In Kürze werden IN FLAMES ihr bereits 14. Album veröffentlichen. Die schwedischen Melodic Death Metal-Vorreiter haben in den Jahren immer wieder an ihrem Stil geschraubt und auch „Foregone“ wird wieder neue, aber auch überraschend alte Elemente der Truppe beinhalten. Wir trafen uns mit Frontmann Anders Fridén vor der Show zum gemütlichen Plausch im Tourbus.
Hey Anders, schön, dich wiederzusehen. Wie läuft es im Moment, und macht dir die Tour Spaß?
Ja, wir haben schon etwas mehr als die Hälfte hinter uns und es läuft sehr gut. Es waren ein paar verrückte Zeiten in den letzten zwei Jahren, die einfach irgendwie verschwunden sind. Und jetzt sind wir zurück und in vollem Gange. Wir sind dieses Jahr sehr beschäftigt.
Klingt gut! Und wie fühlt es sich jetzt an, nach dieser langen Zeit wieder auf Tour zu sein?
Es ist natürlich großartig. Ich meine, man vermisst seine Tour-Familie – die Crew, die Fans und auch das Spielen von Shows. Wir lieben, was wir tun, also ja, es fühlt sich spitze an!
Ich freue mich wirklich auf die Show heute Abend. Bevor wir zu positiveren Themen kommen, eine letzte Frage zur Pandemie. Wie seid ihr als Band und auch persönlich mit der Situation umgegangen?
Während der Pandemie haben wir natürlich gar nichts gemacht. (lacht)
Wir leben an verschiedenen Orten auf der Welt. Björn lebt in Göteborg, ich lebe in Stockholm. Ich glaube, wir haben uns in zwei Jahren nur einmal gesehen. Aber ich beschloss, ein Studio in meinem Haus einzurichten. Ich kaufte einen Haufen alter analoger Synthesizer und begann, ein Album für mein Projekt IF ANYTHING, SUSPICIOUS zu produzieren. Es ging einfach darum, etwas zu tun, das sich völlig von IN FLAMES unterschied, um mit der Situation fertig zu werden. Es war schwierig, ich meine, das ist ein Teil unseres Lebens: touren, schreiben, aufnehmen und veröffentlichen. Solche Sachen.
Erstens waren ich und meine Familie in Sicherheit. Wir haben zwar Covid bekommen, aber nicht so schlimm. Es ist ja so, dass Menschen Freunde und Familienmitglieder verloren haben. Ich denke, für uns als Band war es auch eine gute Auszeit. In solchen Zeiten wird einem bewusst, was wichtig ist, was einem fehlt, und man kann es nicht mehr als selbstverständlich ansehen. Ich glaube, es ist ganz einfach, wenn man sich in diesem Hamsterrad befindet. Du erwartest, dass alle da sind, deine Shows besuchen, Merch kaufen und solche Sachen. Das war auf einmal weg, und ich glaube, das war in gewisser Weise gut für uns.
Also habt ihr beschlossen, neue Musik zu schreiben und aufzunehmen, als ihr euch sicher ward, dass ihr den typischen Tourzyklus durchziehen könnt?
Nicht wirklich. Ich denke, es gibt zwei Modi bei IN FLAMES. Wir haben einen Tournee-Modus und einen Schreib-Modus. Und es gibt keinen Schalter, den man umlegen kann. Als die Situation mit Covid besser war, haben Björn und ich über all das gesprochen. Die „I, The Mask“-Tour wurde wegen der Pandemie abgebrochen. Es war so eine lange Zeit und ich dachte, lass uns ein neues Album schreiben und sehen, was passiert. Sobald wir reisen durften, sind wir für drei Wochen in die USA, um uns mit dem Produzenten zu treffen und haben angefangen, Sachen zu schreiben, um zu spüren, wohin sich das Album entwickelt. Und nach diesen drei Wochen – es war im November letzten Jahres – sind wir über Weihnachten nach Hause gefahren. Im Januar sind wir dann nach LA gefahren und haben ein Haus gemietet. Wir blieben also etwa zwei Monate lang dort, um zu schreiben und aufzunehmen. Wir machen diese Dinge gleichzeitig; ich meine, wir schreiben nicht das ganze Album und nehmen es dann auf. Wir schreiben immer, nehmen auf, schreiben, nehmen auf, und so weiter.
Das war also gut zu managen, alles wurde nach Covid gemacht. Alles, was passiert ist, die ganze Frustration, das Gefühl, dass die Zeit nicht auf deiner Seite ist: wir haben alles in dieses Album mit aufgenommen. Und das ist der Grund, warum es so klingt, wie es klingt – wirklich.
Ich glaube, es ist das dritte Album, das ihr in LA aufgenommen habt?
Ja, dieses, „Battles“ und „I The Mask“ wurden im selben Studio aufgenommen.
Gefällt es dir also dort…
Ich meine, es ist schön warm dort! (lacht)
Wir machen das normalerweise am Anfang des Jahres, wenn es in Schweden kalt ist. Wir haben eine wirklich gute Arbeitsumgebung gefunden. Unser Produzent Howard (Benson) ist nicht weit weg. Wir haben dort bereits eine Menge Freunde und auch ein Haus mit einem kleinen Studio darin. Für uns ist es wichtig, dass wir uns 24/7 auf die Musik konzentrieren können. Man weiß nie, wann die Inspiration einen trifft. Wenn man zu Hause eine Idee hat, muss man ins Studio gehen, reisen, alle treffen – und dann ist die Inspiration vielleicht schon wieder weg.
Hattet ihr einen Plan für „Foregone“ oder habt ihr euch einfach getroffen und geschaut, was passiert?
Das ist ein Plan! Björn und ich haben über eine neue Platte gesprochen, weil wir neue Musik haben wollten, wenn das ganze Covid-Ding irgendwie verschwindet. Eigentlich befinden wir uns immer noch im „I, The Mask“-Zyklus, bis die neue Platte natürlich 2023 herauskommt. Was die Richtung des Albums angeht, würde ich sagen: Ja und Nein. Man wird von seiner Umgebung geformt, von dem, was um einen herum passiert. Es ist nicht so, dass wir ein Treffen haben und sagen: „Let’s do this or do that“. Vielleicht reden wir darüber, dass wir den Sound gitarrenlastiger haben wollen, oder dass wir uns mehr auf die Produktion konzentrieren wollen, oder so etwas in der Art. „Battles“ war ein bisschen zu zurückhaltend in der Produktion und „I, The Mask“ ging mehr in die Richtung, die wir wollten. Und jetzt, ich meine, wir haben eine wirklich gute Beziehung zueinander und auch zu Howard und seinem Team gefunden.
Und auch Joe (Rickard), der bei „Battles“ Schlagzeug spielte und unsere neue Platte abmischte, war wieder in unserem Team. Unsere Beziehung ist sehr eng. Wir verstehen uns gegenseitig sehr gut. Es ist sehr einfach, mit ihm zu reden und zu arbeiten. Sehr reibungslos. Nun, das ist der Plan, wenn es um all das geht. Aber was das Schreiben angeht, gibt es überhaupt keinen Plan – das passiert einfach spontan.
Du hast neue Videos für die Platte gedreht. Macht es dir immer noch Spaß, Videos zu drehen, in denen du mitspielst, oder ziehst du Videos wie das zu „I Am Above“ – das gefällt mir sehr – ohne dich darin vor?
Nein, ich bin ein Musiker. Ich bin lieber hinter der Kamera als vor der Kamera. Und haha, dieses Video ist wie ein Tribut an SINÉAD O’CONNOR oder vielleicht eine Abwandlung von dem, was sie mit „Nothing Compares 2 U“ gemacht hat. Das war wirklich lustig. Ich bin glücklich, wenn wir Schauspieler für die Videos haben.
Glaubst du, dass die letzten paar Jahre auch einen Einfluss auf deine Texte hatten?
Ja, sicher. Alles um mich herum hat einen Einfluss auf meine Texte.
Denkst du, dass sich deine Einflüsse für die Texte über die Jahre verändert haben?
Ich denke schon. Es ist schwer zu sagen, weil es meine Welt ist. Von außen betrachtet ist es vielleicht einfacher. Aber ich denke, dieses Album ist mehr ein Blick auf die Welt um mich herum, als ein Blick in mich selbst. Es ist mehr eine Beobachtung der Zeit, in der wir uns gerade befinden und auch der Zeit, die uns noch bleibt.
Manchmal sind deine Texte nicht so einfach zu verstehen oder vielleicht sogar ein bisschen kryptisch. Sprichst du mit den Bandmitgliedern und anderen Leuten über deine Texte oder ist das eher dein persönliches Ding?
Oh, das ist mein Ding, hundertprozentig. Ich muss einige Dinge in den Interviews erklären, aber das sind meine Texte, ich schreibe sie…
Aber kannst du mir ein paar Worte zu den beiden Titeltracks „Foregone Pt. I & II“ sagen?
„Foregone“ bedeutet oder handelt von dem Ende, auf das wir alle zusteuern. Du kennst die Uhr in deiner DNA nicht. Es könnte morgen sein oder vielleicht in 30 Jahren. Hoffentlich mehr als dreißig Jahre für dich! (lacht)
Und das Gleiche gilt für mich. Wir wissen nicht, wann es passiert. Wenn wir wüssten, was wir mit der Zeit, die uns bleibt, anfangen sollen. Schleifen wir uns ständig weiter, machen wir weiter? Schauen wir in die Vergangenheit und versuchen, aus unseren Fehlern zu lernen. Und was machst du am Ende von allem, wenn du deinem Schöpfer begegnest und er, oder sie, oder was auch immer es ist, und du schaust auf dein Leben und sagst „Oh, scheiß drauf“, denkst du tatsächlich darüber nach, was passiert ist.
Ich glaube nicht, dass meine Texte kryptisch sind, aber ich schreibe sie so… ich meine, ich benutze Metaphern, so dass man sie an sich selbst anpassen kann. Ich denke, wenn es in deinen Händen liegt, ihn zu interpretieren, anstatt dass ich alles erkläre, wird er größer. Dann nimmt der Song ein Eigenleben an und bleibt hoffentlich länger bestehen.
Im Jahr 2020 werden IN FLAMES tatsächlich 30 Jahre alt und für dich und Björn waren es 25 Jahre mit IN FLAMES, habt ihr das in irgendeiner Weise als Band gefeiert oder habt ihr noch vor, das in größerem Rahmen zu feiern?
Wir feiern nie etwas, außer „Clayman“ nach 20 Jahren. Normalerweise erfahren wir es durch die Fans, oder jemand erzählt uns, dass dieses oder jenes Album 20 Jahre alt geworden ist oder was auch immer. Als „Clayman“ 20 Jahre alt wurde, hatten die Plattenfirma, das Management und die Leute um uns herum die Idee es zu feiern, also dachten wir auch, dass wir etwas machen könnten. Etwas, wo man sich selbst auf die Schulter klopfen kann, um zu sagen, dass man etwas Gutes getan hat. Ich meine, um uns selbst zu zeigen, machen wir das schon seit einigen Jahren.
Ich schätze, jede Platte ist großartig oder in gewisser Weise wichtig für dich, aber wenn du von „Clayman“ sprichst, erinnerst du dich an etwas ganz Besonderes, als du es im Jahr 2000 gemacht hast?
Du hast Recht. Alle Alben sind wichtig und auch alle sind der Grund, warum wir heute hier sind. Wenn wir nur eines herausnehmen würden, glaube ich, wären wir heute nicht hier an diesem Punkt. Es würde einen anderen Weg geben, denke ich. Wenn man über Dinge nachdenkt, die man vor so vielen Jahren gemacht hat, dann erinnert man sich nur an die guten Dinge und vergisst die harten Sachen, die passiert sind. Aber diese Platte war schwer zu machen.
Wir waren am Ende unserer Beziehung mit Fredrik (Nordström – Produzent). Wir sollten „Clayman“ mit Daniel Bergstrand als Produzent machen. Ich habe mit Daniel gesprochen, dass wir es mit ihm machen wollen, aber er war mit einem anderen Projekt beschäftigt. Versteht mich nicht falsch, Fredrik war sehr wichtig für uns, aber wir hatten diese lange Beziehung, und wir waren am Ende davon, was auch immer das bedeutet. Ich liebe diesen Mann und er ist sehr wichtig für uns. In dieser Zeit war er nicht so oft im Studio und hatte die Idee, von 9 to 5 zu arbeiten und dachte „Scheiße, wir sind eine Rockband, wir arbeiten nicht von 9 to 5“.
Also, wenn ich daran denke, mit einem Wecker aufzustehen und direkt ins Studio zu gehen… Ich meine, ich kann nicht um 9 Uhr morgens singen. Für mich ist Musik keine Büroarbeit. Das ist der Grund, warum ich in der Musikbranche bin. Es geht um Vibes, du „vibst“ Dinge und du gehst mit dem Strom. Aber er hatte halt diese Idee davon. Wir haben also abends alleine aufgenommen und er kam morgens und tagsüber, um das Projekt zu sichern und den ganzen Mist, den wir gemacht haben, durchzugehen. Am Ende hat er das Album abgemischt, und er hat natürlich einen guten Job gemacht. Aber es war eine seltsame Arbeitsumgebung. Das ist etwas, woran ich mich erinnere, aber es kamen auch viele gute Dinge dabei heraus. „Only For The Weak“ stammt aus dieser Session und ist immer noch einer unserer größten Hits.
Und was geht dir durch den Kopf, wenn du daran denkst, dass du schon 25 Jahre Teil von IN FLAMES bist?
Ich bin wirklich stolz darauf, was wir mit allen zusammen archiviert haben und dass wir einen Sound geschaffen haben, der wiedererkennbar ist. Wenn du einen IN FLAMES-Song hörst, weißt du, dass es ein IN FLAMES-Song ist. Ob man ihn mag oder nicht, man weiß, dass er von uns ist. Und das ist etwas, auf das ich stolz bin. Und auch, dass wir um die Welt reisen können und ich immer noch das tun kann, was ich tue. Ich liebe das und ich bin so glücklich, dass ich tun kann, was ich tue.
Klingt großartig. Eine coole Sache für dich ist vielleicht, wenn du an die Zeit zurückdenkst, als du angefangen hast, Musik zu machen, hattest du natürlich Idole, Bands, die du geliebt hast, Bands, die der Grund waren, warum du angefangen hast, Musik zu machen. Und jetzt fangen junge Leute an, Musik zu machen und gründen Bands wegen dir! Was ist das für ein Gefühl?
Ich fühle mich dadurch nicht besser als andere, aber ja, das ist großartig. Es ist auch ganz natürlich. Wir sind schon eine ganze Weile dabei, und wir haben, wie du schon sagtest, Einflüsse von dem genommen, was wir gehört haben. Wir formen das zu unseren eigenen Ideen, zu unserer eigenen Welt. Aber so funktioniert die Metal-Welt. Man nimmt Einflüsse und verwandelt sie in sein eigenes Material und geht seinen eigenen Weg. Das macht mich stolz, aber ich laufe nicht herum und denke, ich sei besser als andere. Also, ja, das ist großartig.
Ich fürchte, wir müssen zum Ende kommen, aber vielen Dank für das Interview. Möchtest du noch etwas sagen?
Haha, ja, ich habe eine Menge zu sagen, aber das wird erst in ein paar Jahren der Fall sein. Ich habe also noch eine Menge zu sagen. Nein, danke, ich weiß das zu schätzen. Nochmals, ich bin sehr glücklich, dass wir immer noch hier sind und immer noch tun können, was wir tun, und ich bin stolz auf unsere Fans, denn ohne sie ist das alles nicht möglich.