Vor kurzem durfte ich die niederländische Band WITHIN TEMPTATION noch am Master‘s of Rock Festival in Tschechien bewundern und nun halte ich schon das neueste Album der Truppe rund um Sängerin Sharon den Adel in meinen Händen. Manchmal frage ich mich, wo die Leute die Zeit hernehmen um alle ihre Aktivitäten unter einen Hut bringen.
Das neueste Werk wurde „Bleed Out“ getauft und ein erster Blick auf das Artwork sowie auf die Playlist lassen vermuten, dass die Band die schwierigen Zeiten, die unseren Globus momentan belasten, auf dieser Scheibe verarbeiteten. Songtitel wie „Cyanide Love“, „The Purge“ oder „We Go To War” bestätigen wohl nur, wie es um die Gemütslage der Truppe stehen muss, wenn man einen Blick auf den Krieg in der Ukraine oder auf die Frauenrechte im Iran wirft, die besonders Sharon ein großes Anliegen sind.
Doch wer sich mit seichten Themen beschäftigen will, der schalte den Radio ein und wer es anspruchsvoller haben will, der sollte sich „Bleed Out“ zu Gemüte führen.
Die vier Jahre Wartezeit seit dem Vorgänger haben sich gelohnt, den die elf Songs bieten nicht nur Abwechslung, sondern kommen dank den ca. 4 Minuten Spielzeit pro Track alle schnell auf den Punkt und lassen so keinen Platz für Langeweile. Nach dem ersten paar Nummern wird einem schnell klar, Härte ist Trumpf, schneidende Riffs, treibende Drums und dank männlicher Unterstützung am Mikro klingt „Bleed Out“ weniger nach den alten WITHIN TEMPTATION, die gerne ausufernden symphonischen Stil einbrachten, sondern vielmehr nach den neuen WITHIN TEMPTATION, die gern auch mal ordentlich reinhauen. Ein Beispiel wäre sofort der harte Opener „We Go To War“ der nach ein paar ruhigen Sekunden für düstere Atmosphäre sorgt und von der starken Stimme Sharons getragen wird. Perfekt gewählt um die Hörer sofort zu fesseln. Wird wohl dank dem starken Refrain den Weg in das Liveset finden.
Dass die Niederländer nicht vor Veränderung zurückschrecken und gerne auch etwas Neues ausprobieren, beweist „Ritual“. Hier wurden verschiedenste Elemente vermischt und heraus kam ein Song, den man so bisher noch nicht kannte von den Musikern. Eröffnet wird das Ganze mit epischen Chören, ehe die Gitarren für eine wunderbare Atmosphäre sorgen und man in die Sound Landschaft richtig eintaucht. Gedanklich bin ich bei diversen alten Völkern, die den alten Götter huldigen und so den Spagat zwischen Moderne und Geschichte schön spinnen.
WITHIN TEMPTATION arbeiten bekanntermaßen gerne mit anderen Musikern zusammen und so fand auch diesmal eine Co-Produktion den Weg auf das Album. Diesmal holte man sich die deutschen Post-Hardcore Sänger von ANNISOKAY mit an Bord, um den Titel „Shed My Skin“ gemeinsam einzuspielen. Stimmlich passt das überraschend gut und der Song bleibt schnell im Ohr hängen.
Ausfälle sind nicht zu vermelden, auch wenn nicht jeder Song zündet oder das Prädikat „wertvoll“ verdient. So werde ich mit „Unbroken“ und „Entertain You“ nicht so richtig warm und die würde ich als eher durchschnittlich bezeichnen. „Cyanide Love“ hingegen macht wieder alles richtig und dürfte sich an den Kollegen von RAMMSTEIN orientiert haben. Das in Deutsch gesungene Kinderliedchen im Refrain klingt cool und gruselig zugleich, während die restliche Nummer in Englisch daher kommt. Ein weiteres Highligt ist „The Purge“ mit seinem fast poppigen Rhythmus und dem sich oft verändernden Gesang von Sharon, die wie immer über jeden Zweifel erhaben ist und ihre Sache großartig macht.
WITHIN TEMPTATION sind nicht umsonst die erfolgreichste Band ihres Landes. Neue Wege gehen und trotzdem den eigenen Wurzeln treu zu bleiben ist nicht einfach und trotzdem gelingt es den sympathischen Holländern ausgezeichnet. „Bleed Out“ ist ein sehr gelungenes Album, das viel Abwechslung verspricht und einige tolle Momente breit hält. Nicht nur für Fans.
Tracklist „Bleed Out“:
1. We Go To War
2. Bleed Out
3. Wireless
4. Worth Dying For
5. Ritual
6. Cyanide Love
7. The Purge
8. Don’t Pray For Me
9. Shed My Skin (feat. Annisokay)
10. Unbroken
11. Entertain You
Gesamtspielzeit: 46:19