Ich erinnere mich, dass es 2004 schon ein riesen Ding war, als Christofer Johnsson mit seinen THERION gleich zwei Alben auf einmal veröffentlichen wollte, ich kann mir, auch wenn Doppel-Alben mittlerweile schon Standard sind, gar nicht ausmalen, wie heiß mit dem Label diskutiert wurde, als er mit „Beloved Antichrist“ ein Konzept Album mit gleich drei Scheiben und mehr als drei Stunden Musik vorstellte. So oder so, der Mastermind der sowieso schon ungewöhnlichen Metalband, hat das bisher wohl ambitionierteste und auch unerwartetste Album der Bandgeschichte geschaffen.
Wenn man auf die Besetzungs-Liste sieht, könnte man von einer Metal Oper im Stile von AYREON oder AVANATASIA ausgehen, doch weit gefehlt. Zwar haben Metal bzw. Rock und Oper hier einen großen Stellenwert, doch wenn man die Entstehungsgeschichte ansieht, merkt man schnell, dass THERION hier einen komplett anderen Ansatz verfolgte. Schon vor dem Release von „Lemuria / Sirius B“ wollte der Bandboss eine waschechte Oper schreiben, doch sein Metal-Hirn grätschte ihm da immer dazwischen, da Johnsson in erster Linie songorientiert schreibt und die Strukturen nicht so klassisch in Richtung Oper gingen, da er mit den Story-Parts, die er als Mix aus Gesang und Erzählstimme bezeichnet, nicht ganz klar kam, hatte er eine neue Idee.
Als Story-Inspiration stand „A Short Tale From The Antichrist“ von Wladimir Sergejewitsch Solowjow aus dem Jahre 1899 Pate, diese wurde aber erweitert und ausgeschmückt um auch weibliche Charaktere verwenden zu können. Dazu ließ er sich von Musicals wie „Jesus Christ Superstar“ oder „Cats“ inspirieren und baute aus all dem seine ganze eigenen Rock-Oper.
Herausgekommen ist ein Mammut-Werk, das etwas zwischen den Stühlen steht, denn Metalfans bekommen hier eine dicke Oper, während Fans der klassischen Oper sehr viel Metal abbekommen. Zwar haben THERION einen homogenen Mix daraus erschaffen, doch gerade die Metal-Fraktion muss mit gleich 28 verschiedenen Protagonisten, die von knapp 20 Sängern verkörpert werden, die allesamt typischen Opern-Gesänge präsentieren, vorlieb nehmen. So stark die ganzen in Sopran, Tenor, Mezzo oder Bass vorgetragenen Vocals auch sind, typische Metal-Refrains findet man auf „Beloved Antichrist“ kaum, bis gar nicht, weshalb das erste Werk seit acht Jahren aus dem schwedischen Hause keine leichte Aufgabe ist, zumal man sich auch mal drei Stunden vor den Player setzen sollte, um die drei umfangreichen Akte am Stück zu genießen.
Die Tracks schwanken zwischen epischen Piano-Stücken, rockigen Musical-Songs und heavy tönenden Metal-Nummern, die aber stets den Opern-Unterton mittragen. An Abwechslung mangelt es dem Werk definitiv nicht, vor allem da die verschiedensten Sänger, die Rock- und Metalfans vermutlich wenig bis nichts sagen, und darum hier auch nicht großartig aufgezählt werden, verschiedenste Nuancen in das Material tragen. Opulente Chöre, orchestrale Elemente, Percussion und weitere Spielereien, die dem Konzept-Feeling zutragen, werden auch immer wieder eingewoben.
„Beloved Antichrist“ macht es einem nicht einfach, nicht mal dem Hardcore-THERION Fan. Wenn ich jetzt einen direkten Vergleich zum Beispiel zum Vorgänger „Sithra Ahra“ und diversen Klassikern, die fast alle bereits Elemente aus der Oper, oder zumindest bombastische Arrangements beinhalteten, so fehlt es „Beloved Antichrist“ an Hits, dafür ist das 16. Werk der schwedischen Ausnahmeband das reifste, durchdachteste und ambitionierteste. Zudem liefert man dank grandioser Intensität und den professionellen Sängern auch immer wieder mal Gänsehautmomente.
Für Fans der Oper könnte man hier aufgrund dessen die volle Punktzahl ziehen, während andere Anhänger eventuell ob des anstrengenden Materials irgendwo bei einer Durchschnittswertung dümpeln. Ich werde mich dazwischen platzieren, verbeuge mich vor der visionären Arbeit von Johnsson, vermisse aber eben die Hitkandidaten.
Tracklist „Beloved Antichrist“:
Act I
1. Turn From Heaven
2. Where Will You Go
3. Through Dust, Through Rain
4. Signs Are Here
5. Never Again
6. Bring Her Home
7. The Solid Black Beyond
8. The Crowning Of Splendour
9. Morning Has Broken
10. Garden Of Peace
11. Our Destiny
12. Anthem
13. The Palace Ball
14. Jewels From Afar
15. Hail Caesar!
16. What Is Wrong
17. Nothing But My Name
Act II
18. The Arrival Of Apollonius
19. Pledging Loyalty
20. Night Reborn
21. Dagger Of God
22. Temple Of New Jerusalem
23. The Lions Roar
24. Bringing The Gospel
25. Laudate Dominum
26. Remaining Silent
27. Behold Antichrist
28. Cursed By The Fallen
29. Resurrection
30. To Where I Weep
31. Astral Sophia
32. Thy Will Be Done!
Act III
33. Shoot Them Down!
34. Beneath The Starry Skies
35. Forgive Me
36. The Wasteland Of My Heart
37. Burning The Palace
38. Prelude To War
39. Day Of Wrath
40. Rise To War
41. Time Has Come Final Battle
42. My Voyage Carries On
43. Striking Darkness
44. Seeds Of Time
45. To Shine Forever
46. Theme Of Antichrist
Gesamtspielzeit: 183:07