es her, dass uns die Finnen von SONATA ARCTICA mit „Winterheart’s Guild“ ein Album vorgelegt haben, welches von Highlights gerade so voll war und sogar noch die hervorragenden Vorgängerwerke um einiges übertraf. Die Frage war nun natürlich, in welche Richtung SONATA ARCTICA weitergehen würden um auch dem noch etwas draufsetzen zu können. Einen kleinen Vorgeschmack konnte man hierzu schon bei der vorangegangenen Single „Don’t Say A Word“ erhalten, die im Heimatland der Melodic Metaller sofort auf die erste Position in den Charts schoss, und das bei Gott nicht grundlos, denn dieser Song gehört für mich klar mit zum Besten, was diese Band je abgeliefert hat. Hier macht sich natürlich sofort die Sorge breit, dass das restliche Album nicht mithalten und man nur mit diesem Hit beeindrucken kann.

Doch diese Sorge ist vollkommen unbegründet, denn unter dem Namen „Reckoning Night“ verstecken sich zehn Songs ausgezeichneter Qualität. Das Album beginnt mit dem flotten und mitreißenden „Misplaced“, das vor allem durch den hervorragenden Refrain und die perfekt gesetzten Soli überzeugen kann. Dank der überaus gelungenen Produktion kommt auch noch der nötige Bums rüber und verleiht dem Stück enorm viel Kraft.

Es folgt das ein wenig schleppend melancholische Stück „Blinded No More“, welches vor allem durch die wundervolle Stimme Tony Kakkos und dessen beeindruckende Lyrics lebt, ansonsten eher einfach gestrickt ist, aber trotzdem, besonders nach einigen Durchläufen, ungeheuer gut gefällt und Ohrwurmqualitäten aufweist. Musikalisch bewegt man sich großteils auf bekanntem Terrain. Immer noch ist es Melodic Metal aller oberster Güte, den die Jungs fabrizieren. Allerdings werden auch nach wie vor leicht progressive Elemente miteinbezogen und hier und da treten selbst Power Metal typische Passagen auf.

Trotz dieses sehr starken Anfangs muss ich doch sagen, dass es ab diesem Punkt erst richtig los geht. Man vernimmt kurz das Knurren eines Wolfes und befindet sich wenige Sekunden später im schnellen „Ain’t You Fairytale“ wieder. Wie wohl das Knurren vermuten lässt dreht sich der Inhalt des Tracks um Wölfe, die ja nicht zum ersten Mal einen Platz in der Welt von SONATA ARCTICA bekamen. Erstaunlich ist es aber dennoch jedes Mal wieder, wie überzeugend diese Musiker im Stande sind jedes beliebige Szenario glaubhaft, nachvollziehbar und bewegend zu vertonen.
Eine kleine Verschnaufpause wird mit „Reckoning Day, Reckoning Night“ eingelegt. Hierbei handelt es sich um ein sehr symphonisches und melancholisches Instrumental, das aber doch keineswegs negativ heraus sticht, vielmehr als perfekter Spannungsaufbau dient, obwohl dieser gar nicht nötig gewesen wäre, denn was folgt übertrifft wahrlich beinahe alles bisher von SONATA ARCTICA dagewesene. Ich wusste ja, dass die Single-Version von „Don’t Say A Word“ ein kleines Meisterstück darstellt, aber was damit noch einmal auf dem Album gemacht wurde, lässt die Vorabversion doch noch weit hinter sich. Es sind zwar mehr die Kleinigkeiten, die diesen Sprung ausmachen, aber „Don’t Say A Word“ klingt noch einmal um ein Stück echter, überzeugter, faszinierender. Der Anfang wurde ein wenig abgeändert, mehr Text kommt dazu und ein ruhigerer, aber total passender Teil wurde hinzu gegeben. Was nun herauskommt ist wahrlich einer der besten Songs, die ich im gesamten (Melodic) Metal Genre je gehört habe.
Im Grunde wäre es ja nun egal gewesen, wie die CD sich fortsetzt, denn schon zu diesem Zeitpunkt wäre eine Kaufempfehlung von mir gekommen. Doch so einfach machen es sich die Finnen selbst nicht. Es scheint, als wäre man sich gleich im Klaren darüber gewesen, dass man „Don’t Say A Word“ nicht erneut von einem schnellen Track folgen lassen kann, sondern die Richtung wechseln muss. Und genau das hat man vorbildlich getan. „The Boy Who Wanted To Be A Real Puppet“ spielt sich auf einer langsameren und traurigeren Ebene ab, bleibt gleichzeitig aber dennoch sehr kräftig und überzeugt mit viel Chor-Arbeit, die das ganze aber nur bereichert und nicht stört. Und zum zweiten Male muss ich meine Bewunderung aussprechen. Das Thema Pinocchio wäre wohl keines gewesen, welches ich mich mir gewünscht hätte. Nichtsdestotrotz schaffen es SONATA ARCTICA daraus eine eindrucksvolle Halbballade zu formen, die sicher nicht den Wunsch nach einem anderen Thema zulässt.
Die Reise geht mit „My Selene“ wieder etwas zurück in die Zeit. Problemlos hätte nämlich dieser, fast als nett zu bezeichnende Song, auf früheren Veröffentlichungen einen Platz gefunden. Zwar kommt er ein wenig unauffällig daher, entpuppt sich dann aber doch als Ohrwurm und schon nach ein paar Mal hören, kann man den Refrain und große Teile der Verse zumindest mitsummen.

Und wieder überraschen SONATA ARCTICA auf diesem Silberling. Der achte Track „Wildfire“ beginnt mit einer kleinen Erzählung, die in den Worten „Burn it… burn it all“ endet und plötzlich wird der geneigte Hörer in ein anspruchsvolles, leicht verwirrendes Netz an relativ seltsamen Strukturen und vor allem untypischen Lyrics gezogen. Auf seine Weise wirkt er irgendwie befreiend und wie ein kleines Spiel zum Austoben für die Band. Ins Gesamtbild des Albums passt er überraschenderweise trotzdem hinein und symbolisiert das letzte härtere Aufbäumen. Denn anschließend kommt der epische, fast neun Minuten lange Track „White Pearl, Black Oceans“, der resignierend und verzweifelt durch die Boxen dröhnt. Ein sehr ruhiger und trauriger Teil leitet den Song ein, der nach und nach immer mehr ein selbstquälerisches, hoffnungsloses Flehen wird.

„My direction, down, down, down
Bleeds black night for my home town
Black oceans beneath shall now swallow me“

Und das Einzige, was nun noch fehlt, nämlich eine erstklassige Ballade, wird im abschließenden Song „Shamandalie“ geboten. Liebevolle, gleichzeitig aber auch bereuende Lyrics gepaart mit leichtem Klavier und Akustikgitarren-Sound machen auch diesen noch zu einem äußerst gelungenen Werk und schließen „Reckoning Night“ optimal ab.

Man verzeihe mir die langen Ausführungen, aber dieses Werk hätte ich nur ungern in einer kürzeren Fassung besprochen. „Reckoning Night“ reißt einfach mit und ist mit dem Vorgängeralbum zumindest gleichzusetzen, setzt für mich persönlich sogar noch einen drauf und kann mit mehr Abwechslung und eigenständigeren Songs punkten.
Ein Pflichtkauf, natürlich.

 


Tracklist „Reckoning Night“:
1. Misplaced
2. Blinded No More
3. Ain’t Your Fairytale
4. Reckoning Day, Reckoning Night
5. Don’t Say A Word
6. The Boy Who Wanted To Be A Real Puppet
7. My Selene
8. White Pearl, Black Oceans
9. Shamandalie
Gesamtspielzeit: 55:27


www.sonataarctica.info
www.facebook.com/sonataarctica

 

 

SONATA ARCTICA - Ecliptica
SONATA ARCTICA – Reckoning Night
LineUp:
Tony Kakko
Jani Liimatainen
Marko Paasikoski
Tommy Portimo
Henrik Klingenberg
10
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