Die Ernsthaftigkeit der Themen macht den Humor automatisch schwärzer

Wir baten den optimistischen Keyboarder und Mitbegründer von KNORKATOR Alf Ator zum Interview und sprachen über „Sieg Der Vernunft“, ihr 30-jähriges Jubiläum und das Tourleben und viele weitere Themen.


Stumpen hat immer irgendwelche Schürfwunden, Verstauchungen oder Bänderrisse. Deswegen Konzerte abzusagen würde bedeuten, gar nicht mehr zu spielen.Alf


knorkator alf ator interview

Hallo! Wir konnten uns ja leider in Graz nicht zum Interview treffen, aber freue mich, dass wir das nun nacholen können!
Wie geht es euch und wie läuft die Tour für KNORKATOR bisher?

Uns geht es hervorragend. Entgegen anfänglicher Bedenken über die Nachwirkungen der Pandemie läuft unsere Tour phantastisch. Die Häuser sind zu 90% ausgelastet, die Fans sind begeistert, und man sieht immer mehr junge Leute, die sich zum ersten mal auf ein KNORKATOR-Konzert wagen.

Ich hab euch ja auch zuletzt in Graz gesehen, damals im Explosiv und Stumpen hatte damals die lange Beinschiene. War die Tour wegen dieser Verletzung damals auf der Kippe und ist alles gut verheilt?

Stumpen hat immer irgendwelche Schürfwunden, Verstauchungen oder Bänderrisse. Deswegen Konzerte abzusagen würde bedeuten, gar nicht mehr zu spielen. Immerhin wird er in letzter Zeit etwas vorsichtiger, weil er erkannt hat, dass mit zunehmendem Alter die Verletzungen langsamer verheilen. Eine Beinschiene trägt er mittlerweile grundsätzlich, weil sein Knie sehr empfindlich geworden ist. Manchmal kommt er sogar mit Krückstock auf die Bühne. Und ehrlich gesagt verleiht ihm das sogar noch ein düsteres Image.

Ihr habt ja bald 30jähriges Jubiläum. Wenn ihr zurückblickt, was hat sich für euch verändert, und wie habt ihr es geschafft, die Band am Leben zu erhalten?

Es gab in den Jahren unzählige Situationen, die bei manch anderen Bands zur Auflösung geführt hätten. Wir haben alle sehr große Egos, da kommt es schon mal zu Meinungsverschiedenheiten. Außerdem gab es Zeiten, in denen es finanziell so schlecht lief, dass wir und auch mal wirklich trennen mussten, um uns um unsere eigenen privaten Leben zu kümmern. Aber unterm Strich war uns immer klar, dass diese Band für jeden von uns das Beste ist, was wir in unserem Leben auf die Beine stellen konnten und können werden. Und die Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt.

knorkator alf ator interview

Euer letztes Album heißt „Sieg Der Vernunft“! Glaubt ihr wirklich daran?

Ich bin Optimist, und so sehe ich zumindest eine gewisse Chance, dass wir für unsere Welt das Ruder noch rumreißen können. Ansonsten wäre ja jedes Engagement Blödsinn. Der Slogan „Sieg Der Vernunft“ ist natürlich eher sarkastisch gemeint, gerade weil alle möglichen Wichtigtuer meinen, die Vernunft für sich gepachtet zu haben und bereit sind, sie mit Gewalt durchzusetzen. Das wiederum ist in meinen Augen das Gegenteil von Vernunft, denn Vernunft beinhaltet die Fähigkeit und die Bereitschaft, die eigene Sichtweise auch mal kritisch zu hinterfragen, selbst wenn das bedeutet, seinen Standpunkt am Ende eventuell aufgeben zu müssen.

Ich hab das Album gehört und irgendwie hat es auf mich ernsthafter gewirkt als die Vorgänger. Der beißende schwarze Humor klingt hier kaum durch. Wollt ihr diesen Weg weitergehen oder ist es einfach unserer derzeitigen Situation geschuldet?

Naja, aus unserer Sicht ist das schon noch ein sehr humorvolles Album. Und gerade die Ernsthaftigkeit der Themen macht den Humor automatisch schwärzer. Es war aber keine bewusste Entscheidung, engagierter zu werden. Wir haben schon immer das thematisiert, was uns bewegt. Politik gehörte früher nicht wirklich zu unseren Interessengebieten. Grundsätzliche Fragen zu den Werten, nach denen man lebt, aber schon. Doch vor allem der profane Alltag war immer unser Thema. In letzter Zeit greift aber die Tagespolitik immer stärker in das Alltagsleben ein, und so kommen wir gar nicht daran vorbei. Insofern: Ja, es ist der derzeitigen Situation geschuldet.

„Die Welt Wird Nie Wieder So, Wie Sie Vorher War“ – das denken wohl viele. Was bewegt euch, wenn ihr an die Zukunft denkt?

Meine größte Sorge ist der Verfall der Demokratie. Es gibt heute ein paar wenige Menschen, die so reich und mächtig sind, dass kein Gesetz irgendeines Landes sie daran hindern kann, ihre Interessen gegen den Rest der Menschheit durchzusetzen. Und sie tun es skrupelloser, als vielen von uns klar ist. Sie agieren global, sind an kein Land gebunden und haben gemerkt, dass man ab einer gewissen Macht mit Diktatoren viel besser verhandeln kann, als mit demokratisch gewählten Regierungen. Diese Gefahr wird sehr oft klein geredet, und man hält sich an das Wunschdenken, dass solche Leute irgendwann genug hätten und fortan ihre Macht für das Gute in der Welt einsetzen würden. Das widerspricht jeglicher Erfahrung aus der Geschichte. Wenn es so wäre, hätte man sich die ganzen Revolutionen zur Abschaffung der Monarchie sparen können.

Welche Gefühle wollt ihr bei den Hörern mit diesem Album erzeugen?

Bestenfalls ein Lächeln, oder zwei. Und vielleicht ein paar Aha-Momente.

Wie läuft eigentlich das Songwriting bei euch ab – alle zusammen oder nur einer?

Die meisten Songs schreibe ich (Alf) alleine. Das war schon von Anfang an so, und ich habe das Glück, dass meine Bandkollegen mir da vertrauen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich mich ganz schön anstrengen muss, immer genug tolle Lieder zu schreiben, damit wir alle 2-3 Jahre ein Album rausbringen können.

Ihr habt viele Songs für die ihr von den Fans abgefeiert werdet und vor allem bei „Wir Werden Alle Sterben“ wird stets lautstark mitgesungen. Dabei ist das Thema Tod für viele etwas, vor dem sie die Augen verschließen, obwohl der Tod das Einzige ist, was sicher ist im Leben. Wie geht es euch mit diesem Thema?

Ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, aber irgendwie habe ich inzwischen – zumindest mit meinen persönlichen Lebensbelangen – meinen Frieden geschlossen. Auf den ersten Blick scheint es mir oft, als hätte ich kaum etwas von dem erreicht, was mal auf meiner Agenda stand. Aber wenn man die Ziele nicht so eng definiert, komme ich zu dem Schluss, dass eigentlich fast alles irgendwie in Erfüllung gegangen ist. Wenn auch manchmal in unerwarteter Gestalt. Fazit: Sollte ich morgen sterben, könnte ich bereits auf ein sehr erfülltes, glückliches Leben zurückblicken. Was will man mehr?

Mein Lieblingssong von euch ist „Alter Mann“ – als „alte“ Frau kann ich da stets nur zustimmend nicken, und denke mir oft, wie schwer es sich die Leute selbst machen. Was hat euch zu diesem Song bewogen?

Das ist in der Tat ein überaus ehrlicher Song. Manchmal würde ich wirklich gern den armen jungen Menschen etwas von meiner Gelassenheit wünschen. Andererseits ist jede Unzufriedenheit, jedes Getriebensein auch der Motor für den Fortschritt. Ergo: Hört nicht auf mich alten Knacker!

Ihr habt ja schon unzählige Konzerte gespielt. Gab es da ein besonderes Highlight?

Eins? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll! Interessanterweise fallen mir da aber eher die Pannen ein. Zum Beispiel hatte sich Stumpen mal bunte Rauchbomben besorgt, weil das bei RAMMSTEIN sehr effektiv eingesetzt wurde. Jedoch hatten die es open Air in einem Stadion gemacht. Wir hingegen waren in einem mittelgroßen Dorfclub, der sich binnen Sekunden in eine dunkle, trübe Suppe verwandelt hatte, in der man nicht mehr atmen konnte. Das Konzert wurde unterbrochen, alle mussten raus und warten, bis sich der Rauch gelegt hatte.

Und seid ihr euch schon einmal irgendwo völlig fehl am Platze vorgekommen?

Vor vielen, vielen Jahren wurden wir mal zur Einweihung eines Autohauses gebucht. Der Boss war ein Fan, aber seine gesamte Belegschaft war entsetzt und angewidert.

Wir lösen uns auf. Wir wollen einfach nicht mehr. Schnauze voll.

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?

Wir lösen uns auf. Wir wollen einfach nicht mehr. Schnauze voll. Das Allerschlimmste sind die Interviews. (lacht)

Und zum Abschluss bitte noch ein paar Worte an unsere Leser!

Regel Nr.1, um ein glückliches Leben zu führen: Alles kaufen, wo KNORKATOR draufsteht!

Danke für die Beantwortung meiner Fragen und ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg und Spaß an der Musik!

 

 

 


Band-Links:

alf atoralf ator interviewKNORKATOR - Alf Ator

 

Band-Biografie (Quelle Wikipedia)
KNORKATOR ist eine satirische Rockband aus Berlin gegründet von ALf Ator und Stumpen. Sie bezeichnet sich selbst als Deutschlands meiste Band der Welt. Der Bandname wurde durch Personifizierung des Begriffs knorke abgeleitet. Der Sänger Gero Ivers, Künstlername „Stumpen“, schloss nach kurzzeitigem Violinen- und Klavierunterricht eine klassische Gesangsausbildung ab. Nach der Ausbildung an einer Musikschule in Berlin-Köpenick wurde er durch die Staatsoper Unter den Linden engagiert… Mehr auf: Wikipedia
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