Die Szene aus FLINTA-Perspektive
Verlag: Ventil Verlag
Autor*innen: Diana Ringelsiep / Ronja Schwikowski (Hg.)
Format: (Buch)
Release: 28.08.2022
Die beiden Herausgeberinnen Diana Ringelsiep, freie Journalistin, Autorin und feministische Aktivistin, die über ihre Social Media Kanäle schon seit geraumer Zeit über sexistische Strukturen in der Gesellschaft und Punkszene aufklärt sowie Ronja Schwikowski, sie ist seit 2014 Chefredakteurin beim Plastic Bomb Fanzine und Geschäftsführerin des dazugehörigen Mailorders und Plattenlabels; haben nun eine illustre wie interessante Auswahl an FLINTA‘ versammelt die ihre persönlichen Erfahrungen und Geschichte(n) in der Punkszene in den einzelnen Kapiteln schildern.
Doch zuerst ein kleiner Exkurs zum Begriff wie von den beiden im Vorwort zum Buch erkärt sowie dem Hintergrund dieser Publikation: Das Akronym FLINTA steht für „Frauen, Lesben, Intersexuelle-, Nicht-Binäre-, Transgender- und Agender“-Personen. Dieser Begriff dient der Sichtbarmachung von Geschlechtsidentitäten und eint somit alle Menschen, die von patriarchalen Strukturen betroffen sind. So schreiben die Beiden: „Wir möchten Menschen eine Plattform geben, die es leid sind, in ihrem subkulturellen Umfeld bloß gesehen, aber nicht gehört zu werden.“ Denn auch die Punk und Hardcore – Szene sind bis heute stark männerdominiert und hat somit ähnliche Probleme wie unsere patriarchalische Gesamtgesellschaft. Und so ist es der mehr als berechtige Anspruch von „PUNK as F*CK“ nicht nur diese Strukturen und Missstände aufzuzeigen, sondern versteht sich auch als Aufruf zur Mitgestaltung der notwendigen Veränderungen innerhalb der Szene.
In den 50 Beiträgen kommen Autor*innen mit den unterschiedlichsten Backgrounds zu Wort, so gibt es die eher wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema von Veronika Kracher, die u.a. zu Themen wie Incel-Subkultur, der Alt-Right oder Rechtsterrorismus forscht, oder die Erfahrungen in der wohl besonders machoiden Oi!-Szene von Mia, Sängerin von Oi!RONIE. Weiters berichten FLINTA aus unterschiedlichen Generationen von sexuellem Missbrauch, häuslicher und psychischer Gewalt, die ihnen in ihrem Leben widerfahren sind.
Veranstalter*innen und Techniker*innen erzählen von Mansplaining und den Schwierigkeiten als FLINTA in der Szene als „voll“ genommen zu werden. Zusätzlich kommen (feministische) Labelgründer*innen, Betreiber*innen von einschlägigen Fanzine und/oder Blogs sowie Kleinunternehmer*innen zu Wort, die nicht nur ihre Leidenschaft für Punkmusik unterstreichen sondern diese auch zum Beruf machen konnten. So erzählt z.B. Liza Sew, wie sie ihr Punkrock -Kleidungs Label ins Leben gerufen hat und trotz aller Widrigkeiten zum Erfolg geführt hat.
Liz Dork von den DIE DORKS berichtet von ihrer Punkjugend im konservativen Bayern und ihre kindliche Karriere in der Volksmusik. Darüberhinaus bekommt man Erfahrungsberichte FLINTA’s aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, so erzählen die Psychologin, die Gynäkologin, die Bundestagsabgeordnete oder die Straßenmusikerin aus Berlin oder man erfährt von der Erstellung von Awareness Konzepten für Festivals u.a. für das österreichische SBÄM Festival. Abgerundet wird dies durch die Beiträge die im Interview-Stil gehalten sind, wie das sympathische und aufschlussreiche Gespräch mit Saskia Lavaux von den großartigen SCHROTTGRENZE. Diese Aufzählung könnte munter so weitergehen, denn jedes Kapitel für sich ist sowohl interessant als auch lehrreich.
Somit ist „Punk As F*ck“ ein spannendes, wichtiges aber auch teilweises betroffend machendes Buch, dass nicht nur den Eingangs erwähnten Ansprüchen mehr als gerecht wird, sondern es auch mühelos schafft, gerade jene die oft schon sehr lange Teil der (erweiterten) Punk-Szene sind zur Selbstreflexion zu bewegen, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen.
Kurzum eine absolute Kauf- wie Leseempfehlung, vorallem oder gerade an meine (in vieler Hinsicht privilegierten) Geschlechtsgenossen, die mit Sicherheit nicht nur zum Nachdenken angeregt werden, sondern auch die mehr als überfällige Gelegenheit haben diese „ihre“ Szene aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
Broschur
Seiten: 448
24,00 €(D)
ISBN 978-3-95575-187-6
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