UNANTASTBAR ist dieses Jahr in (fast) aller Munde bei den Deutschrock Fans. Die Südtiroler haben sich stetig und mit viel Fleiß nach oben gearbeitet. Dieses Jahr feiern sie ihr 20-Jähriges Bestehen und standen uns bereits letztes Jahr auf ihrer Tour im Hof der ((Szene)) in Wien Rede und Antwort. Das Interview wurde aus einem defekten Handy nun endlich gerettet und war nicht komplett in Ordnung, wodurch ein paar Parts gegen Ende gekürzt werden mussten und nich immer klar war, wer nun gerade gesprochen hat. Darum hoffe ich, nicht einem anderen Bandmitglied Worte eines Kollegen in den Mund gelegt zu haben. Aber nun viel Spaß mit UNANTASTBAR:
Man sieht’s euch schon an, ihr habt Spaß auf der Tour. Wie lief es bisher? Gibt es auch erwähnenswerte Geschichten?
Heiß: Ja, heute, das war nicht geplant! Aber kaum sind wir in Wien angekommen, hat uns das Bedürfnis überkommen, ein paar Bierchen zu trinken. Da gab es ein paar Ottakringer und da haben wir die Gelegenheit genutzt und mit der Crew ein bisschen gefeiert. Wir waren auch heute Vormittag in Wien unterwegs. Tom war dabei, der Joggl hat geschlafen.
Tom: Wien ist immer eine Reise wert. Wien ist schon geil.
Joggl: Weil du wegen der Tour gefragt hast. Die bisherigen Konzerte waren alle super. Viele Shows waren ausverkauft…
Die heutige Show auch, habe ich gesehen!
Joggl: Ja, heute auch!
Florian: Ja, wobei man sagen muss, dass das hier die kleinste Show der Tour ist. Uns freut es auf alle Fälle wieder hier in Wien zu sein. Wir waren jetzt ein paar Jahre nicht mehr hier. Aber es ist sehr cool hier zu sein und wir sind schon sehr gespannt auf heute Abend. Wir wissen, seit Corona ist es nicht so einfach für alle. Die Besucherzahlen sind noch nicht die, die sie mal waren. Wir sind auf jeden Fall glücklich, wie alles so angelaufen ist.
Ich muss zugeben, für uns ist das heute auch die erste UNANTASTBAR-Show. In kurzen Worten: Was kann man bei euch erwarten?
Heiß: Wir hoffen auf ein gutes Konzert nach all den Bieren! (lacht)
Tom: Das motiviert uns ja noch mehr!
Heiß: Ich glaub, das wird heute eng hier, der Club ist ja eher klein. Es wird heute heiß und verschwitzt, so wie es auch sein soll auf einem Punkrock-Konzert. Wir fühlen uns in kleineren Clubs wohl.
Joggl: Ja, das ist genau meins. So kleinere, punkige Schuppen und abgewetzte Locations. Ich weiß auch nicht warum, aber kleiner ist oft besser.
Für uns als Besucher aber eigentlich auch.
Florian: Da sind die Fans einfach näher! Hier spürt man mehr die Energie.
Joggl: Wir sind schon sehr gespannt, wie es heute wird. Und wie du schon sagtest Florian, es ist ein kleinerer Club. Es wird heute eng und heiß und da hoffen wir auf eine gute Stimmung.
Habt ihr, bevor ihr auf die Bühne geht, ein bestimmtes Ritual?
Florian: Ja, tatsächlich, wir schlagen vorher nochmal ein. Das ist so unser Ritual. Das machen wir bei jedem Konzert.
Tom: Man wünscht sich noch alles Gute und dann geht’s raus und dann wird wieder geliefert … oder manchmal auch nicht (alle lachen).
Die letzte Zeit hat für viele einiges verändert, auch für euch. Ihr habt jetzt ein neues, größeres Label mit Napalm Records aus Österreich. Man hat auch gemerkt, dass die Musikwelt gar nicht so unantastbar ist. Wie ist es euch ergangen?
Florian: Du meinst nach Corona jetzt?
Ja, auch, aber auch während der Zeit. Ihr habt ja auch ein Album veröffentlicht, zu dem ihr gar nicht touren konntet.
Spitzi: Ach, wir haben schon etwas getourt dazu.
Florian: Ja, ein bisschen. Es war halt alles eine Mammutaufgabe irgendwo. Die ganzen Regeln in Deutschland einzuhalten mit all den verschiedenen Auflagen. Bei uns macht Tom ja das Booking und da war das eine Riesenaufgabe zu versuchen, alles in einen Topf zu bringen und dass die Konzerte auch stattfinden können. Da haben wir uns schon Mühe gegeben, alles was irgendwie möglich war, zu spielen.
Tom: Wobei auch wichtig ist, in solchen Zeiten zu hinterfragen, ob es auch vernünftig ist, Veranstaltungen zu machen. Grenzt man z.B. Leute aus, wenn man unter 2G-Regeln spielt? Aber für uns hat kein Weg daran vorbeigeführt, dass wir spielen, was wir spielen können. So hat der ganze Verschiebungsmarathon angefangen. Und ich glaube, wir haben das ganz gut geregelt. Wir sind einfach froh, dass wir jetzt einfach spielen und touren können, ohne Angst vor Absagen oder Verschiebungen zu haben. Die Ticketverkäufe waren vor Corona natürlich besser, das muss man so sagen. Das dauert halt noch ein bisschen. Wir sind trotz allem froh, dass wir auf Tour sein dürfen.
Uwe: Ich glaube, was wir auch sagen können, ist, dass uns vielleicht gerade durch diese Zeit, wo keiner wusste, wie lange das alles dauert, oder ob das überhaupt jemals wieder so werden wird wie früher, dass wir die Konzerte jetzt noch viel mehr schätzen. Man war es vorher gewohnt, immer mal wieder auf Tour zu sein mit allem, was dazu gehört. Das machen wir seit 19 Jahren. Dann mal diesen Cut zu haben, das war so krass. Da haben wir wirklich gemerkt, wie sehr einem das fehlt und wie viel uns das bedeutet. Gerade die ersten Konzerte, das war alles sehr emotional damals.
Heiß: Man hat sich, glaube ich, auch unbewusst davon verabschiedet. Wir haben ein altes Konzert live gestreamt und auch gemeinsam angesehen und da haben wir schon gehofft, dass es bald wieder so werden wird. Auch wenn wir heute nicht ganz dort sind, wissen wir, dass wir wieder auf dem richtigen Weg sind.
Würdet ihr auch sagen, das neue Album ist durch diese Zeit lyrisch und musikalisch beeinflusst?
Mehrere gleichzeitig: Ja!
„Ich Will Euch Wiedersehen“ klingt ja nach einem Lockdown-Song.
Florian: Das ist auch ein Lockdown-Song und das schlägt auch genau in die Kerbe, dass man zu Hause sitzt und sich Fotos oder Videos anschaut, also von der Zeit, als noch alles okay war. Und man dabei sagt: Ich will, dass das alles wieder so wird. Ich will euch alle wiedersehen. Genau darum geht es. Also wie du es sagst, ein Lockdown-Song.
Ihr wollt ja auch immer ein positives Lebensgefühl mit euren Songs vermitteln. War das für euch nun extra ein Ansporn oder ist es sogar schwieriger, in so einer Zeit positive Messages zu kreieren?
Florian: Man soll ja den Kopf nicht in den Sand stecken. Klar, es war gerade zu dieser Zeit viel Scheiße. Aber unsere Denkweise ist eher, dass wir aus allem etwas Positives ziehen, anstatt irgendwo in eine Depression zu verfallen.
Habt ihr euch da auch bewusst zur Produktion Gedanken gemacht? Im Gegensatz zum Vorgänger klingt alles etwas knackiger, härter und dynamischer…
Florian: Wir haben den Produzenten und das Label gewechselt, weil es für uns vom Gefühl her soweit war, etwas Neues zu versuchen. Ich will nicht sagen, dass vorher alles schlecht war, aber wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis. Wir haben neue Freude an der Musik.
Tom: Es war halt was anderes. Wir wollten erst mal zwei Songs mit dem neuen Produzenten machen und mal reinfühlen, wie das so wird. Und uns ist es auch wichtig, dass wir uns im Studio wohlfühlen. Man verbringt dort ja auch viel Zeit. Wir haben dann auch viel herumexperimentiert und uns verschiedene Mixes und Master machen lassen.
Florian: Aber cool, wenn ihr sagt, dass euch das auffällt.
Tom: Ich muss dazu sagen, wir sind mit Napalm Records auch sehr zufrieden, also wie alles lief. Wir waren da schon seit Jahren in Kontakt. Er hat öfter schon gefragt, ob wir Lust hätten zu Napalm zu kommen. Nach diversen Gesprächen ist die Entscheidung gereift. Und die sind halt schon sehr geil aufgestellt. Sehr groß und breit mit verschiedensten Leuten, die wirklich gut drauf sind. Wir sind sehr zufrieden damit.
Joggl, ich habe mal gelesen, dass du manche Texte auch als eine Art Selbsttherapie siehst. Stimmt das soweit?
Joggl: Absolut, das habe ich damals wohl so gesagt und es ist auch richtig.
Wie schwierig ist es für dich, so etwas dann in die Welt hinaus zu tragen?
Joggl: Natürlich erfordert das Mut, das muss ich schon sagen. Ich glaube aber auch, ich brauche das irgendwie und das macht die Band aus, aber auch mich als Songwriter. Ich schreibe sehr autobiographisch und auch, wie du sagst, braucht es Mut, seine eigenen Gedanken in die Welt zu tragen. Für uns ist es aber wichtig, offen und ehrlich zu sein und das hilft mir auch im Alltag. Für mich ist das feste Therapie.
Versucht ihr da auch einen gewissen Mix aus Themen aufs Album zu bringen oder ist es wirklich einfach das, was gerade da ist und passiert, wird verarbeitet?
Joggl: Ich sehe das anders. Wenn ich einen Text schreibe, während ich etwas Negatives empfinde, dann wird es auch negativ. Es gibt nicht immer ein Happy-End.
Heiß: Das kommt oft dann von alleine. Wenn ich mich scheiße fühle, kann ich auch nicht über positive Dinge schreiben. Das ist bei uns, glaube ich, sehr wichtig. Aber wie Heiß sagt, wenn es zu einem Happy-End kommt, dann kommt das von alleine, aber wenn nicht, dann ist es halt auch nicht drin. Das kann man davor nicht sagen. Vielleicht werden wir in Zukunft nur noch depressive Songs schreiben. Ich hoffe nicht, dass es mir schlecht geht, aber es ist halt alles sehr echt.
Tom: Wichtig ist halt, dass die Songs authentisch sind.
Joggl: Das wird von uns auch zu 100% gelebt.
Im Deutschrock und Deutschpunk ist das Thema „Weitermachen“ oder „Wieder aufstehen“ wiederkehrend. Wenn ihr diese Einstellung nicht hättet und so lebt, würde UNANTASTBAR heute hier stehen?
Joggl: Nein, dann würde ich nicht mehr leben, das ist ganz klar. Kurz und knackig erklärt. Jeder hat seine Probleme, und ich habe auch meine. Ich hatte immer diese Motivation: Wenn es einem scheiße geht, dann steh wieder auf. Gott sei Dank ist man ja nicht alleine – ich hatte Freunde und die Band, die mich immer gehalten haben. Und wir halten uns gegenseitig, wenn es einem schlecht geht. Wir spielen seit 19 Jahren schon zusammen und wir leben noch. Ich lebe noch, und es geht immer weiter.
Florian: Aufgeben ist ja, egal ob man eine Band hat oder nicht, nie eine Option. Man hat das eine Leben, und das muss man irgendwie auf die Reihe bekommen. Da gibt es Leute, die das irgendwie beenden oder so.
Tom: Uns freut es auch wirklich sehr, dass manchmal Leute zu uns herkommen und sagen: „Mit euren Texten habt ihr mir das Leben gerettet bzw. mir Kraft gegeben, wenn es mir mal scheiße ging.“ Das hat mir aus der Seele gesprochen, und das ist wirklich ein Antrieb für uns.
Heiß: Es ist ein schönes Gefühl, wenn das, was man macht, nicht einfach nur Unterhaltung ist, sondern auch Leuten hilft.
Florian: Das ist eigentlich das schönste Kompliment, das man bekommen kann.
Wie wichtig ist euch bei den Texten dann noch ein gewisser Interpretationsspielraum?
Florian: Ich glaube schon, dass das sehr wichtig ist. Also nicht, dass man den Leuten ganz klar sagt, dass etwas so oder so gemeint ist.
Joggl: Es nützt ja nichts, wenn mich jemand enttäuscht hat, der Martin heißt, und ich dann über Martin singe. Wahrscheinlich ist jeder Mensch mal im Leben von einem „Martin“ enttäuscht worden, den muss ich ja dann nicht beim Namen nennen. Also baue ich das dann schon so ein, dass jeder etwas damit anfangen kann.
Ein etwas heikleres Thema möchte ich noch ansprechen, aber es ist, glaube ich, interessant, von euch zu hören, wie es euch dabei geht. Gerade im Deutschpunk und Deutschrock gibt es ja viele Meinungen und genug Leute, die sie schonungslos kundtun. Wie geht es euch da mit euren Social Media Inboxen? Müsst ihr mit viel Anfeindung, Trollen, Shitstorms und Hass klarkommen? Und vor allem, wie geht ihr mit solchen Nachrichten um?
Florian: Also eigentlich nicht großartig, muss ich dazu sagen. Eher finden solche Sachen statt, und dann kommen halt Fragen auf, warum wir da gebucht wurden. Man weiß, dass Joggl eine gewisse Vergangenheit hat, und die ist immer noch Thema bei bestimmten Leuten, weil es eben einfach noch welche gibt, die nach über 20 Jahren …
Heiß: Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Nach über zwei Jahrzehnten!
Florian: … und die wollen einfach nicht verstehen, dass sich Menschen auch ändern können. Diese Leute haben sich dann nur oberflächlich mit uns befasst. Ich bin mir sicher, wenn man sich gründlich mit UNANTASTBAR, auch der Geschichte von Joggl oder unseren Texten auseinandersetzt, ist ganz klar, wie wir ticken. Es gibt oft Leute, die sagen: „Ihr positioniert euch nie.“ Also auch wer unsere Konzerte besucht. Wir sind keine linke Band, aber wir sind auch ganz sicher keine rechte Band. Wir möchten das nicht sein, und wir wollen keine komischen Leute auf unseren Konzerten haben. Und auf Extremismus können wir absolut nichts anfangen.
Wir können uns nur wiederholen und so wie eben positionieren, und wenn das jemand nicht einsehen möchte, dann können sie gerne Kontakt mit uns aufnehmen und mit uns sprechen.
Tom: Wir haben einen Song darüber, und der heißt „Ihr Könnt Mich Alle Mal“.
Joggl: Ich verstehe nicht, warum man sich für alles Mögliche in seinem Leben rechtfertigen muss, vor allem wenn es so lange zurückliegt. Ich meine, welche Message will man senden? Dass Leute heute noch mit Springerstiefeln, Bomberjacke und H-Gruß herumlaufen? Was soll man solchen Leuten sagen? Leg deine Meinung ab, denk anders, und der tut es, wird aber dann ein Leben lang verurteilt, dass er früher anders dachte. Oder willst du denen sagen: „Mach was aus deinem Leben und du bekommst eine neue Chance!“ Wir sind der Meinung, man sollte das machen, anstatt nur Vorwürfe zu machen. Hater, kümmert euch um die Menschen und Bands, die wirklich rechte Musik machen und Schaden anrichten, anstatt jeden anzukacken, der früher mal irgendwas gemacht hat.
Danke für die klaren Worte. Ich denke, ihr wärt ja auch heute nicht da, wo ihr seid, wenn der Prozentsatz der Leute, die so denken, verschwindend klein ist – nur halt eben oft umso lauter.
Joggl: Aber eben dieser verschwindend kleine Teil hat einen großen Einfluss. Zum Beispiel schaffen die es, mitzubestimmen, wo wir spielen dürfen und wo nicht.
Da habt ihr die PANTERA-Story aus Wien womöglich auch gehört, dass diese wegen eines vor langer Zeit passierten Ausrutschers von Phil Anselmo gecancelt wurde und dadurch tausende enttäuschte Fans in den Ostblock reisen oder die Show gar nicht erleben durften.
Florian: Ja, so etwas ist natürlich schade.
Dann heben wir die Stimmung nochmal im Endspurt. 2024 ist euer 20-Jähriges!
Florian: Da ist viel geplant und wird auch vieles stattfinden. Unser Festival in Sterzing wird wieder stattfinden. Da haben wir schon unser 10-Jähriges gefeiert. Es ist ja etwas Besonderes, das alles geschafft zu haben. Wir sind stolz, dass wir auch noch immer in der gleichen Besetzung unterwegs sind. Und wir streiten nur ab und zu.
Und zum Schluss noch eine schnelle Frage, bevor wir zum Ende kommen müssen. Was könnt ihr aus Südtirol außer UNANTASTBAR und Roland Trettl noch empfehlen?
(kollektives Gelächter)
Florian: Ihr müsst unbedingt vorbeikommen. Schöne Landschaften. Berge, wandern, Ski fahren, und der Sterzinger See ist sehenswert. Wenn wir etwas empfehlen möchten, dann ist es auf jeden Fall das gute Essen. Der Mix hier ist etwas ganz Besonderes. Und natürlich das Tattoo-Studio von Joggl.
Joggl: Klar, ein bisschen Werbung machen… (lacht). Kommt vorbei auf ein Bier oder einen Kaffee.
Heiß: … oder ein Tattoo!
Danke für eure Zeit und das interessante Interview! Viel Erfolg bei der Show und viel Spaß im 20. Jahr!