Keine Zeit für die Durchführung von Weltherrschaftsplänen

Mit ihrem aktuellen Album „Whiteout“ sorgen die Wiener*innen von PHAL:ANGST ordentlich und zurecht für Furore. Anlass genug die Band zum Interview zu bitten und Alfred Wihalm stand uns stellvertretend für die übrige Truppe Rede und Antwort.


Keine Vertreter des magischen Denkens in unserer BandeAlfred


Zum Einstieg, erstmals Glückwunsch zum Release von „Whiteout“. PHAL:ANGST kann ja mit eurem über 15-jährigen Bestehen als österreichische musikalische Institution bezeichnet werden, könnt ihr unseren Leser*innen trotzdem kurz euren musikalischen Background und eure Entstehungsgeschichte umreißen?

Klar, uns gibt’s zwar lang, aber wir sind ja nicht berühmt: Philipp & Alfred hatten das Industrial-Punk-Duo PHAL, dh. Playbacks, viele Samples, Metal/Punk Gitarren & jaulende Vocals. Dion war als PROJEKT ANGST solo aktiv und machte Ambient/Industrial/Noise Zeug. Befreundet waren wir schon länger, 2006 haben wir aus Anlass eines Geburtstagsfestes der Netzkulturinitiative „med-user.net“ im Wiener „Rhiz“ beschlossen ein gemeinsames halbimprovisiertes Set zu spielen. Das hat Spaß gemacht und wir haben weitergemacht, bald mal einen Bassisten hinzugenommen, Gigs gespielt, Songs richtig auskomponiert, aufgenommen und veröffentlicht. Jetzt haben wir 17 Jahre später.

phal:angst interview

Zwar gilt die Pandemie inzwischen ja offiziell als beendet, aber war/ist immer noch eine einschneidende Zeit vor allem auch für Künstler*innen. Wie seid ihr persönlich und künstlerisch mit PHAL:ANGST mit den schwierigen letzten zwei, fast drei Covid-19 Jahren umgegangen?

Das war tatsächlich schwierig für uns als Band. Nicht vorrangig weil wir kaum Gigs spielen konnten, wir spielen ja sowieso nicht über die Maßen viel live. Aber unser Proberaum ist in der Arena Wien, ein Veranstaltungsort wer‘s nicht kennt, und die haben den Laden völlig dicht gemacht, Schlüssel rum, aus. Dh. wir konnten über ein Jahr lang kaum oder nur für kurze Phasen wieder mal proben. Hat uns schwer ausgebremst. Ursprünglich dachten wir mal an 2021 als Releasejahr für unser fünftes Album, haha.

Persönlich haben wir wie so viele zuerst zwischen Freude über unerwarteten Urlaub und dann aber bald mal folgenden Bore-Out changiert. Zum Glück hatten wir im näheren persönlichen Umfeld aber keine tragischen Todesfälle und wir waren uns zum Thema als Anhänger von Wissenschaft als gegenwärtig beste Erkenntnismethode rein grundsätzlich auch recht einig. Keine Vertreter des magischen Denkens in unserer Bande, zum Glück.

„Whiteout“ fährt ja, mehr als verdient und zurecht, sehr gute Kritiken ein. Wollt ihr uns ein wenig zu der Entstehung des Albums und dem Hintergrund, vor allem auch der eingespielten teils außergewöhnlichen Text-Samplings, erzählen?!

Das Songwriting beginnt bei uns immer direkt nach Abschluss der Aufnahmen für ein aktuelles Album. Aber dann sind wir meist sehr langsam. Wir proben ja auch nur 1x pro Woche ein paar Stündchen, und nicht mal das total konstant. Dann kommt noch die Komplexität der Musik hinzu und es kann schon mal Monate dauern bis wir einen Song fertig haben. Samples kann grundsätzlich jedeR beitragen, kommen aber überwiegend von ANGST, unserem Elektroniker, der diesbezüglich mit ständig gespitzten Ohren durchs Leben geht. Diesmal war eine alte Macbeth Aufnahme dabei, eine Passage aus Carl Zuckmayer’s Autobiographie, in der er sich mit der Machtergreifung der Nazis in Wien beschäftigt, ein U-Boot Soldat der aus seinem Tagebuch vorliest, ein altes Hörspiel von Orson Welles, usw.

Wir haben nicht wirklich ein Konzept sondern machen einfach Sound der uns gefällt. Dieser ist zum einen inzwischen durchaus schon eine gewisse Trademark, wir entwickeln uns in Nuancen aber trotzdem auch immer wieder weiter. Wenn wir merken es geht in Richtung eines neuen fertigen Albums, versuchen wir der Gesamtheit ein Bild zu verpassen. Also was Themen, Titel, Sound- wie Bildästhetik angeht.

Daran anschließend; der PHAL:ANGST Sound ist ja äußerst komplex. Wie funktioniert denn innerhalb der Band der Songwriting Prozess?

Erstaunlich gleichförmig und routiniert. Und langsam. Es kommt so gut wie immer ANGST mit einer elektronischen Basis, das kann oft rudimentär oder auch schon völlig überladen sein. Und dann wird dazu gejammt, in der Regel gitarrendominiert. Sänger PH ist da oft noch gar nicht dabei. Mit der Zeit kristallisiert sich ein Song heraus, immer wieder passiert dann noch ein Wechselspiel aus Gitarre, Bass und Elektronik, also dass ein Instrument dafür sorgt, dass ein anderes verändert wird oder sogar doch nochmal ganz anders abgebogen. Irgendwann rechtzeitig muss PH in seiner wichtigen Rolle als Geschmackspolizei hinzukommen und dafür sorgen, dass uns nichts Uncooles passiert. Als vorletzter Layer kommt dann PH mit Vocals und eventuell auch Metallophon (immer mehr), zusätzlicher Elektronik oder gelegentlich auch Mundharmonika dazu. Der letzte Layer sind die Samples, sie sind für uns nicht zwingend bei jedem Lied vorgesehen, aber wir mögen das schon recht gern. That’s it, Lied fertig! Im Lauf des Spielens oder spätestens wenn‘s mit Vorbereitung auf eine neue Albumaufnahme ernst wird, adaptieren und verfeinern wir dann schon noch das eine oder andere, was vorher und sogar zum Teil noch beim Live-Spielen etwas in der Schwebe blieb.

Möchtet ihr uns was zum Albumtitel und euren Lyrics erzählen?

Also sehr viel ist bei uns schon Soundästhetik und weil unsere Musik so unkonventionell in der Struktur, atmosphärisch und cinematographisch ist, verzichten wir ganz bewusst auf abgedruckte Texte oder Interpretationsanleitungen. Im Optimalfall evoziert unsere Musik Bilder im Kopf und denen wollen wir mit eigener Deutung keinesfalls im Weg sein. Die Deutung von Kunst entsteht im Kopf des Rezipienten, dort sehe ich ihre Hauptberechtigung. Ich hoffe und denke aber, dass wir stimmig agieren.

Auf dem Album finden sich auch zwei Remixe von bekannten Größen wie LUSTMORD und JARBOE – wie kam es zu dieser Kooperation?

Die zwei sind Helden von uns! So wie am Vorgängeralbum „Phase IV“ JUSTIN K. BROADRICK (JESU, GODFLESH, TECHNO ANIMAL, NAPALM DEATH, JK FLESH, ZONAL) und DÄLEK. LUSTMORD gehört zur vorderen Riege der Industrial/Ambient-Entwickler, gleich nach der Generation THROBBING GRISTLE, NURSE WITH WOUND oder SPK. Insbesondere für unseren Elektroniker ANGST stellt er eine Zäsur in seinem Musikverständnis und -schaffen dar. Und JARBOE ist als wichtiges Mitglied der SWANS, mit ihren Solosachen und ganz besonders auch mit ihrem sensationellen Kollaborationsalbum mit NEUROSIS für uns eine Instanz. Wir haben sie angeschrieben und sie haben „ja“ gesagt. Kann man das fassen?

Mit „Whiteout“ veröffentlicht ihr das Album nicht mehr, wie bisher dem DIY-Gedanken geschult, in Eigenregie, sondern arbeitet mit Noise Appeal Records zusammen. Wie kam es dazu?

Dominik und Michi von Noise Appeal Records sind alte Bekannte von uns aus der Punk/Hardcore-Szene. Wir teilen also sowieso den gleichen kulturellen Background und das gleiche Verständnis von Musik-in-die-Welt-bringen, haben also ein sehr ähnliches Vokabular wenn man so will. Da gibt’s nichts zum Vorgaukeln oder absichtlich überhören zwischen uns. Sehr angenehm. Und es ist eben voll super, dass sie sich so wie wir ihren Spirit erhalten aber gleichzeitig musikalisch enorm weiter entwickelt haben. Das ist doch perfekt. Wir haben eh schon öfters über eine Zusammenarbeit kommuniziert, nun hat‘s endlich gepasst. Wir haben auch unsere vorigen Releases recht professionell in die Welt gesetzt und uns die Arbeiten dafür aufgeteilt, nun hat es sich so angefühlt, als wären zwei weitere Bandmitglieder dazu gekommen.

phal:angst whiteout

Was sind Eure Pläne mit PHAL:ANGST für die nahe Zukunft.  

Wir sind recht zufrieden mit unserem Dasein. Wissen aber auch, dass wir nicht die Zeit für die Durchführung von Weltherrschaftspläne haben und Illusionen hängen wir auch nicht an. Also: Musik machen die uns voll taugt und Freude macht! Songs austüfteln, stimmige Alben kreiren (wir sind old school was das Konzept „Album“ angeht und das passt auch einfach besser zu unserem Schaffen), veröffentlichen, gelegentlich live spielen, immer hohe Qualität anstreben. Alles darüber hinaus ist natürlich willkommen, wird aber schon als Bonus betrachtet.
Ach ja, wir werden im Laufe des Jahres noch ein paar weitere Remixes zu „Whiteout“ veröffentlichen, diesmal lauter österreichische KünstlerInnen die wir sehr schätzen.

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten, hast du eine Nachricht für unsere Leser?

Danke euch! Nein, keine spezielle Nachricht außer unsere Alben kaufen, zu unseren Konzerten kommen und kein Arschloch sein, Prost!

 

 


Band-Links:
phal:angst PHAL:ANGST - Alfred Wihalm PHAL:ANGST - Alfred Wihalm

 

 

 

Band-Biografie (Quelle Wikipedia)
Phal:Angst from Vienna have been following their vision of electronic Industrial and analog Post Rock for 16 years now, and they have been doing so consistently, while also joyfully embracing self-development.

Phal:Angst originate from the DIY Punk/Hardcore scene of the late 90ies and early 2000s, and have deviated from there just soundwise: besides all aspects of music, organisation and publication they have always had the digital infrastructure under their control as well. During the late 90ies leftist netculture activism Angst, the band’s electronics musician, founded the web-platform med-user.net..  Mehr auf: Noise Appeal

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