Ich fürchte ja folgender Satz von mir hängt unseren Leser*innen schon bei den Ohren raus, aber ja LOIKAEMIE hatte ich 2023 so gar nicht mehr am Zettel und schon gar nicht mit einem solchen Output wie „Menschen“.
Und ich muss gestehen die Skepsis war schon groß, LOIKAEMIE waren ja nicht nur ein der prägenderen Bands der deutschen Oi!- und Punkrockszene und Platten wie „Wir Sind Die Skins“ aus dem Jahre 2000, sowie der gleichnamige Song, waren ein Teil meiner Jugend und rotieren bis heute immer wieder am Plattenteller. Nachdem 2007 das letzte reguläre selbstbetitelte Album erschienen ist, folgte 2016 eine Abschiedsttour inklusive dazugehörigem Live-Album.
Die Befürchtung, dass die Herrschaften aus dem Osten mit dem neuen Werk an ihrem eigenen Erbe kratzen, waren also mehr als vorhanden, aber vollends unbegründet. Denn nach einem kurzen Intro namens „Freie Rede“, bei dem diverse krude Gestalt*innen der deutschen rechtsextremen Szene zu Wort kommen, legen LOIKAEMIE mit „Wenn Wir Alle So Wären“ gleich mal wortgewaltig los und postionieren sich im Gegensatz zu so manch Kollegen in der Oi!-Szene, die da gerne vage bleiben, gewohnt eindeutig politisch. Was für eine Band die auf Konzerten immer wieder „Alerta, Alerta, Antifascista“ angestimmt hat auch nicht weiter wundert, aber in der heutigen Zeit viel zu selten in dieser klaren Form getan wird.
Im darauffolgenden drückenden Titeltrack legen sie dann mit einer ordentlichen Portion Anti-Klassismus nach. Das darauffolgende Double aus „Nicht Die Falschen Hassen“ und „Meins Und Nicht Deins“ beschäftigt sich dann mit den szeneinternen Grabenkämpfen, elitären Wahrheitsansprüchen und Eitelkeiten: „Soviele Möglichkeiten, soviele Eitelkeiten, und soviel Ignoranz, bei soviel Rockern, bei soviel Hooligans, bei soviel Skinheads und Punks“. Auf der „Lumpenmann“ glänzen LOIKAEMIE dann nicht mit Offbeat und hohen Tempo, sondern auch textlicher Finesse, um danach in „Was Soll Die Ganze Scheiße?“ uns allen – grad mehr als akkurat – aus dem Herzen zu sprechen.
Im nachdenklichen „Einer Von Vielen“ nehmen die Sachsen dann deutlich Tempo raus, bevor man sich in „Vergeben Und Vergessen“ durchaus kritisch und selbstreflektiert mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt, ohne dabei aber auf die eigenen Prinzipen zu verraten. In „Ewig“ feiern sich LOIKAMIE dann nicht nur für ihr schon gut 30-jähriges Bestehen, sondern knallen allen jungen und alten Mitstreitern sympathisch großkotzig einen verbal vor den Lanz.
Produziert hat das Album Kurt Ebelshäuser (u.a. bekannt durch BLACKMAIL und SCUMBUCKET) und der Band einen mehr als wuchtigen und gleichzeitig warmen Sound verpasst der trotzdem jede Sekunde voll und ganz nach LOIKAEMIE, wie man sie kennt und oft auch liebt.
Ein mehr als gelungenes Comeback, das vor guten Songs und vorallem hervorragenden Texten nicht nur so strotzt, sondern auch den Spagat schafft die Fans der frühen Tage zufriedenzustellen und wohl viele neue Fans hinzugewinnen zu können. Mit Sicherheit einer, wenn nicht der beste deutschsprachige Release 2023. Oi!
Tracklist „Menschen“:
1. Freie Rede
2. Wenn Wir Alle So Wären
3. Menschen
4. Nicht Die Falschen Hassen
5. Meins Und Nicht Deins
6. Ewig
7. Lumpenmann
8. Was Soll Die Ganze Scheisse?
9. Tief Im Herzen
10. Einer Von Vielen
11. Vergeben Und Vergessen
12. Wieder Der Alte
13. Lasst Uns Rein
Gesamtspielzeit: 38:17
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