Fast 20 Jahre ist es schon her, dass mich TRICK OR TREAT mit ihrem Debüt „Evil Need Candy Too“ begeistern konnten. Einst als HELLOWEEN-Cover Band gestartet, konnten sie sich, trotz eines Gastauftritts von Michael Kiske beim Nachfolger – wunderbar emanzipieren und sind heute mehr als nur ein Geheimtipp. Der Kürbiskopf war ob der gewissen Naivität und dem jugendlichen Elan im Sound der Italiener auch schnell zu begeistern, wie er uns einst im Interview erzählte.
Bis heute bekommen die Herren rund um Alessandro Conti, der mittlerweile auch TWILIGHT FORCE fronted und von Luca Truilli persönlich einst für seine Inkarnation von RHAPSODY als Sänger erwählt wurde, nach wie vor nicht die verdiente Anerkennung. Aber das könnte und sollte sich nun mit „Ghosted“ endlich ändern.
Einst als Happy Power Metaller mit Hang zum Horror gestartet, zeigte man Mut zur Entwicklung und Kreativität, halste sich ein Doppel-Konzept Album zum Buch-Klassiker „Watership Down (Unten Am Fluss)“ auf, aber auch die Liebe zu Mangas/Animes zeigte man mit „The Legend Of The XII Saints“. Nun bewegt man sich konzeptionell wieder zurück zu den Wurzeln, baut aber auch wichtige sozialkritische Themen mit in die, stets mit einem Augenzwinkern ausgestatteten, Lyrics ein.
Genug von dem Werdegang der talentierten, wie ambitionierten Herren aus Modena. Nun ist „Ghosted“ da und zeigt die Band mit einigen Schritten nach vorne, aber auch einem Blick zurück. Nach kurzem Intro balert „Craven Road“ mit erdigem Heavy Metal Riffing los, lässt aber im Riffing und den Keys sofort die Horror-Komponente erkennen, weshalb HELLOWEEN sogleich eine Rolle spielen. Mit kreativen Vocallines, die auch mal an einen gewissen Tony Kakko erinnern, aber auch dem Happy Metal Flair von FREEDOM CALL haben Alessandro und seine Jungs schon erste Pluspunkte gesammelt. Aufgepeppt wird mit ein paar gesprochenen Parts, aber auch starken Soli, viel Liebe zum Detail und einem hohen Härtegrad. Produziert ist das sowieso auf höchstem Level.
Und dennoch haben TRICK OR TREAT weiterhin ihre Ecken und Kanten, sowie eben diese jugendlich Naivität im Sound. Das zeigt sich später auch beim kreativen Düster-Hit „Dance With The Dancing Clown“, das creepy Zirkus-Flair mitbringt und von den abgefahrenen Beats her oft an AVATAR erinnert. Auch hier zeigt sich Conti abwechslungsreich und überraschend. Eingängig ist dieses dynamische, teils progressive Werk dennoch. Im Titeltrack behandelt man das soziologische Phänomen des Online-Ghostens, begleitet von wunderschönen Melodien, unzähligen Hooks und Mitsingparts, aber auch poppigen Elementen. „Evil Dead Never Sleeps“ ist dem Filmklassiker rund um Dämonenjäger wider Willen Ash Williams gewidmet und paart thrashige Beats mit starker Orchestrierung und verspielten Parts.
Auch Gäste gibt es in Form von Stimmgewalt Adrienne Cowan (SEVEN SPIRES, LIGHT & SHADE), die im speedigen Banger „Bloodmoon“ sowohl clean als auch mit harshen Vocals gänzt, sowie Chris Bowes. Kein Wunder, dass „Return To Monkey Island“ klingt, als hätten ALESTORM hier auch im Songwriting ihre Finger im Spiel gehabt. Auch die, wie eigentlich eh fast das ganze Album, flotte Hymne „Make A Difference“ geht wunderbar in Ohr und sei als weiterer Tipp erwähnt. Den Abschluss mach das Highlight „Bitter Dreams“. Balladesker Anfang, spannender Aufbau, etwas Opern-Flair á la AVANTASIA, viele kleinteilige Spielereien und dann geht es auch schon rund. Das Tempo zieht an, es wird immer dynamischer, dafür darf im abgebremsten Refrain mitgeträllert werden und Neuzugang Dario Cappaci, der bei den Symphonic Speed Metallern ANCIENT BARDS bereits aushalf, überrascht mi heftigen BlastBeats.
Was für ein Ritt! TRICK OR TREAT liefern hier, ihr wahrscheinlich bestes Album ihres Werdegangs ab und zeigen, dass man auch nach zwei Dekaden überraschen, begeistern und Neues in den Sound einbringen kann ohne dabei auf die Wurzeln zu vergessen. Absolutes Meisterwerk!
Autor: Max Wollersberger
Tracklist „Ghosted“:
1. Lost in the Haunted House (Intro)
2. Craven Road
3. Bloodmoon
4. Ghosted
5. Dance with the Dancing Clown
6. Polybius
7. Evil Dead Never Sleeps
8. Return to Monkey Island
9. Make a Difference
10.The 13th
11. Bitter Dreams
Gesamtspielzeit: 47:42