Wir schreiben den 17. Juli 2010, es ist 10:30 Uhr, und wir befinden uns zu dieser unchristlichen Zeit bereits vor der Bühne des Masters Of Rock Festivals, gemeinsam mit einigen wackeren Begleitern. Warum, fragt man sich vielleicht? Der Grund sind drei Herren aus Schweden, von denen man in Insiderkreisen bisher nur Gutes gehört hat. Und wir wollten uns persönlich von ihrem Können überzeugen. Die Rede ist von GRAND MAGUS aus dem hohen Norden, die mich seit diesem frühen Auftritt nicht mehr losgelassen haben und mittlerweile zu meinen Lieblingsbands zählen. Einige Jahre sind seither ins Land gezogen, und in einigen von diesen erschienen starke Alben mit so manchen Highlights. Doch seit 2019, als das Album „Wolf God“ veröffentlicht wurde, war es ruhig um Sänger Janne „JB“ Christoffersson und seine Kollegen. Keine Neuigkeiten auf der Homepage, keine Konzerte oder sonstige Lebenszeichen. Und so machte man sich Sorgen, ob es die Band überhaupt noch gibt oder ob sie sich still und heimlich in den Ruhestand verabschiedet hat.
Doch die Sorgen waren unbegründet, denn im Internet wurde kürzlich endlich die frohe Botschaft verkündet: Mit „Sunraven“ gibt es ein neues Lebenszeichen. Mit großer Vorfreude wurde das zehnte Studioalbum digital „eingelegt“, und der erste von neun Songs sorgte sofort für Gänsehaut. „Skybound“ klingt bei voller Lautstärke genau so, wie GRAND MAGUS klingen müssen. JB rotzt die Vocals dreckig wie eh und je in den Äther, während die Instrumente düster für die bekannte 3-Mann Soundwand sorgen. Mann, habe ich die Jungs vermisst! Auch nach dem dritten Durchlauf hatte ich immer noch Gänsehaut – kein schlechter Einstieg. Die meisten Songs begnügen sich mit knackigen drei bis vier Minuten, in denen keine Zeit für unnötige Spielereien verschwendet wird.
„Skybound“ startet düster, bietet aber sofort den unverwechselbaren Sound, der GRAND MAGUS so einzigartig macht. Gründungsmitglied Mats „Fox“ Hedén Skinner trägt die Nummer mit seinem tiefen Bassspiel, während die Gitarre etwas in den Hintergrund tritt und nur im Mittelteil kurz zum Zug kommt. Ludwig Witt am Schlagzeug darf sich ebenfalls austoben und harmoniert hervorragend mit Fox. Bei „Sunraven“ kann man etwas durchatmen, da hier das Tempo reduziert wird und JB mit seiner Gitarre mehr in den Vordergrund tritt.
Mit „Winter Storms“ wird erstmals die Vier-Minuten-Marke überschritten, und hier kann man definitiv von einem Ohrwurm sprechen. Die gefühlvoll herausgestöhnten Worte des Refrains von JB bleiben stundenlang im Gehörgang hängen. Eine tolle Nummer, die jedoch sofort vom nächsten Titel übertroffen wird. „The Black Lake“ ist das langsamste Stück auf „Sunraven“, entfaltet aber dennoch eine unglaubliche Präsenz und Aura. Hier muss ich unweigerlich an die großen BLACK SABBATH denken, die wohl ebenfalls ihre Freude an diesem Song gehabt hätten. Der doomige Sound kriecht zäh dahin und entfaltet sich langsam, bevor in der Mitte die Gitarren glühen und für einen großartigen Bruch sorgen.
Bei „Hour Of The Wolf“ setzt man auf eingängige Melodien, die ebenfalls schnell in Erinnerung bleiben, während bei „Grendel“ die nordische Mythologie aufgearbeitet wird. Hier hält sich die Begeisterung allerdings etwas in Grenzen – ein guter Durchschnitt ohne große Höhepunkte.
Auch das Artwork empfinde ich als sehr gelungen: ein schlichtes, gezeichnetes Bild, auf dem ein Rabe und ein nordischer Krieger vor einem dezenten Hintergrund zu sehen sind. Typisch GRAND MAGUS, könnte man sagen.
Aber zurück zur Musik. Beim Finale geht es nochmals richtig zur Sache. „The End Belongs To You“ stampft wütend nach vorne, und JB beweist erneut, welche Kraft noch immer in seiner Stimme steckt. Auch hier bekommt jeder Musiker ein paar Sekunden, um sein Instrument in den Vordergrund zu stellen. Der Refrain brennt sich auch diesmal gekonnt ins Gedächtnis ein.
GRAND MAGUS melden sich nach viel zu langer Pause eindrucksvoll zurück, und das ist gut so. Ohne viel Schnickschnack kommt jeder Song schnell auf den Punkt, und die Band konzentriert sich auf das Wesentliche. Die drei Herren haben nichts verlernt und bleiben ihrem Stil treu, ohne sich zu wiederholen – was bekanntlich die große Kunst ist. Wer sich von den Live-Qualitäten überzeugen will, kommt ebenfalls bald auf seine Kosten.
Tracklist „Sunraven“:
1. Skybound
2. The Wheel Of Pain
3. Sunraven
4. Winter Storms
5. The Black Lake
6. Hour Of The Wolf
7. Grendel
8. To Heorot
9. The End Belongs To You
Gesamtspielzeit: 35:12
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