Struwwelpeter
(Black Metal)
Label: Running Wild Productions
Format: (LP)
Release: 09.12.2022
Der Wiener Black Metaller mit dem Synonym Witege ist ein echt fleißiger Herr. Erst 2021 gründete er sein One-Man-Projekt WITHDRAW und kümmert sich darin ganz alleine um den Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug, übernahm außerdem auch teilweise selbst die Produktion seiner mittlerweile schon sieben Alben, vier EPs, einer Split mit WINTER’S BREATH und einem Best-Of.
Ob darunter die Qualität leidet, vermag ich noch nicht zu sagen, da ich mir erst einen Teil seines Schaffens zu Gemüte führen konnte, mir hat es aber vor allem schon dem Thema wegen das Konzeptalbum „Struwwelpeter“ angetan. Auf die Idee muss man mal als Metal-Freak kommen, denn da könnte man gefühlt ja auch ein Album über den Pumuckel oder die Schlümpfe machen.
Wer sich jedoch mit den Märchen von Heinrich Hoffmann, aus dessen Feder der „Struwwelpeter“ stammt, aber auch Wilhelm Busch oder den Gebrüder Grimm auseinandersetzt, weiß, dass diese Geschichten selten gut ausgingen und sogar Happy Ends stets mit Fingerzeig und oft auf mit einem grausamen Ableben der Antagonisten, aber auch Protagonisten endet. Die Hexe im Ofen, der Wolf mit Steinen am Grund des Flusses, Max und Moritz in der Mühle zerschrotet und an die Enten verfüttert. Und dem guten Struwwelpeter war ob seines Äußeren Opfer von Mobbing, während sich Psychologen mittlerweile eingehend mit ihm, aber auch dem magersüchtigen Suppen-Kaspar und dem Zappel-Philipp wegen seinem ADHS beschäftigen.
Lange Rede kurzer Sinn: Ein Black Metal Konzept-Album über die Geschichten von Hoffmann macht Sinn, wird hier verstümmelt, verbrannt und getötet.
Das Ganze geht Witege mit viel Gefühl an. Ambient, leichte Symphonic-Anteile und viel Atmosphäre sind in diesem Post-Black Metal Werk an der Tagesordnung. Zwischen erzählendem Gesang, der ja zu den Märchen passt und wütenden bis rasanten Black Metal Vocals, samt rasenden Blast-Attacken, bekommen die teils morbiden Geschichten eine passende, intensive und einprägsame Untermalung, die aber nichts für schwache Nerven ist. Gerade bei den etwas cleaneren Vocals zu hypnotisch langsamer Instrumentalisierung, fühlt man sich etwas an RAMMSTEIN erinnert. Auch zu den NDH-Experten würde ein Konzept dieser Art ja gut passen. Aber auch DORNENREICH und EISREGEN spielen eine Rolle im Sound von WITHDRAW.
Anspieltipp ist auf jeden Fall „Die Geschichte vom Suppen-Kaspar“, der mit viel kleinteiligen Ideen und den morbiden Vocals in Ohr, Knochen und Mark geht. „Die Geschichte Vom Zappel-Phillip“ ist dafür passend hektischer, dynamischer angelegt und mit „Die Geschichte Vom Fliegenden Robert“ lullt Witege einen mit cleanen, filigranen Klängen und fast gehauchtem Sprech-Gesang nochmal gekonnt ein, lässt sich die Symphonic Black Metal Orgie als großes Finale trotzdem nicht nehmen.
Die Produktion ist herrlich roh, aber doch transparent und druckvoll genug, um sowohl Black Metal-Puristen, als auch Freunde der moderneren Genrekost zufrieden zu stellen. Und so ist der „Struwwelpeter“ alles andere als „nur“ ein weiteres Genrewerk, sondern ein kreatives, durchdachtes und intensives Konzept-Album, das man als Black Metal Fan gehört haben sollte!
PS: Dass Witege ein musikalisches Chamäleon ist, zeigt er außerdem mit der Label-Hymne „RWP Hymn“, die er für das Linzer Label Running Wild Productions in verschiedensten Versionen aufnahm. Darunter auch Varianten davon in Richtung Punk, Nu Metal oder Hardcore. Zu finden auf dem Label-Bandcamp.
Tracklist „Struwwelpeter“:
1. Vorspruch
2. Struwwelpeter
3. Die Geschichte Vom Boesen Friedrich
4. Die Gar Traurige Geschichte Mit Dem Feuerzeug
5. Die Geschichte Von Den Schwarzen Buben
6. Die Geschichte Vom Wilden Jaeger
7. Die Geschichte Vom Daumenlutscher
8. Die Geschichte Vom Suppen-Kaspar
9. Die Geschichte Vom Zappel-Philipp
10. Die Geschichte Vom Hans-Guck-in-die-Luft
11. Die Geschichte Vom Fliegenden Robert
Gesamtspielzeit: 45:06
Band-Links:
