FLAMMENKVLT ist eine neue Hoffnung im österreichischen Untergrund. Zwar tief im Black Metal verwurzelt, traut sich das Projekt auch weit über den Tellerrand zu blicken und kommt mit einem überaus interessanten und sozialkritischen Konzept daher. Wie die Zusmmenarbeit zwischen Gründer M.M. und Sänger A.S. entsanden ist und was uns in Zukunft von diesem ambitionierten Projekt erwartet, erfuhren wir in folgendem Gespräch.
Hi M.M. – mit FLAMMENKVLT hast du letztes Jahr ein ganz neues Projekt ins Leben gerufen. Wie kam´s? Man möchte meinen, du seist mit deinen anderen Projekten SCARGOD und A GHOST NAMED ALICE gut ausgelastet?
M.M: Hallo Max, zuerst mal vielen Dank für die Möglichkeit hier unsere Meinung usw. kund zu tun. Ich wollte schon seit vielen Jahren eine Black Metal Band ins Leben rufen, da ich seit fast 30 Jahren BM höre und auch liebe, nur war eben nie die richtige Zeit und die richtige Mucke vorhanden, um dies auch so, wie ich es wollte, umzusetzen. Und ja, ich bin ganz gut ausgelastet, denn auch bei SCARGOD hab ich schon ein Album fertig geschrieben, bei AGNA sind 2 Songs erschienen und bei anderen Projekten arbeite ich ständig an Verbesserungen. Ich kann halt nicht anders, als mich auszutoben und das eben gerade so, wie ich es im Moment für richtig halte.
Wie bist du dann auf deine Mitstreiter A.S. und D.S. gekommen?
M.M: Bei D.S. war es sehr einfach, da er schon seit meinen, ich sag mal professionelleren Anfängen irgendwie dabei ist und wir wirklich gute Freunde sind. Er ist einer der wenigen Menschen, der mich musikalisch einfach versteht. Da brauch ich nicht viel zu sagen. Der weiß wie ich ticke, auch wenn es mit mir nicht immer einfach ist.
Bei der Wahl des Gesangs war das schon schwieriger. Ich hatte eine gewisse Vorstellung davon, wie es zu klingen hatte, habe auch schon die Texte dazu verfasst – typisch Kontrollfreak, und habe dann nach einem passenden Sänger gesucht. Eher durch Zufall bzw. durch eine Empfehlung meines Freundes Wolfgang Rothbauer, kam ich dann auf A.S., der mir dann auch gleich mal eine Demoaufnahme geschickt hat, wo ich dann sofort Feuer und Flamme war. Er schrieb auch sofort dann eigene Texte, war schnell und präzise bei der Arbeit und das Ergebnis fand ich spitze. Ich bin froh, dass A.S. uns über diverse Punkte, wie Black Metal sein muss, geeinigt haben.
Die EP „Zeitenwende“ hat ein interessantes und mutiges Konzept. Ihr habt bekannte Reden von Opfern von Gewalt, Sexualverbrechen und Genozid eingebaut und als Grundlage für die Kompositionen genommen. Wie kam die Idee und was wollt ihr damit erreichen?
M.M: Dies war zurzeit des Songwritings schon mein Plan. Ich persönlich wollte in einer aggressiven Musik aggressive bzw. harte Koste verarbeiten, die sich nicht unbedingt jeder traut anzugehen. Über Tod, Hass, Satan usw. kann eh jeder im BM schreiben. Ich wollte aber von Anfang an aufzeigen. Wollte daran erinnern, dass es genug Probleme auf dieser Erde gibt, die aufgearbeitet gehören, bevor die Menschheit und die Erde durch uns zugrunde geht. Gleichzeitig wollte ich auf das Positive schauen, was zumindest in der westlichen Kultur eh gut geht. Wir brauchen nicht jammern, tun es aber tagtäglich. Natürlich überwiegt das Negative, die Vergewaltigungen, die Genozide, das NS-Regime usw. Diesen Problemen gehört sich gestellt und aufgestanden. Das ist meine Meinung. Ich meine, was sollen unsere Kinder einmal lernen?
A.S.: Als ich das Angebot erhielt, „Zeitenwende“ einzusingen, hat mich ebenso das komplett unorthodoxe Konzept der Band gereizt. M.M. hat wie bereits erwähnt, schon Texte geschrieben, die ich als Grundlage nahm, um meine Interpretation des Konzepts auszudrücken, auch wenn meine Ansichten dazu sich stark von denen von M.M. unterscheiden, dies im Rahmen eines Interviews näher auszuführen, wäre aber zu ausufernd. Aber durch die Synergie der beiden Herangehensweisen an das Konzept ist meiner Meinung nach, ein kreatives Werk entstanden.
Was sollen der Titel und das Artwork ausdrücken?
M.M.: Der Titel „Zeitenwende“ bedeutet für mich, dass es Zeit wird, dass sich die Menschheit ändert. Und zwar sofort. Es muss eine Wende in unserem Verhalten eintreten, sonst gibt es die Erde, die schöne Natur nicht mehr so lange. Wir müssen dringend Verantwortung zeigen! Aber wir müssen bei dieser Änderung bei uns selbst anfangen – ich nehme mich hier nicht aus. Einer allein richtet nicht viel aus, aber alle zusammen schon. Dazu passt das Coverbild „Dr. Tod“ wie die Faust aufs Auge. Ohne dieser Wende wird der Planet Erde zugrunde gehen.
FLAMMENKVLT ist eine im unüberhörbar im Black Metal verwurzelte Band, man hört aber vor allem bei „The Inner Fire“, dass ihr da auch Grenzen auslotet. Wie würdet ihr den Sound einordnen und gibt es bewusste Einflüsse?
M.M.: Ehrlich gesagt kann ich meine Songs nie einordnen. Ich schreibe das, was mir in den Sinn kommt. Das grundlegende Thema war Black Metal (eben meine alte Liebe zu diesem Genre) zu machen. Ich kann mir aber zu keiner Zeit einfach Scheuklappen aufsetzen und dann diverse Riffs, weil sie vielleicht, wie du gesagt hast, Grenzen ausloten oder auch darüber hinaus gehen, einfach ignorieren. Das einzige, was ich sicher zu keiner Zeit, warum auch immer, nicht abschütteln kann, ist der progressive Einfluss im Songwriting, obwohl ich selbst kaum progressive Mucke höre – hahaha.
A.S.: „Im Black Metal verwurzelt“ trifft es ganz gut, da FLAMMENKVLT in meinen Augen kein Black Metal ist. Das meine ich allerdings nicht negativ, ich bin allerdings der Ansicht, dass Black Metal weniger am Musikstil festzumachen ist, als an der Essenz bzw. dem Wesen der Musik und der Einstellung der Bandmitglieder. FLAMMENKVLT, ist im Black Metal verwurzelte, genreübergreifende extreme Musik, wenn man so will.
Möchtet ihr auf die Themen der drei Tracks noch etwas näher eingehen?
A.S.: Wie oben bereits erwähnt, habe ich die ursprünglichen, von M.M. vorgegebenen drei Themen der Tracks (Sexuelle Gewalt, Demagogie/Faschismus und Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern) als Basis genommen und abstrahiert. Ich habe dabei versucht, die diesen Themen zugrundeliegenden treibenden Kräfte des menschlichen Seins zu beschreiben. Der gemeinsame rote Faden liegt in der Verdrängung gewisser negativer Anteile der menschlichen Persönlichkeit, C.G. Jungs „Schatten“. Arbeitet der Mensch diese Anteile seines Seins nicht auf oder verdrängt diese gar, manifestieren sich diese Kräfte, die an sich weder gut noch schlecht sind, in einer pervertierten Form. Als einfaches Beispiel mag die unterdrückte Sexualität bei Priestern dienen, die sich oft in Pädophilie und Missbrauch im Generellen äußert, die bei „A Song Against The Void“ thematisiert wird.
Gibt es schon Ideen, oder sogar mehr für ein Full-Length Album?
M.M: Ja, die gibt es! Insgesamt bin ich beim Schreiben des sechsten Songs. Was dann genau angenommen wird bzw. es dann aufs Album schafft, kann ich noch nicht sagen.
Kommt da für die Zukunft ein Label in Frage, oder bleibt ihr beim Do-It-Yourself Style?
M.M.: Mal schauen, was sich ergibt. Ich bin halt nicht mehr bereit für ein Label zu zahlen. Nicht im Geringsten. Den Scheiß tu ich mir nicht an. Entweder ganz oder gar nicht. Selbst zu releasen ist ganz gut, denn dann hast du als Band auch immer ein Auge darauf, was genau abläuft, wieviel die Band wirklich verkauft hat und welche Einnahmen und Ausgaben du hast.
Beides bietet seine Vor- und Nachteile. Ich bin jetzt schon so lange in dem Business unterwegs, dass ich selbst genug Kontakte hege und pflege, genug Arbeit usw. hineingesteckt und genug Erfahrung mitbringe, um selbst sagen zu können, wie der Hase läuft. Vom Songwriting über das Endprodukt über die Promotion und den Verkauf. Natürlich muss ich da auch immer auf dem Laufenden bleiben und VIEL, GANZ VIEL ARBEIT hineinstecken. Vom Geld ganz zu schweigen (eine Wohnung hätte ich mir schon kaufen können, aber keine kleine). Von nix kommt nix. – Ich glaube, ich sollte ein Label gründen… hahaha.
In der Presseaussendung, habt ihr geschrieben, dass ihr schon live spielen wollt, aber es aktuell nicht möglich ist. Ist damit die allgemeine Situation gemeint, oder gibt es da auch personelle, finanzielle oder andere Schwierigkeiten?
M.M.: Es war vor allem die aktuelle Situation rund um das Thema Covid 19 gemeint. Des Weiteren ist es mir immer so lästig von einem Projekt auf eine Band umzusteigen, also Leute zusammensuchen, die in etwa gleich denken und auch gut drauf sind, so wie wir. Musikalisch und menschlich. Wir kennen zwar eine Menge richtig, richtig gute Musiker, aber die müssen auch erst einmal Zeit haben. Derzeit haben wir alle Musiker zusammen bis auf einen fähigen Drummer. Der wird noch gesucht. Ihr könnt euch gerne bei uns bewerben!
A.S.: Das liegt eher daran, bereitwillige Musiker zu finden. Doch so wie es aussieht, haben wir jetzt ein Line-up für eine Liveband zusammen.
Ihr habt mit Lukas Haidinger einen wirklich gelungenen Sound zwischen roher Black Metal Gewalt, aber auch zeitgemäßem Druck im Studio geschaffen. Wie war da die Zusammenarbeit?
M.M.: Mit Lukas zu arbeiten ist wie immer genial. Auch schon die letzte SCARGOD Platte wurde bei ihm produziert, gemischt und gemastert und das Teil knallt so richtig. Er hat sich in den letzten Jahren zu einem DER Produzenten im Metal Bereich gemausert. Er ist ja auch ein Wahnsinnsmusiker und auf ihn ist einfach Verlass. Das Studio ist super ausgerüstet und mitten in Braunau. Wenn einer der Musiker nichts zu tun hat, kann er sich die Gegend anschauen oder einfach schon vorab zu saufen beginnen. Alles da, alles vorhanden. Sehr geil. – Ich habe schon viele Studios durch, aber hier fühle ich mich wohl. Auch als manchmal introvertierter Mensch, der einfach nur beobachtet.
A.S.: Mit Lukas zusammenzuarbeiten ist phantastisch. Du kommst ins Studio, alles ist perfekt vorbereitet, er stresst nicht und holt das optimale Ergebnis aus dir raus. Er verschwendet selbst keine Zeit und ist wahnsinnig effizient, gibt den Musikern aber alle Zeit, die sie für ihre Performance brauchen. Auch auf einer persönlichen Ebene funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend. Ich kenne auch niemanden, der so viele Instrumente auf einem so hohen Niveau beherrscht.
Was steht bei dir nun als nächstes am Plan? Ist FLAMMENKVLT nun komplett im Fokus oder widmest du dich vorerst einem deiner anderen Bands/Projekte?
M.M.: Also, eine Full-Lenght Platte wird es sicher geben. Wie oben erwähnt, arbeite ich daran. Wenn mich die derzeitigen Mitglieder bzw. Session Musiker nicht verlassen, auch mehr. SCARGOD ist mein Baby und auch hier möchte ich gerne noch was machen – 2024 hätte ich 20-jähriges Bestehen – da muss schon noch was kommen. Aber auch hier ist die Vorraussetzung, dass ich in der (fast) selben Besetzung weiter arbeiten kann.
„A Ghost Named Alice“ wird zu meinem Leidwesen nicht fortgesetzt werden. Einfach erklärt: AGNA interessiert keine Sau. Ich bin in einem Alter, in dem ich sehr genau schaue, was sich auszahlt und was nicht. Den Esel, der Gold scheißt, den habe ich nämlich noch nicht gefunden – und meine Familie will ernährt sein.
KUPKA & MOSER, mein Deutschpop/Schlagerprojekt (Mir wurscht, ob ihr mich nun alle ans Kreuz nageln wollt) wird vielleicht fortgesetzt, immerhin waren wir in den Schlagercharts und der Song läuft immer noch unregelmäßig im Radio. Dank der Plattenfirma geht es aber so nicht mehr weiter. Mal schauen. Kürzer zu treten, wie geplant, ist somit sowieso nicht. Derzeit liegt aber mein Fokus auf FLAMMENKVLT und SCARGOD.
A.S.: Glücklicherweise kann ich die Verantwortung für die Musik komplett in M.M.s Hände legen,da ich songwriterisch mit ESCHATON und GLACIATION mehr als eingedeckt bin. M.M. hält mich aber immer am Laufenden was seinen Songwriting-Prozess angeht, sodass ich nur meine Meinung zu Songstrukturen, Riffs, etc. abgebe. FLAMMENKVLT ist allerdings das kreative Kind von M.M. weswegen er das letzte Wort hat.
Zum Schluss noch – wem und warum war das Trve‘e „V“ im Bandnamen ein Bedürfnis? ?
M.M.: Mir! Was auch seine Gründe hat. Der Name Flammenkvlt rührt einfach daher, dass ich gerne Dokumentationen über Serienkiller und Schwer(st)verbrechen schaue, um in deren Gedankengänge vordringen zu können bzw. um deren Verbrechen zu verstehen. Da geht es oft um Sektenführer. Bei der Namensfindung habe ich gerade eine Doku über die Manson Familie gesehen und habe zu mir selbst gesagt, dass es doch nicht schwer sein kann, wenn du halbwegs intelligent und charismatisch bist, eine Sekte oder einen Kult zu gründen, wo dir all die Anhänger blind folgen, dir deine gesamte Kohle in den Arsch schieben und sich die Frauen nur zu gerne mit dir einlassen. Deine Weltansicht muss den Anhängern eben passen – eine gewisse „Politik der Angst“ genügt da schon. So kam ich auf das Wort Kult, denn vieles, bevor es zu einer Sekte oder noch größer wird, ist Anfangs eine Art Kult, der lange Zeit im Geheimen operiert usw.
Flammenkult würde eben meine Sekte heißen – natürlich ist es irgendwie ein Widerspruch zu dem oben gesagten, aber auch ich darf diese Gedanken haben und mit Flammenkvlt dann eben beides unter einen Hut bringen wollen – das Schlechte und das Gute. Und diesen Spagat habe ich versucht zu erreichen. Damals noch ohne dem Trve´ V, was dann erst geändert wurde, nachdem ich erkannt habe, dass, auch wenn ich egal welche Art von Musik ich mache, immer wieder dem Metal folge, immer wieder dahin zurückkehre und das seit ziemlich genau 30 Jahren. Dass ist trve!
Danke für deine/eure Zeit. Gibt es noch etwas zu sagen?
93 93/93