Schon vorab kündigte Einar Solberg an, dass das neueste LEPROUS Album mit nichts zu vergleichen ist, was man bisher gemacht habe und fügte ganz ehrlich hinzu, dass dieses Werk wohl keiner von ihnen erwartet habe. Dass die norwegischen Dark/Progressive Metal Shooting-Stars von Veränderungen im Sound keine Scheu haben, verdeutlichte spätestens das letzte Werk „Malina“. Man behielt seine Trademarks, schwenkte aber in rockigere Gefilde und probierte Neues.
Nun ist „Pittfalls“ nicht nur anders, sondern auch das persönlichste Album der Bandgeschichte, denn Einar offenbart hier sein Innerstes und erzählt in neun Tracks von seinem eigenen Erlebnis vom Fall in tiefe Gruben und Depression. Fans der ersten Stunde sind ja Entwicklungen und Veränderungen von Album zu Album gewohnt und selten war man den Norwegern böse wegen neuen Wagnissen, auch wenn viele Fans die aggressiven Anfänge der Truppe vermissen. Doch nun wagte man wirklich den größten Schritt.
Fangen wir einfach mal damit an, worauf sich LEPROUS Fans auf jeden Fall freuen können, nämlich weiterhin auf extravagante Melodien, düstere und melancholische Atmosphäre und hypnotische Songaufaufbauten, denn was das betrifft, steht das sechste Album definitiv seinen Vorgängern in nichts nach. Auch Einars eindringliche Vocals sind stark, wenn nicht sogar an manchen Stellen stärker denn je, aber dazu später mehr. Auch wieder mit dabei ist Cellist Raphael Weinroth-Browne, der am Vorgänger schon mitgewirkt hat und auch auf Tour seit ein paar Jahren den Sound von LEPROUS nochmal auf eine höhere Ebene hievt. Dazu gesellt sich außerdem Violinist Chris Baum, der ebenso wie Raphael an den Streicher-Arragements mitgearbeitet hat.
So nun wird es ernst, was ist an „Pitfalls“ so anders? Kurz und schmerzlos: es ist alles andere als Metal oder Rock. Den Schock verkraftet? Dann kann man aufatmen, denn LERPOUS sind trotzdem irgendwie noch sie selbst, wenn auch „Pitfalls“ eventuell besser als Einar Solberg-Solo Album bezeichnet werden könnte oder sogar sollte. „Below“ macht es vor: Keyboards, Sounds und eine Atmosphäre, die wir von der Band kennen, doch Gitarren sind maximal als homöopathische Dosis zu erkennen, dafür übernimmt ein düsterer Würgegriff und lässt einem kaum mehr los, doch dann die Erlösung, denn nachdem Einar traurig und resignierend wimmert und dabei ehrlich und schonungslos von seinen Gefühlen singt, lässt er sie auch bald so richtig raus. Gitarren gesellen sich hinzu und die traurige Ballade nimmt mit enormer Intensität ihren Lauf. Auch die zweite Single „Alleviate“ geht eine ähnliche Richtung, tönt insgesamt aber befreiter und hoffnungsvoller und hier dreht Einer so richtig auf. Erwartet man auch hier keine rockigen oder gar metallischen Riffs, dann kann sich Gänsehaut einstellen. Die Vocallines sind gelungen und herrlich anders und auch sonst gibt es hier wieder neue Elemente zu entdecken. Leider können nicht alle Songs auf einen so grandiosen Climax hoffen, denn „Lose Hope“, das einen coolen Drive und interessante Synthies besitzt lässt ebenso wie das mit Disco-Beats ausgestattete „By My Throne“ einen richtigen Höhepunkt vermissen. Zum Glück nehmen die Norweger aber in der zweiten Hälfte Fahrt auf. „At The Bottom“ geht nicht nur an die Nieren, sondern auch bald ins Ohr und hat den bisher metallischsten Unerton, der sich wunderbar in Kontrast mit den düsteren aber doch irgendwie leichtfüßigen Keyboards stellt. „Distant Bells“ braucht dann etwas bis es in Fahrt kommt, tut es im letzten Drittel dafür umso mehr und überzeugt mir wunderschönen Streicher-Einsätzen und einem psychedelischen Übergang in das herzzerreißende Finale, das ich unbedingt einmal live erleben möchte. Dass „Foreigner“ als eine Art Pendant zu „From The Flames“ der rockigste, eingängigste und leichteste Song gegen Ende ist, verwundert nicht, denn „The Sky Is Red“ ist dann ein 11-Minuten Epos, der mit Bombast, einem echten Chor und unheimlicher Atmosphäre nochmal in den depressiven Strudel zieht. Hier passiert nochmal richtig viel und ob des vermehrten Einsatzes der Gitarren, hätte der Track durchaus auch auf dem Vorgänger Platz gehabt.
Nach einer kleinen Enttäuschung bei den ersten Durchläufen, konnte ich eigentlich dank der enormen Leistung, die Einar hier stimmlich abliefert, dem einsetzenden Sog dieses unheimlich atmosphärischen Albums und der nicht von der Hand zu weisenden Trademarks der Band, doch schnell meinen Frieden mit „Pittfalls“ schließen. Natürlich wünsche ich mir wieder mehr blackmetallische Einflüsse, Screams und die Wut der ersten Werke, doch LEPROUS scheren sich nicht um Genres, Bezeichnungen oder Schubladen, sondern spielen die Musik, die ihnen gefällt und ihre Gefühle ausdrückt und so kann auch das neueste Album trotz kleiner Durchhänger mehr als überzeugen.
Tracklist „Pitfalls“:
1. Below
2. I Lose Hope
3. Observe The Train
4. By My Throne
5. Alleviate
6. At The Bottom
7. Distant Bells
8. Foreigner
9. The Sky Is Red
Gesamtspielzeit: 55:30