Wie viele gebrochene Herzen, wie viele gezeugte Kinder oder wie viele verliebte Pärchen gehen wohl auf das Konto von Herrn Axel Rudi Pells Musik? Diese Frage wird sich leider nicht beantworten lassen, jedoch sind es bestimmt sehe viele, ist doch der fast 60-jährige Bochumer Fachmann im Bereich Romantic Hard Rock. Kaum ein anderer versteht es so gut, die romantischen Gefühle mit seinem Instrument zu interpretieren. Doch wer sich in den letzten 30 Jahren mit der Musik des Gitarristen beschäftige, der weiß, es geht auch härter, wie Klassiker a la „Earls Of Black“ oder „Strong As A Rock“ beweisen.
Aber was wäre der grauhaarige Musiker ohne seinen kongenialen Partner Johnny Gioeli aus Brooklyn? Gute Frage, wohl nur halb so erfolgreich. Hier harmonieren zwei Kumpels, die wie die berühmte Faust aufs Auge passt. Johnny singt nun schon bereits seit etwas mehr als zwei Dekaden an der Seite von Axel und das bleibt auch hoffentlich noch lange so, wenn man ein Ohr beim neuesten Werk riskiert.
“Sign Of The Times“ ist das 18. Studioalbum des eifrigen Künstlers und das in knapp drei Jahrzehnten. Hier kann man ohne Frage von Fleiß sprechen. Der Vorgänger „Knights Call“ hat gerade mal zwei Jahre am Buckel und setzt die Messlatte ordentlich hoch für seinen Nachfolger, wurde doch die Scheibe an die 2,6 Millionen mal gestreamt. Inzwischen hat sich der bodenständige Deutsche eine ordentliche Fangemeinde aufgebaut und die bezeichnet Herrn Pell verdient nun als Legende, wie man in diversen Foren lesen kann. Hart erarbeitet und wohl verdient, denn wer über Jahre das Niveau so hoch hält, der kann kein Schlechter sein.
Die erste Veränderung die einem beim Blick ins Booklet auffällt, ist, dass Charlie Bauerfeind, der die letzten neun Alben produzierte, diesmal nicht mit an Bord war, sondern mit Tommy Geiger ein ebenfalls alter Bekannter am Mischpult saß. Laut Bandchef funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend und das hört man. Frischer Wind und Spielfreude sind in fast jedem Song zu hören. Sei es bei „Sign Of The Times“, mit sieben Minuten der längste Song, der immer wieder den Fuß vom Gas nimmt ehe wieder Vollgas angesagt ist oder „Gunfire“, der auf Geschwindigkeit ohne Verschnaufpause setzt mit etwas aggressiverem Gesang. AXEL RUDI PELL schaffen es auch diesmal wieder die richtige Mischung zu finden, so schleicht sich in der Mitte der CD mit „As Blind As A Fool Can Be“ der obligatorische Faserschmeichler ein. Keyboardlastiger Song ohne Kitsch, mit schönem Mittelteil, in dem Axel die Gitarre sprechen lässt.
So ist für jeden was dabei unter den neun Songs und dem mystisch schönen Intro „The Black Serenade“, das gefühlvoll einstimmt. Ein weiteres Highlight ist die letzte Nummer, „Into The Fire”. Es fällt auf, dass Sänger Johnny Gioeli, je älterer er wird, desto besser singt er. Sei es die Routine und die jahrelange Erfahrung oder dass der Bursche auch mit seiner zweiten Truppe HARDLINE ohne Pause tourt und so sein Gesangsorgan trainiert, wie ich am letztjährigen Masters Of Rock live miterleben durfte. Und mit knapp 50 ist er anscheinend auch im besten Gesangsalter.
Totalausfälle sucht man vergeblich, da sich AXEL RUDI PELL eigentlich immer treu blieben ist und auch genau das abliefert, was sich die Fans erwarten. Von Stillstand kann man dennoch nicht sprechen, da man sich in seinem eigenen Universum trotzdem weiterbewegt. Einer dieser Songs, die etwas anders klingen, vielleicht sogar gewöhnungsbedürftig, wäre „Bad Reputation“ mit ungewöhnlichem, fast poppigen, sich wiederholenden Riff. Unter Durchschnittsware dagegen fallen zum Beispiel „The End Of The Line“, „Wings Of The Storm“ oder „Living In A Dream“, die nicht wirklich zünden oder gleich hängen bleiben und mich daher etwas weniger begeistern. Für zwischendurch aber gut genug.
Herr Pell und seine Mitstreiter sind in einer sich unglaublich schnell ändernden Welt wahrlich eine Konstante und das ist gut so. Der Gesamteindruck auch dank dem künstlerisch gestalteten Totenkopf-Cover passt und Fans von deutschem Hard Rock können bedenkenlos zugreifen.
Tracklist „Sign Of The Times“:
1. The Black Serenade (Intro)
2. Gunfire
3. Bad Reputation
4. Sign Of The Times
5. The End Of The Line
6. As Blind As A Fool Can Be
7. Wings Of The Storm
8. Waiting For Your Call
9. Living In A Dream
10. Into The Fire
Gesamtspielzeit: 60:30