Ganze 16 Jahre war es still um die deutschen Death Metaller APOPHIS. Doch jetzt meldet sich der altägyptische Gott endlich mit dem 5. Album zurück. Wir haben bei der Truppe nachgefragt, was denn in letzter Zeit so passiert ist und wie es um die Zukunft der Truppe steht.
Hi Erik, wie läuft es gerade bei euch und wie fühlt ihr euch so kurz vor dem Release eures neuen Albums. Ich meine, gerade nach der Pandemie und der doch sehr langen Pause seit dem letzten Release muss das ja nochmal etwas Anderes sein.
Hi Max, wir haben gerade die Videoaufnahmen zum Titelsong „Excess“ abgeschlossen und sind sehr gespannt auf das Ergebnis. Wir würden natürlich gerne ein paar Festivals spielen und nach der Veröffentlichung unsere CD promoten, aber es ist leider nicht absehbar, was machbar ist und was nicht. Aktuell ist sogar fraglich, ob unsere Releaseparty stattfinden kann.
Live waren wir ja nie so ganz weg vom Fenster, da wir immer wieder einzelne Shows gespielt haben. Aber der letzte Release ist ja bekanntlich eine ganze Weile her, weshalb wir natürlich umso gespannter sind, wie das neue Album aufgenommen wird.
Apropos – warum sind 16 Jahre seit dem letzten Werk „I Am Your Blindness“ vergangen?
Angefangen hat die lange Pause mit einem Lineup-Wechsel, nachdem wir etliche Konzerte nach Veröffentlichung der „I Am Your Blindness“ gespielt hatten. Danach ergriff unser Gitarrist und Mastermind Roger die Gelegenheit, in England zu leben und zu arbeiten, während jeder in der Band eigene Projekte und private Änderungen verfolgte (Musik, Familie, …). Somit ruhten die meisten Aktivitäten innerhalb der Band, bis wir uns dazu entschlossen, ein neues Album aufzunehmen.
Jedoch spielten wir wie gesagt immer wieder zu besonderen Anlässen, etwa auf Festivals, zu denen Roger jedes Mal aus England einfliegen musste. In den letzten Jahren flogen wir immer häufiger nach England, um dort einzelne Shows oder auch eine Minitour zu spielen.
Und dann war da ja noch die Pandemie, die einiges verzögert(e).
Es hat sich auch im Lineup etwas getan seither. Was kannst du mir dazu erzählen?
Es ist halt der steinige Teil im Weg einer Band, die mittlerweile seit über 30 Jahren besteht, dass immer wieder Besetzungswechsel zu verkraften sind. Während Bernd relativ bald nach der „I am your Blindness“ zu uns stieß, kam Fabian, der ja mit Bernd schon bei MENTAL AMPUTATION und DAWN OF DREAMS spielte, ca. 2011 zur Band. Wir kennen uns untereinander mittlerweile seit gefühlt 899 Jahren, sodass dieser Bandinzest fast schon zwangsläufig war, haha.
Mit den Bassisten hatten wir immer die meisten Besetzungswechsel. In den letzten Jahren hatten wir live deshalb immer nur wechselnde Sessionbassisten. Aber auch das fand ein glückliches Ende, als letztes Jahr Guntram, dessen alte Band BEHIND THE SCENERY wir auch schon seit hundert Jahren kennen, zu uns stieß.
Wo seht ihr die Unterschiede zu früheren Werken?
Wenn wir die Entwicklung von Album zu Album betrachten, gibt es gar nicht so viele Unterschiede, denn wir machen im Prinzip da weiter, wo wir 2005 aufgehört haben. Die Riffs und die grundsätzlichen Arrangements stammen aus den Jahren direkt nach dem letzten Album. Für die Aufnahmen selber haben wir die Songs dann aktualisiert und überarbeitet.
Im Vergleich zu unseren Anfängen ist unsere Musik jetzt wesentlich weniger frickelig und verspielt, sondern viel klarer und transparenter im Aufbau, mit weniger verschiedenen Riffs pro Song und dadurch bestimmt eingängiger.
Was allerdings geblieben ist, sind die melancholischen Melodien, die Gitarrensoli, die weit weg von Hightech-Gefrickel den Songs eine zusätzliche Qualität verleihen und das Schlagzeug, das jeden Song unterstützt. Aus der Phase, wer kann die meisten Schläge pro Sekunde oder die abgedrehtesten Fills spielen, bin ich schon raus.
Neu hinzugekommen sind dagegen Samples, die wir seit einigen Jahren auch live umsetzen und die Erweiterung von Bernds Gesang in den cleanen Bereich. Wir sind noch nie davor zurückgeschreckt, Neues zu probieren.
Können wir uns jetzt wieder auf regelmäßige Veröffentlichungen und Live-Aktivitäten verlassen?
Ich hoffe doch sehr. Wir machen auf jeden Fall weiter. Was das Live-Spielen angeht, gibt es die erwähnten Einschränkungen, wodurch sich das mit Austauschgigs nicht so einfach gestaltet.
Wie lief die Entstehung des Albums ab? Gab es da auch größere Unterschiede zu damals?
Klar, es war ja eine komplett andere Situation als bei den Alben davor. Irgendwann 2017 meinte Roger, dass wir die Songs, die jetzt auf „Excess“ gelandet sind, neu aufnehmen sollten, da das Material viel zu gut sei, um es nicht zu veröffentlichen. Also organisierten wir die ganze Aufnahmegeschichte: Ich flog im Mai 2018 nach London, um die Schlagzeugspuren aufzunehmen. Der Rest wurde im folgenden August in unserem ehemaligen Proberaum bei Aalen aufgenommen. Dazu blieb Dan (Baune – damals Gitarrist bei MONUMENT) nach einer Festivalshow auf dem Summer Breeze einfach in Deutschland. Er und Roger produzierten und mischten das Album. Kurz darauf nahm Fabian Kontakt zu Misanthropic-Art auf, um mit ihm das Coverkonzept zu besprechen.
Schließlich konnten wir auch Dan Swanö fürs Mastering gewinnen und dann ging es mit der Suche nach einer Plattenfirma los…
Wo nehmt ihr eure Inspiration für die Texte her?
Da kann ich natürlich nur für mich sprechen. Ich verarbeite in meinen eigenen Texten Gedanken, die ich beim Lesen von Büchern oder beim Fernsehen habe. Früher handelten alle Texte in irgendeiner Form vom Tod, wobei ich die blutige Seite, also Splatter, in der Regel ausgelassen habe. Bei mir ging es um die Psyche, die Verzweiflung, die Schizophrenie, die Angst, Abtreibung oder allgemein den religiösen Aspekt dabei. Inzwischen geht es auch um Menschen, die sich für nichts mehr begeistern können, der Frage aller Fragen am Ende des Lebens oder die täglichen Versuchungen. Bei „Auftragsarbeiten“ erarbeite ich Texte nach Vorgaben der Bandkollegen, ha ha.
Was wollt ihr mit dem Titel und Artwork aussagen?
Wir sehen hier den Gott des Exzesses, der Ausschweifung, der Verführung usw. Vergiss die Zurückhaltung! Denk nicht an morgen! Lebe im Hier und Jetzt und ohne Reue! Lebe dein Leben und genieße es. Das könnte dann auch schon Richtung Gier oder Grenzenlosigkeit gehen. Es geht darum, ehrlich zu sich selbst zu sein. Da lassen wir dem Hörer gerne Raum für eigene Interpretationen.
Was habt ihr in den eineinhalb Dekaden getrieben? Man sieht, ihr seid offiziell auch in anderen Bands, recht aktiv sind COCKROACH, DAWN OF DREAMS und MENTAL AMPUTATION ja auch nicht. Was ist da los?
Tja, da hat jeder so sein Leben verfolgt. Bei COCKROACH gestaltet es sich wie bei APOPHIS: Es gab viele Besetzungswechsel nacheinander, die die Band jeweils zurückwarfen. Wir hatten geplant, letztes Jahr ein Album aufzunehmen, aber wie mit APOPHIS und alle anderen Bands auch durften wir uns ja nicht einmal zum Proben treffen. Genug Material für das nächste Album gibt es. Um DAWN OF DREAMS ist es so still geworden, weil deren Mastermind Maggeson ebenfalls bei REVEL IN FLESH die Fäden in der Hand hält und dort sehr beschäftigt und viel unterwegs ist. Bei MENTAL AMPUTATION gilt das Gleiche in Grün. Der Master ist bei uns und ansonsten ist es wieder die unvollständige Besetzung, soweit ich weiß.
Habt ihr denn auf musikalischer Ebene Einflüsse? Ich finde, ihr habt schon euren eigenen Stil gefunden, aber hier und da fallen mir AMON AMARTH, SIX FEET UNDER oder auch ILLDISPOSED ein. Stören euch solche Vergleiche?
Na ja, ich hätte da wahrscheinlich andere Einflüsse genannt, aber okay, hahaha. Interessanterweise hatten wir die Diskussion innerhalb der Band auch schon, ob wir wegen einem Riff in einem Song („End of the Path“) in die AMON AMARTH-Ecke gestellt werden würden. An unserem Stil arbeiten wir letztlich so lange es die Band schon gibt. Wir haben natürlich unsere Einflüsse, aber die kommen aus allen musikalischen Genres. Roger hört beispielsweise privat kaum Metal. Meine Bandbreite geht von extremem Metal bis zu sinfonischer Musik und Opern. Die Einflüsse für unsere Musik waren und sind CARCASS; MORBID ANGEL, DEATH, OBITUARY und ENTOMBED, natürlich auch KREATOR, DESTRUCTION und SLAYER (bei unseren ganz frühen Sachen), aber auch PINK FLOYD und die ROLLING STONES sind im Mix zu finden.
Kurz noch in eure ferne Vergangenheit: Ihr habt ja als RAISE HELL gestartet. Warum habt ihr euch dann umbenannt und wie kam die Idee mit dem ägyptischen Gott?
Raise Hell lässt sich auch übersetzen als „Mordskrach“ und das war 1988 noch unser Programm. Als unsere Songs dann so langsam Strukturen und dadurch auch so etwas wie einen Wiedererkennungswert bekamen, gab es dann die ersten Besetzungswechsel. Inzwischen war es 1990 und der Death Metal kam in unserem Kaff an. Wir orientierten uns an obengenannten Bands und überlegten uns ein Konzept. Blutig/Splatter oder satanisch passten nicht zu uns und auf einen platten Namen hatten wir keinen Bock. Also studierten wir die verschiedenen Mythologien und bei der ägyptischen wurden wir fündig. Die Geschichte um Apophis oder Apep ist faszinierend (haben wir in dem Song „Apophis – Hostile Forms“ auf unserem ersten Album „Gateway To The Underworld“ verarbeitet) und die dazugehörige Kultur ist steinalt. Das Konzept fanden wir cool, wenn es auch NILE ein paar Jahre später wesentlich konsequenter umsetzten. Und es gab im Gegensatz zu heute noch keine Band, die so hieß. Heute scheint das ja egal zu sein, ob es schon zwei, drei Bands mit diesem Namen gibt (wenn wir nur so etwas wie Internet hätten, um das herauszufinden…).
Ich danke euch für das Interview. Gibt es noch etwas zu sagen?
Sehr gerne, Max, und auch dir vielen Dank. Checkt unsere Videos zu „Temptations“ (schon online) und „Excess“ (ab dem 23.08.).
Bleibt gesund und see you on the road!