Trotz konstantem, eingespieltem Line-Up hat das brasilianische Quintett etwas über drei Jahre gebraucht, um vorliegende Konzeptstory auf die Reihe zu kriegen, was der (internationalen) Popularität sicherlich nicht förderlich war. Da sich allerdings im Melodic Metal-Segment weltweit seither auch nicht viel bewegt hat, dürfte die neue ANGRA einschlagen wie zwei, zwölf Mojitos zum Frühstück, denn sie ist sicherlich das Beste seit „Holy Land“ und schließt stilistisch sogar teilweise an das ’96er Fabelwerk an. Soll heißen, die Hauptkomponistengitarristen Loureiro und Bittencourt riskierten wieder mal einen Blick in ihre Personalausweise und woben die Sounds der Heimat einmal mehr souverän in den eigenen Klangteppich.
Obwohl das klassische Keyboard-Intro inzwischen zu so etwas wie einer Tradition im Hause ANGRA avanciert ist, finde ich es nach wie vor frech, dass substanzlose Geklimper als vollwertigen Track auszuweisen. Auch der pfeilschnelle, eigentliche Opener ist trotz Tuning mit weiblichem (Edelsbacherischem) Ariengeschmetter lediglich eine Art kompositorische Aufwärmübung. Nach der Tempo/Break & Soli-Leistungsschau „Angels And Demons“ folgt bereits die Kulmination (oder der Orgasmus, ihr geilen Böcke!) „Waiting Silence“, das merkwürdigerweise über einen deutlich besseren Sound als die restlichen elf Tracks verfügt. Davon abgesehen geht die Band so progressiv und cool ab wie lange nicht mehr, spendiert einen großartigen Refrain und selbst Basser Andreoli darf richtig loslegen.
Schade, dass unmittelbar danach die vor allem gesanglich verunglückte AOR-Ballade „Wishing Well“ verdaut werden muss, obgleich gerade hier erwähnt werden sollte, dass Falaschi ansonsten ein beeindruckendes gesangliches Spektrum aus sich herauspresst und dass das Name-Dropping mit den Herren Kürsch und Hansen („Temple Of Hate“) in allen Belangen unnötig ist; lediglich Frau Edelsbacher wird die fünfte Studioscheibe später noch wirklich tonal bereichern. Mit eben „Temple Of Hate“ schwenkt die Angelegenheit kurzfristig Richtung RHAPSODY, was durchaus interessant klingt, um schließlich mit „Shadow Hunter“ und später „Sprouts Of Time“ an oben erzählte Großtaten anzuschließen: Der Flamenco gibt den Rhythmus vor, (Akustik)Soli en masse untermalen den plötzlich an Roine Stolt (FLOWER KINGS) erinnernden Falaschi – soft aber gut und einfallsreich. „No Pain For The Dead” schaltet noch einen Gang weiter zurück bis in die barocke Lieblichkeit weit hinter der Kitschgrenze, aufgemotzt durch Musical-Elemente und besagter Edelsbacher, Sabine. Anschließend schaut BLIND GUARDIANs gewohnt heiserer Hansi Kürsch mit einer soliden Leistung beim von Celli eröffneten und auch sonst recht experimentellen „Winds Of Destination“ vorbei.
Um auf die üblichen Begleitumstände zu sprechen zu kommen: Die Produktion stammt einmal mehr von Dennis Ward, der es locker gepackt hat das komplexere Material um einiges saftiger als den Vorgänger „Rebirth“ abzumischen; abgerundet wird „Temple Of Shadows“ vom thematisch stimmigen Artwork und dem famosen „Morning Star“.
Tracklist „Temple Of Shadows“:
1. Deus Le Volt!1. Deus Le Volt!
2. Spread Your Fire
3. Angels And Demons
4. Waiting Silence
5. Wishing Well
6. Temple Of Hate
7. Shadow Hunter
8. No Pain For The Dead
9. Winds Of Destination
10. Sprouts Of Time
11. Morning Star
12. Late Redemption
Gesamtspielzeit: 66:32